Genug
(Enough)
USA 2002, 114 Minuten
Regie: Michael Apted

Drehbuch: Nicholas Kazan
Musik: David Arnold
Director of Photography: Rogier Stoffers
Montage: Rick Shaine
Produktionsdesign: Doug Kraner

Darsteller: Jennifer Lopez (Slim), Bill Campbell (Mitch), Tessa Allen (Gracie), Juliette Lewis (Ginny), Dan Futterman (Joe), Noah Wyle (Robbie Hero), Fred Ward (Jupiter), Bill Cobbs (Jim Toller), Chris Maher (Phil), Ruben Madera (Teddy), Jeff Kober, Dan Martin, Brent Sexton (FBI-Agenten)

Flickwerk

Wieso gibt es so viele, die Jennifer Lopez nicht mögen? Sie sieht gut aus, wirkt sympathisch, gibt sich alle erdenkliche Mühe, ihre Sache gut zu machen – also warum? Vielleicht, weil sie als Schauspielerin nicht viel herzugeben hat? Michael Apted („Enigma“, 2001) schienen all diese Gerüchte jedenfalls nicht zu stören. Er dehnte seinen Film auf satte 114 Minuten. Allerdings dehnt sich die Geschichte nicht deshalb so grausig, weil die Idee miserabel wäre (Frau und Kind müssen sich vor psychopathischem Ehemann retten; irgendwann habe ich so etwas allerdings schon mal gesehen). „Enough“ ist vielmehr ein Lehrstück dafür, dass die besten Ideen nichts hergeben, wenn man alles andere in den Sand setzt.

Slim (Jennifer Lopez), Kellnerin zusammen mit ihrer Freundin Ginny (Juliette Lewis), lernt Mitch (Bill Campbell) kennen, einen wohlhabenden Bauunternehmer. Ihrem Glück scheint nichts mehr im Wege zu stehen. Sie heiraten, ziehen in ein idyllisches Haus und wenig später ist Gracie (Tessa Allen) da. Nach einigen Jahren verhält sich Mitch zunehmend merkwürdig. Slim kommt dahinter, dass er mit anderen Frauen ins Bett geht. Mitch erklärt ihr, dass er dies auch weiterhin tun werde, ob sie das wolle oder nicht. Gleichzeitig will er Slim aber weiter als zur Ehefrau haben. Ja, er macht Slim unmissverständlich klar, dass er nicht tatenlos zusehen werde, falls sie versuche wegzugehen. Als er dann seinem Besitzanspruch auch noch mit roher Gewalt Ausdruck verleiht, entschließt sich Slim, mit Hilfe von Ginny und ein paar Freunden zu fliehen – natürlich mit Gracie. Sie versteckt sich an einem geheimen Ort. Mitch jedoch lässt seine Beziehungen spielen und ist ihr schnell auf den Fersen. Zudem hat er einen Sorgerechtsprozess in Gang gebracht, nicht nur, um Gracie Slim wegzunehmen, sondern auch, um sich an Slim zu rächen. Ein Anwalt, den Slim aufsucht, erklärt ihr, er und auch sonst niemand könne ihr jetzt noch helfen.

Unterstützung erfährt sie außer von Ginny nur noch von ihrem früheren Freund Phil (Chris Maher) und ihrem Vater (Fred Ward). Mitch allerdings setzt alles daran, um sie und Gracie in die Finger zu bekommen. Da entschließt sich Slim, den Spieß herumzudrehen: Sie absolviert eine Kampfsportausbildung, um sich von einer Gejagten in eine Jägerin zu verwandeln und sich an Mitch zu rächen ...

Kurz gesagt: Die Idee zu diesem Film – wenn auch nicht neu – ließe sich durchaus zu einem spannenden Film ausarbeiten. Das Drehbuch allerdings ist in jeder Hinsicht miserabel. Das beginnt bei den Charakteren. Bill Campbells Mitch ist nichts weiter als eine allzu gewollt sadistische Person, die nicht aus dem Leben gegriffen, sondern – welchen Gründe Nicholas Kazan dazu auch immer getrieben haben – in aller Eile oder aus reiner Fahrlässigkeit hin gekritzelt worden ist. Mitch ist kein vorstellbarer Mensch, nicht einmal eine blasse Karikatur auf einen Psychopathen. Es bleibt völlig unverständlich, warum er Slim überhaupt geheiratet hat, warum er mit ihr ein Kind hat, warum Slim erst nach etlichen Jahren merkt, was für ein Mensch Mitch ist usw.

Das liegt vielleicht daran, dass ähnliches für Jennifer Lopez Slim zu sagen ist. Ob diese Slim lächelt oder weint, sich in Angst auslösenden Situationen befindet oder in vorübergehender Sicherheit oder gerade mal wieder Opfer der Gewalt von Mitch ist: Jennifer Lopez wirkt immer gleich flach. Statt dessen legte Kameramann Rogier Stoffers viel Wert darauf, das Gesicht der Lopez in allen passenden und unpassenden Situationen deutlich, für alle sichtbar und fast schon monoton zu zeigen, als wenn es hier um einen Werbefilm für das Verkaufsprodukt J-Lo gehe. Vielleicht geht es bei diesem Streifen auch um nichts anderes: J-Lo kann auch in Action-Filmen spielen.

Kann sie nicht. Jedenfalls ist sie in „Enough“ den Beweis dafür schuldig geblieben.

Noch grauenhafter ist die Episode von Slim und ihrem Vater „Jupiter“. Als sie ihn um Hilfe ersucht (die beiden kannten sich vorher nicht, er wird als bindungsunfähiger und -unwilliger Frauenverzehrer eingeführt), weist er sie mit ein paar Dollar zurück. Die Szene ist derart überkandidelt, der Dialog zwischen beiden derart unglaubwürdig, dass es einem die Sprache verschlägt. Als sie ihm eine Halskette gibt, die er kennen müsste, wird Jupiter vom Saulus zum Paulus: Slim bekommt Geld und Unterstützung. Die Genetik siegt über die Psyche und ich frage mich, was ich hier eigentlich will.

Nicht nur die Charaktere, auch die Handlung (von „der Handlung“ zu sprechen ist eigentlich zu viel des Lobes) zeugt von einem Flickwerk en gros. Kazan und Apted haben Versatzstücke verschiedener Genre zu einem alles in allem unerträglichen Gemisch zusammengeschustert. Action (Auto-Verfolgungsjagd), Psychothriller (vermeintlicher Göttergatte erweist sich als Psychopath), Aschenputtel („Prinz“ heiratet „Cinderella“), Polizeifilm (der korrupte Polizist im Film ist so hanebüchen simpel konstruiert, das einem die Haare zu Berge stehen). Aber all das sind weder zu Ende gedachte und arrangierte Handlungselemente, noch fügen sie sich wirklich zu einer dramatischen Handlung zusammen. Anfangs ist Slim eine relativ unbedarfte Durchschnittsbürgerin, am Schluss Lara Croft in Action, über die man nur lachen kann, und zwischendrin eine unglaubwürdige Verfolgte, deren Handlungen oft jeder Logik entbehren. Wenn Jennifer Lopez in der Schlussszene ihrem Peiniger gegenübersteht und an die simplen (psychologisch einfach gestrickten) Anweisungen ihres Nahkampfausbilders denkt, mutet das an wie die athletische Übung einer Möchtegern-Heldin.

Die sozusagen innere Botschaft von „Enough“ – wenn man davon überhaupt sprechen kann – lautet: Letztendlich zählt nur eines, Mann gegen Mann, oder vielmehr Frau gegen Mann, oder: verlängern wir den menschlich-aggressiven Urzustand allen Daseins. Dieser rote Faden ist nur möglich aufgrund der grobklotzigen Charaktere und der zusammengestückelten Handlung. Es ist z.B. völlig unlogisch, warum Slim nicht (zumindest auch!) sofort Strafanzeige erstattet, sich einen Anwalt nimmt und sich statt dessen von einem Anwalt später in der Handlung mehr oder weniger sagen lässt, sie müsse diesen Mitch töten, um endlich Ruhe zu haben. Krieg auf der ganzen Linie. Und das gewünschte Ergebnis stellt sich nach alldem natürlich und für Lopez-Fans wahrscheinlich grandios ein, obwohl es so absehbar ist, so sicher wie das Amen in der Kirche.

Einzig Juliette Lewis und die kleine Tessa Allen bringen ein bisschen Realismus in den Film.

Mehr ist nicht zu sagen. J-Lo hatte ihren Werbefilm und konnte den nächsten vorbereiten, um nicht vergessen zu werden. Der Film wird ihre Fans begeistern (nehme ich an) und die meisten anderen enttäuschen. Summa summarum also: Vergeben und vergessen.