Armee der Finsternis (1993)
Ein einfacher Plan (1998)
Spider-Man (2002)





Armee der Finsternis
(Army of Darkness)
USA 1993, 95 Minuten
Regie: Sam Raimi

Drehbuch: Sam Raimi, Ivan Raimi
Musik: Joseph Loduca, Danny Elfman
Director of Photography: Bill Pope
Montage: Bob Murawski, Sam Raimi
Produktionsdesign: Anthony Tremblay

Darsteller: Bruce Campbell (Ashley „Ash“ Williams / Evil Ash /Mini-Ash Nr. 1), Embeth Davidtz (Sheila), Marcus Gilbert (Lord Arthur), Ian Abercrombie (Wiseman), Richard Grove (Herzog Henry der Rote), Timothy Patrick Quill (Blacksmith), Michael Earl Reid (Gold Tooth), Bridget Fonda (Linda), Patricia Tallman (Besessene Hexe), Ted Raimi (feiger Krieger), Deke Anderson, Bruce Thomas (Mini-Ash Nr. 2 und 3), Sara Shearer (alte Frau), Shiva Gordon, Billy Bryan (Untote in der Grube)

Riesen-Horror-Spaß-Spektakel

Mit „The Evil Dead“ (1982) und „Evil Dead 2“ (1987) legte Sam Raimi („Spider-Man“, 2002) zwei Klassiker des Horror-Genres vor. 1993 versuchte Raimi, mit „Army of Darkness“ die Geschichte vom Superhelden aus dem Supermarkt weiter zu erzählen, der – ohne es wollen, oder vielleicht doch? – gegen eine Armee von Untoten zu kämpfen hat. Wiederum war Bruce Campbell in der Hauptrolle dieses Komik-Horror-Streifens zu sehen.

Ash (Bruce Campbell) ist eigentlich nichts weiter als Verkäufer in blauem Kittel in einem Supermarkt (S-Mart). Als er jedoch zusammen mit seiner Freundin Linda (Bridget Fonda) das Buch der Toten – Necronomicon – findet und aufschlägt, löst er eine teuflische Kraft aus, die Linda den Tod bringt und Ash in die Vergangenheit katapultiert – samt Auto, Motorsäge und 12-Kaliber-Gewehr. Soweit die Vorgeschichte. Da steht er nun, unser Held, irgendwann Anfang des 14. Jahrhunderts, am Pranger des mittelalterlichen Lord Arthur (Marcus Gilbert), der ihn samt seinem adligen Konkurrenten, dem Grafen Henry dem Roten (Richard Grove), und dessen Anhängern in eine Grube im Innenhof seiner Burg werfen lassen will. Arthur hat Probleme. Untote bedrohen seine Herrschaft und er nimmt (zu Unrecht) an, Henry und auch Ash stünden auf der Seite der furchtbaren Gestalten, die sich u.a. auch in der Grube befinden.

Nur der weise alte Mann (Ian Abercrombie) vermutet in Ash den prophezeiten Retter, der vom Himmel fällt und die ganze Bagage von Untoten, Skeletten etc. pp. endgültig ins Jenseits befördern wird. Als Ash in der Grube schon fast verloren scheint, wirft ihm der Alte die Kettensäge hinunter. Ash kann sich befreien. Immer noch misstrauisch akzeptiert Arthur den Mann aus der Zukunft und lässt auf Ashs Geheiß Henry den Roten und sein Gefolge frei. Eine gute Entscheidung, denn später wird Henry noch äußerst nützlich sein.

Der Alte und Ash machen einen Deal: Ash besorgt das Necronomicon von einem Friedhof. Dafür hilft der Weise ihm – mit Hilfe des Buches –, in seine Zeit zurückzukehren. Zwischendurch erkennt auch die junge und natürlich schöne Sheila (Embeth Davidtz), dass sie sich in Ash wohl getäuscht hatte. Und es kommt, wie es kommen muss: Sie verlieben sich ineinander.

Ash allerdings begeht auf dem Friedhof einen entscheidenden Fehler. Als er das richtige Buch findet – dort liegen nämlich zu seiner Überraschung drei, mit den beiden ersten hat er so seine Probleme –, hat er eines der drei Zauberworte vergessen, die er auf dringenden Rat des Alten sprechen sollte, sobald er das Buch der Toten gefunden hat. Das hat Folgen. Aus den Gräbern steigt die Armee der Finsternis auf – eine Bande von Skeletten, blutrünstigen Zerfleischten und anderen Untoten, die sich daran machen, die Burg Arthurs zu erobern und das Necronomicon in ihre winddurchlässigen Finger zu bekommen ...

Superman was here – kann ich nach dem Genuss dieses Spektakels nur sagen. Simple Dialoge (etwas übertrieben das dreimalige „Schau mir in die Augen, Kleines“ aus „Casablanca“), eine ebenso simple Handlung, Figuren wie aus einem Bilderbuch der Hollywood-Abziehbilder, eine Fülle von Action, etliche mehr als deutliche Bezüge zu allen möglichen anderen Filmen und Genres – Rittergeschichten, Superman, Comics – und last but not least komödiantischer Verve, machen diesen Horrortrip zu einem wahrhaftigen Vergnügen. Dazu kommt ein wirklich gut aufgelegter Bruce Campbell, der – fast atemlos – durch das mittelalterliche England saust, als ginge es die ganze Zeit um sein Leben, und so ist es ja auch. Auch die verrotteten Gestalten und Skelette nehmen sich selbst nicht allzu ernst.

Hinzu gesellen sich einige nette Ideen, beispielsweise die eiserne Hand Ashs (er hatte sich, nachdem der Fluch der Untoten seine Hand „befallen“ hatte, die rechte Hand abgehackt, ohne den erhofften Erfolg), ein meisterliche Konstruktion, die selbst Arnold Schwarzeneggers Terminator hätte überzeugen können. Im Kofferraum seines Wagens hat Ash (vorsorglich?!?) ein Chemiebuch und einige nette andere Utensilien untergebracht, die im Kampf gegen die Armee der Untoten sehr nützlich sind. Schön auch eine Szene auf dem Weg zum Friedhof, als Ash in eine Mühle eintritt und plötzlich drei Mini-Ashs ihm das Leben schwer machen. Plötzlich steht ihm sein Ebenbild gegenüber: das personifizierte Böse Ashs, das er kurzerhand kleinmacht und vergräbt. Der Kopf spricht weiter, Ash schüttet ihm Erde aufs Haupt. Grandios. Schön auch die Szene, als er in eines der falschen Bücher fällt und, nachdem er wieder herausgeklettert ist, sein Gesicht deformiert ist.

Logik spielt bei diesem Spektakel – in diesem Fall Gott sei Dank – keine Rolle. Sein Gewehr muss der kühne Held niemals nachladen; es schießt und schießt und schießt. Und Probleme mit Kampftechniken hat Ash auch nicht. Vorsicht: Angestellte des S-Mart haben eine umfangreiche Kampfausbildung – also keine Konflikte mit ihnen heraufbeschwören, das könnte übel für Euch ausgehen.

Der Film steigert sich bis zum Showdown. Da fliegen die Knochen, wirbeln die Körper nur so durcheinander, ein Zweikampf mit dem Anführer – Evil Ash – gehört zu den schönsten und humorvollsten Szenen des Films.

In einem übertriebenen Helden-Anti-Heldentum zeichnet sich in „Army of Darkness“ schon teilweise ab, was Raimi auf andere Weise in „Spider-Man“ (2002) weiterführte: eine bewegte Comic-Adaption, die es an Humor nicht fehlen lässt mit einem Helden, der sein Anti-Helden-Image so richtig unter Beweis stellen darf. Es leben die Supermärkte.



Ein einfacher Plan
(A Simple Plan)
USA 1998, 121 Minuten
Regie: Sam Raimi

Drehbuch: Scott B. Smith, nach seinem Roman
Musik: Dann Elfman
Director of Photography: Alar Kivilo
Montage: Eric L. Beason, Arthur Coburn
Produktionsdesign: Patrizia von Brandenstein

Darsteller: Bill Paxton (Hank Mitchell), Bridget Fonda (Sarah Mitchell), Billy Bob Thornton (Jacob Mitchell), Brent Briscoe (Lou Chambers), Chelcie Ross (Sheriff Carl Jenkins), Becky Ann Baker (Nancy Chambers), Jack Walsh (Tom Butler), Gary Cole (Neil Baxter), Bob Davis (FBI-Agent Renkins), Peter Syvertsten (FBI-Agent Freemont), Tom Carey (Dwight Stephanson)

„What a weird job ...”

Vieles an „A Simple Plan“ erinnert an die Stimmung in „Fargo“ (1996) von den Coen-Brüdern: Atmosphäre, Charaktere, die winterliche Umgebung in einer Kleinstadt des mittleren Westens. Aber Sam Raimi („Evil Dead 1 und 2“, 1981, 1987; „Armee der Finsternis“, 1993; „Spider-Man“, 2002) ist kein Plagiator, und die Geschichte, die er in „Ein einfacher Plan“ erzählt, ist weit davon entfernt, den gängigen Klischees aus der Traumfabrik zu folgen.

Hank (Bill Paxton) zitiert seinen verstorbenen Vater: Um einen Mann glücklich zu machen, brauche es nicht viel: „Eine Frau, die er liebt. Einen guten Job. Freunde und Nachbarn, die ihn mögen und respektieren.” Hank hat all dies erreicht. Er hat eine Frau, Sarah (Bridget Fonda), beide lieben sich, sie ist schwanger, Hank hat Arbeit. Er ist ein angesehener Mann. Sein Gehalt ist zwar nicht üppig, aber er kann seine Familie ernähren – ganz im Gegensatz zu seinem Bruder Jacob (Billy Bob Thornton) und dessen Freund Lou (Brent Briscoe), denen langsam das Geld ausgeht, die keine Arbeit haben und von öffentlicher Unterstützung leben müssen.

Es ist Winter in der Kleinstadt irgendwo im mittleren Westen. Hank, Jacob und Lou sind außerhalb der Stadt unterwegs. Als Lous Hund einem Fuchs nachjagt, entdecken die drei Männer abseits der Straße ein abgestürztes Flugzeug, das vom Schnee schon fast vollständig verdeckt ist. Der Pilot ist tot, Krähen, von denen es in der Gegend nur so wimmelt, haben ihm bereits das Gesicht zerfressen. Im Flugzeug findet Hank eine Tasche mit 4,4 Mio. Dollar. „Der amerikanische Traum ... in einer Reisetasche”, freut sich Lou. Er und Jacob sind entschlossen, das Geld zu behalten, während Hank es zunächst den Behörden übergeben will. Doch schnell ist auch er davon überzeugt, dass es sich um illegales Geld, Drogengeld oder etwas ähnliches handeln müsse. Hank ist bereit, das Geld zu behalten, unter einer Voraussetzung: Er verwahrt es bis zum Frühjahr. Wenn bis dahin sich niemand als legaler Besitzer des Geldes meldet, werde man sich das Geld teilen und aus der Stadt verschwinden. Man einigt sich auch darauf, dass niemand von dem Fund erfahren soll.

Der geschwätzige Lou allerdings erzählt natürlich seiner Frau Nancy (Becky Ann Baxter) von dem Fund. Und Hank zeigt Sarah das Geld. Nur Jacob schweigt. Wem sollte er auch etwas erzählen? Er lebt schon immer allein. Hank und Sarah, die nach anfänglichem Zweifeln dem Plan der drei Männer zustimmt, überlegen, was passieren könnte. Sarah meint, Hank solle einen Teil des Geldes, etwa 500.000 Dollar wieder in das Flugzeug bringen, die Piloten wieder so hinsetzen wie vor der Entdeckung des Geldes und alle sonstigen Spuren beseitigen, damit kein Verdacht geschöpft werde, dass irgend jemand aus dem Ort die Tasche gefunden habe, falls man das Wrack findet.

Hank und Jacob machen sich auf den Weg. Als sie allerdings in der Nähe des Wracks ankommen, kommt es zwischen Jacob und dem auf einem Schneepflug zufällig vorbeikommenden Farmer Dwight Stephanson (Tom Carey) zu einem handfesten Streit. Die Ereignisse überstürzen sich für die drei Männer und Sarah ...

„Für den amerikanischen Traum muss man arbeiten – man stiehlt ihn nicht.” Diese Antwort, die Hank kurz nach dem Geldfund Lou gibt, als der meint, den amerikanischen Traum in der Reisetasche gefunden zu haben, wird durch „A Simple Plan” gründlich destruiert. Hank gilt im Ort als rechtschaffen; er genießt Achtung bei Nachbarn und Freunden. Sein Bruder Jacob, ein Einzelgänger, der nie eine Freundin hatte, erscheint anfangs des Films als etwas zurückgeblieben, ja naiv. Lou, sein Freund, den Hank nicht besonders mag, ist ein Schwätzer, Tunichtgut und notorischer Trinker, der nichts für sich behalten kann. Im Laufe des Films und aufgrund des Geldfundes jedoch ändert sich fast alles. Die 4,4 Mio. Dollar werden zum Maßstab aller Dinge für die drei Männer und auch für Sarah und Lous ständig über ihren Mann schimpfende Frau Nancy.

Dabei geht es vordergründig für alle darum zu verhindern, dass irgend jemand von dem Fund erfährt bzw. sie in Verdacht kommen, sich das Geld unter den Nagel gerissen zu haben. Schon bald erweist sich, dass das Geld noch ganz andere Folgen mit sich bringt. Aus Freunden werden Feinde, aus Brüdern Gegner. Keiner der Beteiligten schreckt mehr davor zurück, bis zum Äußersten zu gehen, um sich seinen Anteil an dem Geld zu sichern. Der Schutz der eigenen Familie etwa ist für Sarah schon bald abhängig davon, ob man das Geld für sich sichern kann, damit man sich nicht jeden Tag überlegen müsse, ob man sich ein teureres Essen als sonst leisten kann usw.

Sam Raimi vermeidet allerdings jegliche moralische Bewertung des Verhaltens seiner Figuren. „A Simple Plan” steht nicht unter dem Motto der Verteidigung des american dream oder hehrer ethischer Prinzipien. Raimi tut etwas anderes. Er bezieht sein Publikum in die Geschichte ein, die mit immer neuen Überraschungen, Ereignissen und der Reaktion der Beteiligten darauf aufwartet. Man kann sich dem Verhalten der Personen wohl kaum entziehen. „A Simple Mind” ist eines der positiven Beispiele des Hollywood-Kinos, in dem sympathisierende Nähe zu den Figuren hergestellt wird. Dabei geht es nicht darum, die Handlungen insbesondere von Hank und Jacob zu rechtfertigen oder zu entschuldigen, sondern sie im Zusammenhang der Geschichte zu verstehen. „Hattest du je das Gefühl, böse zu sein?” fragt Jacob an einer Stelle seinen Bruder. „Ich bin böse”, beantwortet er selbst die Frage zu einem Zeitpunkt, an dem bereits Schreckliches passiert ist. Beiden ist bewusst, dass sie sich durch das Verstecken des Geldes und durch das Verhalten gegenüber dem Farmer Stephanson in eine Situation gebracht haben, aus der heraus es immer weniger ein Zurück geben kann. Die Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Schein wird für die zwei Brüder immer größer. „Niemand würde je glauben”, sagt Sarah zu ihrem Mann, „dass du fähig bist, das zu tun, was du getan hast.” Das Ansehen Hanks verkommt zur Makulatur für Nachbarn, Sheriff und die anderen Einwohner.

Bill Paxton spielt einen Mann, den man sich als angenehmen Nachbarn oder Freund gut vorstellen kann, dessen Überzeugungen, guten Absichten und Ethik durch Verfolgungswahn, Angst, auch vor dem sozialen Abstieg statt Aufstieg, gründlich erschüttert werden, weil er das Geld zum alleinigen Maßstab seines Lebens werden lässt. Paxtons Hank entdeckt an sich Abgründe, die er bislang für unmöglich hielt. Er kalkuliert eiskalt und handelt dementsprechend. An seiner Frau muss er die gleichen Mechanismen feststellen.

Billy Bob Thornton, mit schwarz umrandeter Brille und langen Haaren, erweist sich als Jacob im Verlauf des Films als Mann, der, weil er nicht gut aussieht und Scheu vor Frauen hat, unter dem Alleinsein leidet, aber auch darunter, dass – was er Hank irgendwann erzählt – er weiß, dass beider Vater nicht durch einen Unfall gestorben ist, sondern sich umgebracht hat. Er träumt davon, das alte Haus der Familie zu kaufen, um „etwas vorweisen” zu können, vielleicht doch noch eine Frau zu bekommen, die ihn mag. Wodurch dies geschieht, ist ihm egal, selbst wenn es das Geld sein sollte. Jacob mag manchmal etwas langsam sein, aber er ist nicht dumm, sensibler und intelligenter, als man zu Beginn des Filmes glaubt.

Der Geldfund wirkt wie ein Katalysator auf die drei Männer, wie ein deus ex machina. Sie werden getrieben und lassen sich treiben. Gewalt und Tod werden plötzlich zur Normalität ihres Lebens – aber auch Intrige und Verrat untereinander. Raimi zieht direkt aus der immer weiteren Verstrickung der drei Männer und Sarahs in Verbrechen in Zusammenhang mit der subtilen Charakterdarstellung die permanent steigende Spannung bis zum Schluss des Films. Thriller und Drama, teilweise verbunden mit Groteske, vermischen sich zu einer gelungenen Einheit. Ich sehe auch keine übertriebene, pathetisch anmutende oder realitätsferne Darstellung durch die Hauptpersonen. Paxton, Fonda, Thornton und Briscoe spielen ihre Rollen so, als wenn sie nicht spielen würden. Aus gewöhnlichen Menschen werden Leute, die zu Bluttaten bereit sind – um es nochmals zu betonen, aber nicht in der Weise, dass die „Verwandlung” künstlich wirkt. Gerade die permanente Nähe zu ihnen bewirkt, dass man sich in die Handlung bis zum Schluss involviert fühlt.

Die winterliche Stimmung, das Weiß, die Kälte, selbst die überall „lauernden” Krähen, die auf irgendein totes Tier hoffen, um sich zu nähren, geben der Handlung die angemessene Atmosphäre.

Ein Satz von Jacob sagt vielleicht mehr über die Geschichte aus als alles andere: „Die Krähen warten ständig darauf, dass irgendein Tier stirbt, um etwas essen zu können – was für ein merkwürdiger Job.” So verhalten sich die Krähen – ganz anders als Hank, Jacob, Sarah und Lou.

„A Simple Plan” überzeugt durch Charakterdarstellung, Spannung und eine Handlung, die immer wieder Überraschungen parat hat, ohne dass diese Ereignisse aus der Logik der Geschichte herausfallen würden. Sehenswert also in jeder Hinsicht.



Spider-Man
(Spider-Man)
USA 2002, 121 Minuten
Regie: Sam Raimi

Drehbuch: David Koepp, nach dem Comic von Stan Lee, Steve Ditko
Musik: Danny Elfman
Director of Photography: Don Burgess
Montage: Arthur Coburn, Bob Murawski
Produktionsdesign: Neil Spisak

Darsteller: Tobey Maguire (Peter Parker / Spider-Man), Willem Dafoe (Norman Osborn / Der grüne Kobold), Kirsten Dunst (Mary Jane Watson), James Franco (Harry Osborn), Cliff Robertson (Ben Parker), Randy Poffo (Bonesaw McGraw), Rosemary Harris (Tante May), J. K. Simmons (J. Jonah Jameson), Joe Manganiello (Flash Thompson), Jack Betts (Henry Balkan), Gerry Becker (Maximilian Fargas), Bill Nunn (Joseph „Robbie” Robertson), Stanley Anderson (General Slocum), Ron Perkins (Dr. Mendel Stromm), K. K. Dodds (Simkins)

Gelungene, intelligente Spider-Man-Verfilmung

40 Jahre ist es her, seit Spider-Man sich zum ersten Mal in „Amazing Fantasy #15” durch die Lüfte schwang. In weiteren Filmen konnte man den Spinnenmann zwischen 1977 und 1986 sehen. Nun hat Sam Raimi („Ein einfacher Plan”, 1998; „For Love of the Game”, 1999; „The Gift”, 2000) den Versuch gestartet, hinter das Geheimnis dieser Ausnahmegestalt unter den Supermännern zu kommen.

Peter Parker (Tobey Maguire, „Pleasantville”, 1998; „Cats & Dogs”, 2001) lebt schon lange als Waise bei Tante May (Rosemary Harris) und Onkel Ben (Cliff Robertson) im New Yorker Stadtteil Queens, ist ein As in der Schule, begeisterter Fotograf und seit Jahren in seine Mitschülerin Mary Jane (Kirsten Dunst) verliebt. Peter ist ein eher unscheinbarer, unauffälliger junger Mann, der von den meisten seiner Mitschüler nicht nur nicht ernst genommen, sondern auch ständig drangsaliert wird. Nur Harry (James Franco), der Sohn des Geschäftsmanns Norman Osborn (Willem Dafoe), ist Peters Freund.

Als Peter mit seiner Klasse ein Forschungslabor besucht, in dem mit Spinnen experimentiert wird, beißt ihn eines der genetisch veränderten Tierchen. Die Folgen sind fatal: Peter verfügt plötzlich über ungeahnte körperliche Kräfte, kann sich wie eine Spinne bewegen und entdeckt, dass er auch wie eine Spinne Netze ziehen kann. Er benötigt keine Brille mehr und hat gewisse hellseherische Fähigkeiten.

Obwohl er sich nichts mehr wünscht, als dass Mary Jane sich in ihn verliebt, geht die mit einem der protzigen Angeber aus der Klasse. Wie gern würde Peter Mary Jane in einem schicken Auto abholen und mit ihr ausgehen. Doch dazu fehlt ihm das nötige Kleingeld. Da liest er in einer Zeitungsanzeige, dass derjenige 3.000 Dollar erhalte, der drei Minuten im Ring gegen einen Super-Wrestler durchhält. Gesagt, getan. Peter verkleidet sich als Spinnenmann, steigt in den Ring und siegt. Allerdings weigert sich der Veranstalter, ihm das wohl verdiente Geld auszuzahlen und will ihn mit 100 Dollar abspeisen. Als Peter enttäuscht das Ringkampfgebäude verlassen will, überfällt ein Einbrecher den Veranstalter und stiehlt das Geld, das eigentlich ihm zusteht. Aber es kommt noch schlimmer: Derselbe Einbrecher überfällt wenig später ein Geschäft und erschießt Onkel Ben. Peter ist verzweifelt, macht sich Vorwürfe, nicht früher an Ort und Stelle gewesen zu sein – und erinnert sich an einen Satz, den Onkel Ben kurz zuvor zu ihm gesagt hatte: „Große Macht bringt große Verantwortung mit sich.” Peter hatte auf dieses Wort seines Onkels abweisend reagiert. Doch jetzt ist er entschlossen, nachdem er den Mörder seines Onkels gestellt hat, künftig mit Hilfe seiner außergewöhnlichen Kräfte dafür zu sorgen, dass das Verbrechen in New York keine Chance mehr hat.

In der Zwischenzeit ist Norman Osborn, der mit seiner Firma für das Militär arbeitet, darum bemüht, seine Firma zu retten. Denn General Slocum (Stanley Anderson) will einem Konkurrenten künftig die Gelder zuschustern, die bisher Osborn für die Entwicklung von Substanzen bekommen hatte, mit Hilfe derer Menschen ungeahnte Kräfte entwickeln sollen. Osborn entschließt sich, eine solche Substanz an sich selbst auszuprobieren. Doch das hat schreckliche Nebenwirkungen: Das Mittel verändert sein Wesen, seine negativen Eigenschaften kommen voll zur Geltung. Er wird aggressiv und gewissenlos. Als die Aufsichtsratsmitglieder seines Unternehmens beschließen, ihn zu entlassen, steht ihm der Sinne nur noch nach einem: Rache. Als grüner Kobold verkleidet tötet er sie während eines Festes auf der Straße und wird zum furchtbaren Monster.

Peter kann als Spider-Man gerade noch verhindern, dass Mary Jane bei dem brutalen Angriff Osborns ums Leben kommt. Der Kampf zwischen Spider-Man und The Green Goblin hat begonnen ...

Sam Raimi stand bei der Verfilmung des populären Comic-Helden u.a. vor zwei Problemen: Die Aufbereitung von Comic-Figuren oder auch PC-Spiel-Figuren für einen Kinofilm hat zum einen ihre Tücken, wie man etwa an „Lara Croft” sehen konnte. Bleibt der Film zu stark der Vorlage verhaftet, wirkt er aufgesetzt und als misslungene filmische Kopie des PC- oder Comic-Originals. Das Genre Film scheitert am Genre Comic. Zweitens fragt sich, wie Phantasie(figuren) und Realität in Einklang gebracht werden können. Besteht eine zu starke Kluft, Distanz zwischen fiktiven Gestalten und Wirklichkeit, zerfällt die Darstellung, sie bricht in zwei unvermittelte Visualisierungen.

Raimi hat beide Probleme auf meinem Gefühl nach glänzende Weise gelöst. „Spider-Man” ist ein Drama, das in sich geschlossen ist. In beiden Figuren – Spider-Man wie Green Goblin – verbleibt eine enge, innere, wesentliche Verbindung zwischen Außergewöhnlichem und Normalem, eine Verbindung die nie abreißt, nie vollständig gebrochen erscheint. Im Gegenteil: Bei Peter Parker wie Norman Osborn verbleibt trotz Verdopplung in zwei Personen ihre charakterliche Einheit, bei Osborn als fast (aber eben nur fast) schizoid, bei Parker als heimliches, geheim gehaltenes, zurückgehaltenes Begehren, als Konzentrat von Wünschen, vor allem nach der Vereinigung mit Mary Jane und nach körperlicher Stärke in Konkurrenz zu seinen männlichen Mitschülern.

Die charakterliche Zeichnung beider Figuren ist nicht plakativ, gleicht nicht monolithischer Gleichförmigkeit, weil sie in ihrer subjektiven Problematik, inneren Zerrissenheit und Unvollkommenheit glaubwürdig erscheinen – und eben dadurch eindeutig und identifizierbar. Peter kann sich nicht von Anfang an wie eine Spinne bewegen; er muss üben, bevor er seine neuen Fähigkeiten sinnvoll einsetzen kann. Osborn zerbricht bei dem Versuch seine Firma und sich – nach seinen Maßstäben und Gefühlregungen – als Geschäftsmann und Mensch zu retten. Sein Handeln – verstärkt durch die chemische Substanz –, ist denn auch konsequent: Rache und Mord entsprechen der Logik seines Innersten. Die positiven Seiten seines Wesens wollen sich gegen die Gewissenlosigkeit wehren – vergeblich.

Osborn ist genauso wenig das absolut Böse wie Parker das nur Gute. Nein, so wie Osborn scheitert, weil er sich dem Konzept von Mord und Rache nicht erwehren kann und letztlich dann auch nicht mehr will, scheitert Peter als Peter, nicht als Spider-Man, an seinen eigenen Bedürfnissen. Er handelt als Spider-Man gegen das Verbrechen, gegen das Böse, gegen The Green Goblin, aber immer wenn er handelt, beschwört er neues Unglück herauf, ohne das zu wollen.

Spider-Man ist eine zutiefst tragische Gestalt (fast ein moderner Hamlet), die sich in der Konsequenz gegen die Befriedigung der eigenen Wünsche, vor allem nach der sexuellen und emotionalen Vereinigung mit Mary Jane, entscheidet. Diese Entscheidung ist eine gegen die konkrete Liebe und für die Sicherung der Umstände, unter denen Liebe überhaupt nur möglich erscheint, einer Aufgabe, der Peter als Spider-Man sich verschrieben hat.

In dieser inneren Brüchigkeit manifestiert sich die ganze Tragik eines Helden, der durch seine Heldentaten der Erhaltung einer Welt der Menschlichkeit dienen will und sich dabei – als Peter, als Mensch mit Leib und Seele – selbst verliert. Durch diese Art der Inszenierung gewinnt der Film zugleich etwas Tragisches, was über die Figuren hinausgeht und sich letztlich sogar, wenn auch nicht bösartig oder vollkommen negativ stilisiert, gegen sie kritisch richtet. Ganz am Schluss hängt Peter auf einem Wolkenkratzer an der Fahnenstange: einsam, sich bewusst, dass er als Spider-Man immer in Entscheidungsnöte geraten wird. „Great power means great responsibility.” Nur für Sekunden ist die amerikanische Flagge zu sehen, aber eben nicht in einem pathetisch-patriotischen, falschen Sinn. Kann einzelnen Personen oder Gruppen die Aufgabe zufallen, die Bedingungen für die Möglichkeit eines Lebens in Liebe und Menschlichkeit zu sichern („Allgemeinwohl”), damit alle anderen dies für sich persönlich verwirklichen können? Eine äußerst deutliche Fragestellung mit ebenso deutlich kritischer Tendenz.

Durch die Feinzeichnung der beiden Figuren, die durch das Spiel von Tobey Maguire und Willem Dafoe überzeugend realisiert wurde, verliert sich der Film nicht in einem Auseinanderklaffen von Fiktion und Realität. Zudem setzt Raimi auf Bilder, die die Vitalität, die Vielfältigkeit, das Rumoren, das Chaos von New York, genauer: Manhattan, in grandioser Art und Weise mit den beiden fliegenden Figuren vereinigt. Wenn Spider-Man sich um St. Patricks Cathedral spinnt, dann sieht das eben nicht so aus, als ob King Kong sich am Empire State Buildung zu schaffen macht. Es ist im Gegenteil: vorstellbar.

Manhattan, das Herz von New York? Und was ist mit Queens? Dort leben Peters Onkel und Tante. Der Bezug zu ihnen und ihren Lebensumständen ist eben auch der Bezug zur Einheit der Stadt und damit des Lebens. Peter vergisst das die ganze Zeit über nicht. Der Held hat hier seine äußerst positiven Seiten, wenn er auf der Einheitlichkeit und Zusammengehörigkeit des Lebens insistiert.

Raimi hat es glücklicherweise vermieden, zu stark auf digitale und andere Spezialeffekte sowie übertriebene Action zu setzen. Manchem mag dies zu wenig sein. Doch dieser sparsame und meinem Gefühl nach effektive Einsatz ist Teil einer gelungenen Mischung aus diesen Effekten, Dialogen und der weitgehend intensiven charakterlichen Feinzeichnung der Figuren. Ich kann mich der daher der verschiedentlich geäußerten Kritik nicht anschließen, wie sie etwa Robert Ebert in der Chicago Sunday Times Anfang Mai geäußert hat: „Spider-Man as he leaps across the rooftops is landing to lightly, rebounding too much like a bouncing ball. He looks like a video game figure, not like a person having an amazing experience.” Gerade diese Szenen, wenn Spider-Man sich durch die Lüfte mit Hilfe seiner Spinnenfäden schwingt, halte ich mit für die stärksten Szenen, weil sich in ihnen die Widersprüchlichkeit der Person Peters widerspiegelt. Er kann sich nur insoweit „perfekt” wie eine Spinne bewegen, wie dies einem Menschen mit einigen außergewöhnlichen Fähigkeiten eben möglich ist. Als Spider-Man ist Peter keine Spinne, sondern bewegt sich als Mensch so gut, wie sich ein Mensch eben als Spinne bewegen kann (oder wie man sich das eben vorstellt). Die „Un-Perfektion” dieser Szenen korrespondiert mit der Widersprüchlichkeit der Figur.

Die Brüchigkeit sowohl Peters als Peter als auch Peters als Spider-Man kommt gerade dann plastisch zum Ausdruck, wenn er sich etwa über die Fifth Avenue von Haus zu Haus angelt. Technische Mängel, die sich hier und da in den Spezialeffekten zeigen, waren mir ehrlich gesagt nicht so wichtig. Denn dieser Film lebt von der Intelligenz des Drehbuchs, der Feinzeichnung der Charaktere und vor allem einem ausgezeichneten Tobey Maguire.

Tobey Maguire spielt einen liebevollen, stillen, traurigen Looser, dem man anmerkt, dass er halb zum Verlierer gemacht wurde, halb sich selbst in diese Position gebracht hat. Doch dieser Verlierer ist keine Negativgestalt, eben nicht nur Looser. Er kann kämpfen, nur anders als seine Mitschüler. Maguire ist geradezu der liebevolle und liebende Peter, der als Spider-Mann immer wieder in schwierige Entscheidungssituationen gerät, in denen er seinem Herzen und seinem Verstand folgt – und wiederum scheitert – fast schon ein Sisyphos . Dieses Scheitern selbst aber, das Maguire durch Mimik und Gestik wundervoll zum Ausdruck bringen kann, ist ebensowenig ausschließlich negativ besetzt. Es ist das Scheitern, das dem Leben inhärent ist wie der Erfolg, zugespitzt in Extremsituationen.

Willem Dafoe kann als „grüner Kobold” in einer beinahe schizoiden Situation eines Mannes überzeugen, der immer deutlicher in den Strudel seiner eigenen seelischen Abgründe stürzt.

Kirsten Dunst spielt ihre Rolle zwischen High-School-Girl und verzweifelter, (vor allem von Männern) enttäuschter Frau warmherzig und hautnah. Die Szene, in der sie Spider-Man küsst, während der mit dem Kopf nach unten an einem seiner Spinnenfäden hängt, ist verblüffend schön.

„Spider-Man” – das war für mich der einzige Wermutstropfen – endet mit einem Schuss zu viel Rührseligkeit und Herz & Schmerz. Doch darüber kann man fast hinwegsehen. Denn nicht zuletzt mit der Komik, die besonders in der ersten Stunde gut untergebracht ist, und dem mehr oder weniger deutlichen satirischen Unterton nicht allein in bezug auf die Vorlage, sondern auch auf den eigenen Film gelingt Raimi ein unterhaltsamer, intelligenter und zudem im Hinblick auf die Politik und Gesellschaft (im eigenen Lande) durchaus auch kritischer Blick über die Comic-Vorlage hinaus.


 

Armee der Finsternis-Filmplakat
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