Hero
(Ying xiong)
China, Hongkong 2002, 93 Minuten
Regie: Yimou Zhang

Drehbuch: Feng Li, Bin Wang, Yimou Zhang
Musik: Tan Dun
Director of Photography: Christopher Doyle
Montage: Angie Lam, Zhai Ru
Produktionsdesign: Huo Tingxiao, Yi Zhenzhou

Darsteller: Jet Li (Namenlos), Tony Leung Chi-wai (Zerbrochenes Schwert), Maggie Cheung (Fliegender Schnee), Zhang Ziyi (Mond), Chen Daoming (König von Qin), Donnie Yen (Himmel)

Die schwierige Kunst zu (über-)leben

Bei einem amerikanischen Actionfilm würde wohl niemand besondere Konnotationen zur „Gründung“ des amerikanischen Staates ziehen, zur Eroberung des Westens, der Ausrottung der Indianer, dem Sklavenhandel, kurz und bündig: der gewalttätigen Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika. Zumal fast jeder der heute noch bestehenden klassischen Nationalstaaten vor allem eben auch auf Blut und Tod, auf Gewalt und Skrupellosigkeit gebaut wurde. Im Fall des immer noch von einer diktatorischen Nomenklatura regierten China allerdings ist dies scheinbar etwas anderes. Dem neuen Film des schon lange über die Grenzen der Volksrepublik hinaus bekannten Regisseurs Yimou Zhang („Rote Laterne“, 1992; “Heimweg“, 2000; „Happy Times“, 2001) bescheinigen chinesische Intellektuelle Staatsnähe, die Nomenklatura der VR China applaudiert, Besserwisser aus dem Westen halten sich entweder vornehm zurück oder stimmen in den Chor der chinesischen Kritiker an Zhang ein.

Tatsächlich ist „Ying xiong“ – setzt man ihn ins Verhältnis zur politischen Situation in China – kein Film, der provokativ oder gar anklagend die chinesische Politik seit der Gründung der Volksrepublik geißelt. Doch was verlangt man von einem Regisseur, der bislang im Westen als Oppositioneller gefeiert wurde, der durch eine hintergründige und leise Kritik die Missstände in seinem Land in die Kinos gebracht hat? Dass er auf die Barrikaden geht und dann im Kerker landet? Dass mit „Ying xiong“ eine staatstragende Legende gefilmt worden wäre, ist sowieso nur schwer nachvollziehbar. Das Gegenteil ist eher der Fall, und der Zuspruch chinesischer Politiker bedeutet eher die Verkürzung des Films auf eine angebliche Feier der Figur des historischen Königs von Qin – eine Falschinterpretation, wie der Film selbst beweist.

„Hero“ spielt im China vor 2.000 Jahren. Sieben Königreiche kämpfen um die Vorherrschaft. Der schlimmste und skrupelloseste ist der König von Qin (Daoming Chen), der anstrebt, sämtliche Reiche mit Gewalt zu einem großen zu vereinen. Drei Kämpfer – Flying Snow (Maggie Cheung), Broken Sword (Tony Leung Chi-Wai) und Sky (Donnie Yen) – versuchen seit zehn Jahren, den Despoten zu ermorden. Ein Anschlag wäre beinahe geglückt. Drei Jahre später erscheint am Hof des Königs ein namenloser Krieger (Jet Li), der die Waffen der drei Kämpfer vorlegt und dem König erzählt, wie er die drei getötet habe.

Der König von Qin lässt den Namenlosen bis auf zehn Fuß an sich heran, eine Ehre, die nur dem zuteil wird, dem der Herrscher wirklich vertrauen kann. Jeder andere darf sich dem König nur auf hundert Fuß nähern. Die Geschichte des Namenlosen beinhaltet ein Gespinst von Eifersucht, Liebe und Verrat. Je mehr der König von der Geschichte hört, desto größer werden seine Zweifel. Und erzählt seine Version der Verschwörung gegen sich. Eine dritte Version der Geschichte um die vier Kämpfer, die daraufhin der Namenlose erzählt, nachdem nicht nur ein Geheimnis offenbart wurde, lässt alles wiederum in einem anderen Licht erscheinen.

Es wäre falsch, mehr über die Handlung zu erzählen, weil ein Großteil der Spannung aus dem Verhältnis der drei insgesamt unterschiedlichen Versionen resultiert.

Zhangs Version der Geschichte um den König von Qin – schon einmal visualisiert in „The Emperor and the Assassin“ (1999) von Chen Kaige– zeugt von einer grandiosen Geschlossenheit und Symmetrie, was Handlung, Charaktere, die Art der Visualisierung und natürlich die special effects angeht. Zhang realisierte ein Martial-Arts-Meisterwerk – sicherlich. Die Geschichten wurden zudem in unterschiedlichen Farben gefilmt, was die strenge Komposition des Werks zusätzlich unterstreicht. Die mit erheblichem Aufwand gedrehten Kampfszenen – die Krieger laufen auf dem Wasser, schwingen durch die Lüfte usw., dass es eine Freude ist – wurden durch Christopher Doyle präzise in überwältigende Landschaften, Paläste, platziert, die Farben des Films, die Musik – all das ist derart kompakt und überlegt aufeinander abgestimmt, das man meinen könnte, es gehe nur um einen der grandiosen, aber weitgehend inhaltsarmen Streifen, von denen man viele in der Vergangenheit sehen konnte, – nur viel besser gemacht. Zhang hat mit seinem Film sicherlich die besten Chancen, gegenüber dem westlichen Markt nicht nur zu bestehen, sondern den chinesischen Film zu einem ernsthaften Konkurrenzprodukt werden zu lassen.

All das ist richtig. Aber „Hero“ enthält eine Geschichte, die nicht ganz unbedeutend ist, genauer gesagt enthält drei Geschichten, die in sich stimmig sind, das heißt, die Versionen sowohl des Königs wie des Namenlosen sind in sich plausibel und enthalten doch ganz unterschiedliche Komponenten bezüglich dessen, was passiert sein könnte bzw. ist. In der ersten Geschichte ist der Namenlose der Held. Doch diese Heldenerzählung soll etwas verbergen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die Geschichte des Königs ist zwar weitgehend Spekulation, aber auf Indizien aufgebaut, die das Verborgene der ersten Geschichte enthüllt. Und die letzte Geschichte, wiederum eine Version des Namenlosen, rückt die Verhältnisse zurecht und enthüllt weitere Geheimnisse um den Kampf gegen den König von Qin. Mehr sei nicht verraten. Jedenfalls wird der Betrachter durch Rückblenden, die phantastisch gefilmt wurden, mit drei plausiblen Erzählungen konfrontiert – ganz ähnlich übrigens, wie Kurosawa in „Rashomon“ (1950) operierte.

Die Spannung, die Zhang durch diese Art der Erzählung aufbaut, und die enorme Kraft der Bilder allein sind es schon wert, „Hero“ anzusehen. Doch das ist nicht alles. Das zentrale Moment des Films ist die Auseinandersetzung zwischen dem König von Qin und dem Namenlosen, die in zwei fundamental unterschiedlichen Aussagen gipfelt: Der Kaiser will durch blutige Gewalt die sieben Reiche seiner Macht unterstellen („Alles unter dem Himmel“). Demgegenüber formuliert der König selbst (!) das Gegenprinzip, nämlich, dass es der Sinn des Schwertkampfes sei, auf das Schwert nicht nur in der Hand, sondern auch im Herzen zu verzichten. Das erste Prinzip siegt; der wahre Attentäter wird, weil es das Gesetz fordert, getötet. Dem König von Qin – wenn auch hier in einer kaum historischen Verkörperung – ist bewusst, dass Reiche durch Blut und Schwert entstehen und wieder zerfallen. Doch er selbst ist – noch dazu als Repräsentant eines solchen Reiches – viel zu sehr Teil der Struktur solchen Denkens und Empfindens, als dass er diesem Prinzip entfliehen könnte.

Schwertkampf wie Kalligraphie – die für die vier Kämpfer eine enorme Bedeutung besitzt, weil sie den gleichen Regeln unterliege – haben das Ziel der höchsten Vollendung körperlicher wie geistiger Herrschaft über sich selbst. Nur einer der Attentäter erkennt zunächst neben dem König die Bedeutung dieser Kunst. Der König erkennt, dass sich im Attentat auf den Herrscher nur die Kehrseite des Prinzips „Alles unter dem Himmel“ verbirgt. Das (potentielle) Attentat ist die Bestätigung dieses Prinzips, so, wie der bewaffnete Aufstand die Bestätigung der bewaffneten staatlichen Machtausübung wäre, gegen die die Aufständischen aufbegehren, und nur die bewaffnete Machtausübung reproduzieren würde – wenn auch unter einem neuen Firmenschild.

Inwieweit solche Aussagen der historischen Wahrheit in bezug auf das China vor 2.000 Jahren entsprechen, ist für die Beurteilung des Films relativ unwichtig. Es geht um Heute. Zhang selbst äußerte, er habe das Genre des Martial-Arts-Films „in eine andere Richtung lenken“ wollen. „In meiner Geschichte ist das Ziel die Reduzierung von Gewalt.“ Das ist ihm sicherlich gelungen.

Ich habe spekuliert. Aber es mag das Recht eines jeden zu sein, allzu leichtfertigen Spekulationen über die „politische Einordnung“ eines Films handfestere Spekulationen entgegenzusetzen. „Hero“ ist ein filmisches Meisterwerk, aber sicherlich kein parteipolitischer Film im Sinne der chinesischen Nomenklatura. Ich glaube kaum, dass der Film etwa der tibetischen Sache schaden wird, nur weil einige chinesische Politiker heftig geklatscht haben oder weil bekannt ist, dass Mao TseTung ein eifriger Bewunderer des Königs von Qin gewesen sein soll. Reiche entstehen und Reiche zerfallen. Das gerade ist ja unser aller Problem – und nicht ein Film.


 

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