King Kong
(King Kong)
Neuseeland, USA, 2005, 187 Minuten
Regie: Peter Jackson

Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson, nach der Geschichte von Merian C. Cooper und Edgar Wallace
Musik: James Newton Howard, Mel Wesson
Director of Photography: Andrew Lesnie
Montage: Jamie Selkirk
Produktionsdesign: Grant Major

Darsteller: Naomi Watts (Ann Darrow), Jack Black (Carl Denham), Adrien Brody (Jack Driscoll), Thomas Kretschmann (Kapitän Englehorn), Colin Hanks (Preston), Andy Serkis (Kong / Lumpy), Evan Parke (Hayes), Jamie Bell (Jimmy), Lobo Chan (Choy), John Summer (Herb), Craig Hall (Mike), Kyle Chandler (Bruce Baxter)

Jacksons geniales Remake

Die Produktionsfirma UIP wirbt für „King Kong” mit der Zeile: „Das achte Weltwunder.” Und dies stimmt für Peter Jacksons Remake des Klassikers in zweierlei Hinsicht – nämlich nicht nur für eine der größten Phantasiegestalten der Filmgeschichte, eben jenen Riesengorilla, sondern auch für die Umsetzung durch Jackson und vor allem die Bilder dieser Geschichte. „King Kong” verortet das Kino (erneut nach der Ring-Trilogie), den Kinofilm (wieder) dort, wo er nach Ansicht mancher Leute hingehört: in das Reich der Phantasie, der Mythen, der epischen Erzählung (jedenfalls bedingt) und der Tradition all dessen. Kong ist eine jener Ideen, fiktionalen Geschichten und erdachten phantastischen Gestalten, die mit der Wirklichkeit des Alltags, der Historie und des Lebens nichts, mit dem Kino aber alles zu tun haben. So wie in der Kunst ein Gemälde wie die Mona Lisa, in der klassischen Musik z.B. Beethovens Fünfte oder in der Literatur etwa der Faust (und vieles mehr) kulturgeschichtliche Traditionen bilden und in der Breite wie Tiefe von Kulturen unauslöschliche Spuren hinterlassen haben, gehört die Figur des Kong in der Filmgeschichte und -kultur zu den einflussreichsten Figuren wie dessen Geschichte zu den unausrottbaren Erzählungen. Und gerade weil es sich um eine erfundene, realitätsferne und -fremde Figur handelt, ist diese Tradition so einflussreich und unzerstörbar. Da verhält es sich mit Kong ebenso wie mit den Märchen der Brüder Grimm.

Jackson muss dies nicht nur erkannt und gespürt haben; er hat es in sein Remake der Geschichte, die viel mehr als ein Remake ist, umgesetzt – und das, obwohl er sich in den wichtigsten Punkten fast schon penibel an die ursprüngliche Geschichte hält (im Gegensatz zu anderen Kong-Filmen, wie etwa dem japanischen Film „Die Rückkehr des King Kong” von 1962 oder in dem amerikanischen Remake von 1976).

Jackson tat im übrigen gut daran, die Geschichte im Amerika des Jahres 1933 zu belassen, anstatt sie in die Gegenwart zu transponieren. Die digitale Technik ermöglichte einen „Wiederaufbau” New Yorks aus dieser Zeit – man sieht u.a. den Time Square – ebenso wie den „Bau” der phantastischen, von urzeitlichen, zumeist phantasierten Tieren bevölkerten Insel Skull Island, ohne, um es vorweg zu sagen, dass die schier unbegrenzten Möglichkeiten der CGI-Technik, wiederum aus der WETA-Schmiede, wie schon in der Ring-Trilogie, jemals die Oberhand gewinnen würden über die Geschichte oder die Personen. Jackson ist ein Meister der gelungenen Verbindung zwischen Erzählung und technischen Möglichkeiten; letztere dienen ersterer, nicht umgekehrt.

Der erfolglose Filmproduzent Carl Denham (Jack Black), der seinen Finanziers entkommen will, nachdem er deren Geld in den Sand gesetzt hat und polizeiliche Verfolgung befürchten muss, träumt von einem sensationellen Film. Er will nach Skull Island, einer sagenumwobenen Insel in der Südsee, an deren Existenz er fest glaubt. Eine alte Karte ist ein vager Anhaltspunkt. Er engagiert Kapitän Englehorn (Thomas Kretschmann) und seine Crew, angeblich um in Singapur zu drehen. Durch einen Trick gelingt es ihm, den Drehbuchautoren Driscoll (Adrien Brody) auf dem Schiff zurückzuhalten, bis es ablegt. Zuvor traf Denham zufällig auf die junge, arbeitslose Schauspielerin Ann Darrow (Naomi Watts), die er zur Mitfahrt überredet, nachdem seine eigene Hauptdarstellerin sich weigert, mit auf Fahrt zu gehen. An Bord befinden sich zudem die Crew Denhams und auch der eitle Darsteller Bruce Baxter (Kyle Chandler) sowie Denhams Assistent Preston (Colin Hanks).

Erst als das Schiff schon etliche Wochen unterwegs ist, verkündet Denham Kapitän Englehorn, er wolle gar nicht nach Singapur. Und tatsächlich stößt man schließlich auf die von Nebel umgebende geheimnisvolle Insel Skull Island, auf die Ureinwohner, die nicht gerade friedlich gesinnt sind, und schließlich auch auf exotisch anmutende, urzeitliche Tiere aller Art. Und auf Kong, den Herrscher der Insel, dem die Einwohner regelmäßig Opfer darbringen. Sie entführen die blonde Ann Darrow, um sie Kong zu opfern.

Der Rest der Geschichte ist bekannt ...

„King Kong”, dessen Visualisierung ein für Peter Jackson lang gehegter Traum war, dessen Realisierung ihm allerdings vor einigen Jahren schon einmal verweigert wurde, ist ein Film, der in drei großen Teilen mit zunehmender Spannung inszeniert wurde: die Vorgeschichte bis zur Ankunft auf Skull Island, die Ereignisse dort und die Ereignisse nach der Rückkehr mit Kong in New York. Jeder dieser Teile hat ein eigenes Flair. So zeigt Jackson im ersten Teil das New York der Depression, der Armut, die auch vor den Theatern und Filmstätten nicht halt machen. Er zeigt einen Filmproduzenten, der nicht nur einen Traum hat, sondern dessen Realisierung auch mit allen möglichen Mitteln in egoistischer Manier verfolgt. Jack Black war da als Schauspieler die richtige Wahl. Die Verschmitztheit, Gerissenheit und der Egoismus dieser Figur werden von Black auf den Punkt gebracht.

Dann folgt der große Mittelteil, in dem Jackson eine (digital bezaubernd und erstaunlich umgesetzte) Phantasieinsel zeigt, mit Einwohnern, die eher wie fantastische Gestalten aus der Ring-Trilogie erscheinen denn als wirkliche Südseebewohner, mit saurierähnlichen Tieren, Rieseninsekten und anderen der Phantasie entsprungenen Lebewesen, die die Insel bevölkern. Und last but not least einen Kong, der einem echten Gorilla nicht nur im Aussehen, sondern auch im Verhalten so ähnlich ist, das man ihn fast für echt halten könnte (mit Andy Serkis im Kostüm, digital aufbereitet). Zu den schönsten und spannendsten Szenen dieses Mittelteils gehört z.B. eine Szene, in der die Eindringlinge aus New York in einem schmalen Weg zwischen steil herauf ragenden Felsen einen horrormäßigen Wettlauf mit Sauriern überstehen müssen. Oder eine Szene, in der King Kong im Kampf mit diesen Sauriern in einem Abgrund sich von Liane zu Liane hangelt und gleichzeitig darauf achten muss, dass Ann nicht abstürzt. Grandios gemacht. Eine weitere Szene zeigt die Eindringlinge in einer Schlucht im Kampf mit übergroßen insektenähnlichen und anderen Tieren.

Der zentrale Punkt allerdings dieses mittleren Teils des Films ist die Beziehung zwischen Kong und Ann, auf die Jackson sehr viel Wert gelegt hat. Dazu gehört die langsame Annäherung der beiden, die Verwunderung Kongs darüber, dass er sich irgendwie zu dieser weißen Frau hingezogen fühlt, während Ann allmählich bewusst wird, dass der Riese, der ihr da gegenübersteht, zwar ein gefährlicher König des Urwalds ist, ihr aber nichts antun würde. Sie tanzt vor ihm, er kippt sie einigermaßen behutsam um und lacht dabei – and so on.

In der ersten zentralen Szene des Films sitzt Kong nach den kräftezehrenden Kämpfen auf einem Felsvorsprung, Ann steht zunächst neben ihm, bis er seine riesige Hand öffnet und Ann sich hineinsetzt. Beide schauen über die Insel hinaus aufs Meer, als die Sonne langsam untergeht – ein Bild der Ruhe, des Friedens, sogar in gewisser Hinsicht des Verstehens. Und es ist völlig unwichtig, dass in der Wirklichkeit Affen kein Fleisch essen, nie so groß werden wie Kong und schon gar keine Liebe zu Menschen entwickeln können, wie Anthropologen und Biologen immer wieder – auch wenn mal wieder ein solcher Film in die Kinos kam – versichert haben.

Jackson inszeniert diesen Mittelteil des Films in einem Wechsel von solchen ruhigen Szenen und fast schon actiongeladenen Verfolgungsjagden, auch mit einer guten Portion Humor. Als Ann anfangs Kong noch entkommen kann, flüchtet sie über die Insel und trifft auf ein gefährliches Untier nach dem anderen. Diese Szenenfolgen sind einerseits Horror (für Ann) und andererseits Komik (fürs Publikum) – eine fast schon dem Slapstick ähnliche Episode, die einfach zum Lachen reizt.

Der letzte Teil (New York) steht im Zeichen der Tragik für King Kong und kulminiert in der Szene auf dem Empire State Building, wo es für kurze Zeit nochmals zur Begegnung zwischen Kong und Ann kommt, zu einer nur wenige Sekunden dauernden Ruhe, als beide über die Stadt schauen und Ann – wie in der Szene auf dem Felsen der Insel – sich an die Brust klopft und so etwas sagt wie „Das ist schön”, bevor Jagdflieger Kong abschießen und sich die Pressemeute und Neugierige auf seiner Leiche des Sieges brüsten.

Was mich an Jacksons Inszenierung im besonderen – neben der grandiosen Umsetzung mittels CGI – faszinierte, gehört vielleicht überhaupt zum Phantastischen an der Geschichte selbst. Es ist die krasse Gegenüberstellung von Archaischem und Zivilisatorischem. Gerade unter der Bedingung einer erfundenen und am Realitätsmaßstab orientiert „unrealistischen” Erzählung kommen in Jacksons Inszenierung die Elemente dieses Gegensatzes deutlich zum Ausdruck: das Ursprüngliche, Naturverhaftete, Archaische, Gewaltige und nicht zuletzt in einem archaischen (nicht zivilisatorischen) Sinn Gewalt-Tätige hier, die Verschlagenheit, Kälte, das Unverständnis, Brutale und Egoistische, aber eben dem Archaischen Überlegene dort. Dazwischen steht eine Frau, die nach und nach die Tragik erkennt, als beide dieser Welten aufeinander stoßen, die Kong retten will und doch weiß, dass sie machtlos ist.

Man könnte dies auch in der Hinsicht deuten, dass die zivilisierten Menschen gegen ihre eigenen Ursprünge nicht nur rebellieren, sondern sie vernichten wollen. Für Denham ist Kong nichts weiter als eine gefährliche Attraktion, die man durch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen in den Griff bekommen könne. Dass er sich irrt, bedeutet nicht nur den Tod Kongs, sondern auch der Illusion, dass sich der zivilisierte Mensch seiner archaischen Ursprünge bewusst wird. Der kolonisierende und dadurch eben auch tötende Mensch kann Skull Island nicht so belassen, wie es ist. Er hat einen inneren Zwang, es zu erobern und dadurch zu zerstören.

Der Blick Kongs auf der Insel vom Felsen aus auf das Meer und den Sonnenuntergang hingegen repräsentiert nicht nur eine Phase der Ruhe, sondern auch die naturwüchsige, wenn auch unbewusste, nicht durch Reflexion gewinnbare Übereinstimmung mit seiner Umgebung. Demgegenüber steht die Unfähigkeit des zivilisatorischen Menschen, auf einer „höheren” Ebene und Entwicklungsstufe, eine solche Übereinstimmung zu denken und zu praktizieren. Das „Bindeglied” Ann, die weiße, blonde Frau ist hier zum Scheitern verurteilt. Naomi Watts war ebenfalls eine optimale Besetzung für die Rolle der Ann Darrow. Das zumeist „stille” Verstehen zwischen ihrer Ann und Kong bringt diese Annäherung zweier Welten glänzend zum Ausdruck.

Die ursprüngliche Geschichte geht davon aus, dass Kong sich in irgendeiner Weise in diese weiße Frau verliebt. Aber in Jacksons Inszenierung wird dies undeutlicher. Es ist eher eine unbestimmbare Regung, ein für Kong neuartiges Erleben, eine Art undeutliche Anziehungskraft durch das ihm Fremde, das plötzlich nicht mehr nur Nahrung, sondern etwas Belebtes ist, die sein Verhältnis zu Ann bestimmt, ein tierisches Gefühl, dem er einfach nachgibt und aufgrund dessen er Ann in jeder Hinsicht beschützt, rettet usw. Und insofern liegt in beider Beziehung eher so etwas wie die sinnbildlichen Zeigefinger von Archaischem, der Natur Verhaftetem hier und Zivilisatorischem dort, die sich plötzlich berühren und dadurch auf ganz unterschiedliche Weise neue Erfahrungen erzeugen.

So erhält das Phantastische, Groteske, Erfundene, künstlich Erzeugte eben doch wieder einen Bezug zur Realität. Und das macht tatsächliches großes, gutes Kino aus.

© Bilder: United International Pictures