Die weiße Löwin
(Den vita lejoninnan)
Schweden, Norwegen, Dänemark 1996, 103 Minuten (DVD: 98 Minuten)
Regie: Per Berglund

Drehbuch: Lars Björkman, nach dem Roman von Henning Mankell
Musik: Thomas Lindahl
Director of Photography: Tony Forsberg
Montage: Leif Kristiansson
Produktionsdesign: Peter Bävman

Darsteller: Rolf Lassgård (Kurt Wallander), Charlotte Sieling (Baiba), Cecilia Zwick-Nash (Linda), Ernst Günter (Wallanders Vater), Basil Appolis (John September), Denise Newman (Ann), Tshamano Sebe (Mabasha), Marius Weyers (Dekker), Dipuo Huma (Miranda), Lee-Ann van Rooi (Matilda), Gideon de Wet (Wiermann), Rino Brezina (Rykoff), Jesper Christensen (Konovalenko), Richard Sseruwagi (Tsiki)

Eher mäßige Literaturverfilmung

Literaturverfilmungen stehen häufig im Kreuzfeuer der Kritik – vor allem von Seiten Literaturbegeisterter, die oft bemängeln, der jeweilige Film reiche qualitativ nicht an die Romanvorlage heran. Zwar folgen Literatur und Film ganz unterschiedlichen Kriterien. Wer z.B. ein Buch liest, macht sich von Charakteren, Umgebung und Handlung eigene Bilder, die je Leser durchaus unterschiedlich sein können. Einem Kinobesucher hingegen werden fertige Bildfolgen vorgesetzt. Was in einem Buch mehr oder weniger ausgiebig in Worten beschrieben wird, muss ein Regisseur in Bilder(folgen) fassen – und so weiter. Auch die Dramaturgie von Büchern und Filmen kann voneinander abweichen. Ein direkter Vergleich zwischen Roman und Romanverfilmung ist also schwierig. Trotzdem kann ein Film die Spannung, die ein Roman entwickelt, durchaus verhunzen. Und in solchen Fällen sind Vergleiche dann durchaus angemessen, ja notwendig.

Mankells „Die weiße Löwin” ist ein überaus spannender Thriller, der – wie bei dem schwedischen Schriftsteller in der Regel üblich – nach dem Mosaikprinzip funktioniert. Der Leser erhält nach und nach Fragmente des jeweiligen Falls geliefert, mit denen er zunächst nicht viel anfangen kann. Man puzzelt, kommt – wie sich im nachhinein dann herausstellt – zunächst zu falschen Schlussfolgerungen, und erst in den letzten Kapiteln lüften sich dann Geheimnisse. So erging es mir – und sicher auch anderen Lesern von „Die weiße Löwin” – auch mit diesem Buch.

Leider folgten Regisseur Per Berglund und Drehbuchautor Lars Björkman nicht Mankells Dramaturgie. Und wer unbedingt den Roman noch lesen möchte, sollte die folgende Besprechung lieber nicht lesen.

Im Südafrika der Nach-Apartheid wird ein Schwarzer namens Mabasha (Tshamano Sebe) von dem rechtsradikalen Dekker (Marius Weyers) angeheuert. Dekker arbeitet mit einem gewissen Wiermann (Gideon de Wet) vom südafrikanischen Geheimdienst zusammen. Mabasha soll mit einem ehemaligen KGB-Agenten namens Konovalenko (Jesper Christensen) einen politischen Mord vorbereiten und ausführen. Allerdings verschweigt Dekker Mabasha, um welche Zielperson es sich handelt. Mabasha und Konovalenko sollen sich zwecks Vorbereitung des Attentats nach Schweden begeben. Dort bildet Konovalenko Mabasha an einer Spezialwaffe aus.

Bei Wallander (Rolf Lassgård) meldet sich ein Mann namens Åkerblom, der seine Frau, eine Maklerin, als vermisst meldet. Wallander glaubt zunächst nicht an ein Verbrechen. Als man Frau Åkerblom sucht, explodiert in der Nähe ein Haus. Man findet die Leiche der Maklerin im Kofferraum eines Autos nicht unweit des brennenden Hauses in einem Teich – und in dem Haus selbst den abgetrennten Finger eines Schwarzen.

Schon an dieser relativ frühen Stelle des Films wurden dem Zuschauer die wichtigsten Informationen zur Lösung des Falls geliefert. Denn dass der Finger von Mabasha stammt, den Konovalenko ihm nach einer Auseinandersetzung wegen dessen Mordes an der Maklerin (die bei dem Haus aufgetaucht war, um nach dem Weg zu fragen) abgeschnitten hatte, dass Mabasha dann vor Konovalenko fliehen konnte – all das sind Informationen, die dem Zuschauer bereits jetzt bekannt sind. Damit aber entfällt ein Gutteil der Spannung, die den Roman ausmacht.

Dass Dekker und Wiermann nun einen anderen Attentäter auftreiben müssen, ist ebenso klar. Es bleiben also nur noch zwei Fragen offen: auf wen das Attentat verübt werden soll und warum Dekker, ein Rechtsradikaler, dazu ausgerechnet einen Schwarzen als Attentäter aussucht. Zu diesem Zeitpunkt des Films sind beide Fragen bereits leicht zu beantworten.

Hinzu kommt, dass zwei Nebenplots, die dem Roman Mankells eine nicht zu unterschätzende Würze geben und einen nicht unbeträchtlichen Teil des Romans ausmachen, im Film völlig am Rande behandelt werden: zum einen die Gespräche und Auseinandersetzungen Wallanders mit seinem Vater (Ernst Günter), der wieder heiraten will, und zwar eine jüngere Frau, zum anderen der Besuch Baibas (Charlotte Sieling), die Wallander bei einem anderen Fall im Baltikum kennen und lieben gelernt hatte. Gerade diese Geschichten haben im Roman die Funktion, mehr über Wallander und seine Persönlichkeit zu erfahren, sich ein relativ gutes Bild von dem Kommissar aus Ystad zu machen.

Auch der Showdown, in dem Wallander versucht, das Attentat zu verhindern, ist nur von mäßiger Spannung. Im Vergleich z.B. zu Fred Zinnemanns „Der Schakal”, in dem es auch um die Aufdeckung eines lange Zeit anonym bleibenden Killers geht, fällt der Showdown in „Die weiße Löwin” stark ab. Trotz der unterschiedlichen Plots sind diese beiden Schlusssequenzen durchaus vergleichbar und eben sehr unterschiedlich, was den Spannungsgrad angeht.

Berglunds Film ist insofern ein eher schlechtes Beispiel für eine Romanverfilmung. Obwohl Rolf Lassgård für die Rolle des Wallander im Prinzip die beste Wahl ist, bleibt Wallander bis auf wenige Szenen im Film hier eher blass und konturenlos. Das alles hätte nicht sein müssen. Es wäre durchaus eine Inszenierung denkbar gewesen, die sich stärker an Mankells Roman und dessen Dramaturgie gehalten hätte. Und auch die Nebenhandlungen hätten durchaus deutlicher berücksichtigt werden können.