Nobody ist der Größte
(Un genio, due compari, un pollo)
Italien, Frankreich, Deutschland 1975, 120 Minuten (DVD: 119 Minuten)
Regie: Damiano Damiani, (Sergio Leone)

Drehbuch: Damiano Damiani, Ernesto Gastaldi, Fulvio Morsella
Musik: Ennio Morricone, Mills
Director of Photography: Giuseppe Ruzzolini
Montage: Nino Baragli
Produktionsdesign: Francesco Bronzi, Carlo Simi

Darsteller: Terence Hill (Joe Thanks), Miou-Miou (Lucy), Robert Charlesbois (Bill Locomotiva), Patrick McGoohan (Major Cabot), Raimund Harmstorf (Sgt. Milton), Piero Vida (Jacky Roll), Rik Battaglia (Captain), Mario Valgoi (Thomas Trader), Frederick Ledebur (Priester), Jean Martin (Colonel Pembroke), Klaus Kinski (Doc Foster)

Ein Desaster

Als Sergio Leone und Tonino Valerii mit „Mein Name ist Nobody“ mit Terence Hill zumindest beim europäischen Publikum Erfolge feiern konnten, dachten vielleicht viele, der Film würde eine Fortsetzung erhalten, obwohl er eigentlich ein Abgesang auf den Western des alten Stils war. Zwei Jahre später erblickte tatsächlich unter dem Titel „Un genio, die compari, un pollo“ ein „Nobody“-Film das Licht der Welt, bei dem Leone offiziell nicht in Erscheinung trat. Trotzdem war er der Initiator für dieses Sequel, das bei näherem Hinsehen gar keines war. Die einzige Verbindung zu „Mein Name ist Nobody“ war Terence Hill in der Hauptrolle.

Für die Regie engagierte Leone den in (Western-)Komödien unerfahrenen Damiano Damiani, der sich mit Politthrillern wie „Warum mußte Staatsanwalt Traini sterben?“ mit Franco Nero (1974) oder „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“ (1971), ebenfalls mit Nero und Martin Balsam, einen Namen gemacht hatte. Zudem hatte Leone die für die weibliche Hauptrolle engagierte französische Schauspielerin Miou-Miou in Bertrand Bliers „Les Valseuses – Wir sind die Größten“ (1974) gesehen, einer leicht schlüpfrigen Komödie, in der Miou-Miou zwischen Gérard Depardieu und Patrick Dewaere eine Frau zwischen respektive mit zwei Männern gespielt hatte und mit ihren Reizen nicht geizte. Damit war die Grundstein für den zweiten Nobody-Film geboren: Miou-Miou hier zwischen Terence Hill und dem relativ unbekannten Robert Charlebois. Die Grundidee des Films ist die gleich wie in „Mein Name ist Nobody“: Hill spielt einen klugen Kopf, der seinen Gegnern immer einen Schritt voraus ist. Allein diese Grundidee wird von Damiani derart langweilig und dramaturgisch verfehlt umgesetzt, dass Leone selbst später von diesem Film nichts mehr wissen wollte. Auch das Motiv „eine Frau zwischen zwei Männern“ kommt in diesem Film derart holprig und langweilig inszeniert daher, dass es einfach keine Freude macht.

Nobody, in der englischen Fassung auch als Joe Thanks benannt, will mit seinen Freunden Bill Locomotiva (Robert Charlebois) und der reizenden Lucy (Miou-Miou) dem korrupten Major Cabot (Patrick McGoohan), der 300.000 Dollar gehortet hat und als skrupelloser Indianer-Hasser bekannt ist, das Handwerk legen. Durch seinen Gehilfen Mortimer (Benito Stefanelli) lässt Cabot Colonel Pembroke (Jean Martin), der das Fort, in dem Cabot herrscht, inspizieren will, auf dem Weg dorthin ermorden. Nachdem Bill und Nobody Mortimers Leute in die ewigen Jagdgründe geschickt haben, sollen Bill als Pembroke verkleidet und Lucy als dessen Tochter in das Fort fahren. Doch irgend jemand hat die beiden verraten, so dass Cabot beide einsperrt. Jetzt ergreift Nobody die Initiative und gaukelt Cabot vor, auf einem Stück Land, das den Indianern gehört, befinde sich eine Mine, in der massenhaft Gold zu finden sei. Der Indianerhäuptling aber will über den Verkauf dieses Landes nur mit Col. Pembroke verhandeln. So muss Cabot Bill erneut als Pembroke einsetzen, um an das Land zu kommen. Allerdings führt Nobody Cabot ordentlich an der Nase herum ...

Bevor diese Geschichte allerdings erzählt wird, präsentiert Damiani seinem Publikum geschlagene 45 Minuten unzusammenhängende Episoden und Episödchen, die mit der Handlung überhaupt nichts zu tun haben. Der Film beginnt mit einer Szene, die zwar Ähnlichkeiten mit dem Beginn von „Mein Name ist Nobody“ hat, aber dramaturgisch so schlecht umgesetzt wurde, dass man nur mit dem Kopf schütteln kann: Ein Mann namens Trader (Mario Valgoi) in einem Haus mitten in der Prärie hört Geräusche, geht hinaus, schießt wild um sich, bevor plötzlich ein gewisser Jelly Roll (Piero Vida) hinter ihm steht. Während die Anfangsszenen von „Mein Name ist Nobody“ und vor allem auch von „Spiel mir das Lied vom Tod“ die Fähigkeiten Leones zeigten, in seiner ihm eigenen Art episch lange Szenen zu zeigen, bei denen die Spannung sich bis zum Zerreißen entwickelt, bleibt davon in der Anfangssequenz dieses Filmes – nichts. Auch auf den Einsatz von Landschaftsaufnahmen, wie in den beiden anderen Filmen, verzichtete Damiani.

Wie eine miserable Karikatur auf Leones beste Filme entwickelt sich der Film fort. Damiani zeigt die Flucht Bills vor einem Priester, dessen Kirche er ausgeraubt hat, eine Szene in einem Bordell, wo plötzlich der Priester auftaucht, um den Diebstahl aufzudecken, die Ankunft Pembrokes in diesem Ort usw. All das ist derart inszeniert, dass man ständig nach dem Sinn fragt. Manchmal wirken diese Szenen so, als ob jemand in der Fußgängerzone Passanten filmt, die ein Schwätzchen halten, andere die weiter gehen usw., während man selbst wartet darauf, dass irgend etwas Bedeutendes passiert.

Auch das anfangs des Films gezeigte Duell zwischen Nobody und Doc Foster (Klaus Kinski) hat nicht nur mit der weiteren Handlung überhaupt nichts zu tun, sondern wirkt wie ein schlechter Abklatsch auf Szenen in „Spiel mir das Lied vom Tod“ – wobei Hill und Kinski hier eine Szene liefern, die noch zu den besten des Films gehört!

Auch eine weitere Szene, in der Nobody Cabots Lakaien, Sergeant Milton (Raimund Harmstorf), auf die Schippe nimmt, entbehrt wirklicher Komik. Überhaupt wirkt all das, was in dem Film als Komik präsentiert wird, gestelzt, gekünstelt, gequält.

Insgesamt verstieß Damiani mit dieser Inszenierung gegen sämtliche Regeln der Dramaturgie. Der Film ist schwerfällig, die Szenerie zusammenhanglos, und gerade in der Bordell-Szene anfangs des Films wird man den Eindruck nicht los, als wenn hier Laienschauspieler und ein Laienregisseur ihr Unwesen getrieben hätten. Selbst Morricones Musik ist nicht mehr als durchschnittlich, hangelt sich an damals gängiger, meist seichter U-Musik entlang, und es ist kein Wunder, dass die später produzierte CD mit dieser Musik kaum Absatz fand.

Die englische Fassung des Films ist arm an Dialogen. Die deutsche Synchronfassung hingegen wollte wohl durch die spezielle Komik Rainer Brands (bekannt für seine Synchro von „The Persuaders“, dt. „Die Zwei“, 1971 ff.) noch etwas retten. Brand änderte die Originaldialoge und setzte etliche zusätzliche Wortwitze etc. ein. Allein auch das konnte den Film nicht retten.

Bei der Kritik fiel Damianis Film durch. Finanziell war der Streifen ein Desaster. Und es sollte neun Jahre dauern, bis Leone 1984 sein letztes, wirklich großes Werk „C’era una volta in America“ („Es war einmal in Amerika“) vollendete, an dem er 15 Jahre lang gearbeitet haben soll.


Bilder: Screenshots von der DVD
© Paramount