Stirb an einem anderen Tag
(Die Another Day)
USA 2002, 134 Minuten
Regie: Lee Tamahori

Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade
Musik: David Arnold
Director of Photography: David Tattersall
Montage: Christian A. Wagner, Andrew MacRitchie
Produktionsdesign: Peter Lamont

Darsteller: Pierce Brosnan (James Bond), Halle Berry (Jinx), Toby Stephens (Gustav Graves), Rosamund Pike (Miranda Frost), Rick Yune (Zao), John Cleese (Q), Judi Dench (M), Michael Madsen (Damian Falco), Will Yun Lee (Colonel Moon), Samantha Bond (Miss Moneypenny), Colin Salmon (Charles Robinson), Lawrence Makoare (Mr. Kil), Emilio Echevarria (Raul), Anna Edwards (Scorpion Girl), Ken Tsang (General Moon), Ho Yi (Hotelmanager)

Live and never die ...

... könnte das Motto des „Genres“ James Bond sein. James Bond stirbt an einem anderen Tag, in einer fernen, unbestimmten Zukunft. Auch nach „Die Another Day“ wird es einen weiteren Bond geben, zumal Pierce Brosnan angekündigt hat, Bond bleiben zu wollen. Lee Tamahoris Film zeichnet sich – im wesentlichen und sicher mit Abstrichen – durch das aus, was die besten Bonds der Anfangszeit ebenso auszeichnete. Nie legten die Drehbuchautoren und Regisseure sehr viel wert auf die Priorität der Geschichte und der Charaktere. Ob „Dr. No“, „Goldfinger“ oder „Live and Let Die“: im Vordergrund standen explosive Situationen, Verfolgungsjagden, je nach Hauptdarsteller unterschiedlich ein cooler und smarter Bond, und last but not least ein oder zwei Bösewichte, die die Grenze zur psychopathischen Natur längst überschritten hatten. Auch Lee Tamahori („Im Netz der Spinne“) lässt die alte, viele Bond-Filme zugrunde liegende Symbolik des Kalten Krieges (wohlgemerkt: nicht den Kalten Krieg und die Systemkonkurrenz selbst) noch einmal aufleben, so blass, wie es die Realität eben noch hergibt. Ein in Hardliner und Softliner gespaltenes Nordkorea und ein Kuba, das fast wie das Vor-Castro-Kuba gefilmt ist und der Rum-Werbung entnommen sein könnte, liefern die Initialzündung für eine letztlich äußerst dünne Handlung. Aber was macht das schon?

Bond (Pierce Brosnan) und zwei weitere Agenten landen auf Surfbrettern in Nordkorea. Bond schaltet einen Kurier aus und gibt sich beim Militär als der Geschäftspartner aus, den sie erwarten. Doch der britische Top-Agent ist verraten worden und landet nach einer exzellent gefilmten Verfolgungsjagd per Hovercraft in den Folterkellern der Nordkoreaner. General Moon (Ken Tsang), einer der auf politischen Ausgleich bedachten Führer Nordkoreas, muss den Tod seines Sohnes Colonel Moon (Will Yun Lee) beklagen, den Bond offenbar in die ewigen Jagdgründe verfrachtet hat. Dafür muss 007 in den nächsten 14 Monaten das Martyrium der Folter mit Skorpionen, Eiswasser, Schlägen und anderem mehr ertragen.

Als er überraschenderweise eines Tages – Brosnan mit zerzausten langen Haaren und Vollbart – gegen den Nordkoreaner Zao (Rick Yune) ausgetauscht wird, lässt ihn M (Judy Dench) wissen, dass man auf seine Dienste künftig verzichten muss. Man könne nicht sicher sein, ob er etwas verraten habe. Bond wäre nicht Bond, wenn er das auf sich sitzen ließe, und so flüchtet er aus der britischen Gefangenschaft in ein Hotel in Hongkong, um dort in Kooperation mit dem chinesischen Geheimdienst in Gestalt eines Hotelmanagers (Ho Yi) die Suche nach Zao aufzunehmen, der zu den gefährlichsten Agenten der Nordkoreaner zählt. Die Spur führt nach Kuba in eine Klinik, in der durch DNA-Übertragung das Äußere von Menschen völlig verändert wird. Aber nicht nur Bond, auch die NSA-Agentin Jinx (Halle Berry) scheint sich für Klinik, Zao und einiges mehr zu interessieren. Die Spur führt beide zu Diamantenbesitzer Graves (Toby Stephens), der von seinem Eispalast in Island aus mit Hilfe eines Superlasers, der wie eine zweite Sonne in der Umlaufbahn der Erde platziert wurde, seine Weltherrschafts- und sonstigen Träume verwirklichen ...

„Die Another Day“ ist so gesehen fast weniger ein neuer Bond als eine Art Hommage an die längste Film-Reihe der Filmgeschichte. Wenn Halle Berry am kubanischen Strand aus dem Wasser springt, dann ist die Assoziation zu Ursula Andress deutlich gewollt. Wenn der schlagfertige und nörgelnde John Cleese als Q Bond seine neuesten Entwicklungen, vor allem ein unsichtbares Auto, vorführt, erinnert man sich unwillkürlich an seinen Vorgänger Desmond Llewelyn, auch wenn beide Schauspieler ganz unterschiedliche Charaktere spielen. Toby Stephens Verkörperung des Bösewichts mit Destruktionstrieb sondergleichen knüpft fast nahtlos an seine Gesinnungsgenossen an. Die Actionszenen lassen nichts zu wünschen übrig. Und auch die anfängliche Credit-Sequenz, die geschickt per Einzelbildern, Überblendungen u.a. mit dem Martyrium Bonds im Gefängnis gemixt wird, ist fast klassisch-Bond inszeniert.

Zu den Höhepunkten des Films zählt sicherlich das erste Zusammentreffen Bonds mit Graves, vor allem der Fecht- und Säbelkampf, bei dem Madonna einen kurzen Auftritt absolvieren darf, die im übrigen den Dancefloor-Titelsong singt. John Cleese Auftritt ist leider etwas kurz geraten, man hätte sich mehr gewünscht von den süffigen Dialogen der zwei so unterschiedlichen Männer Bond und Q. Dame Judi Dench ist eine etwas ungewohnte weibliche Nachfolge von Bernard Lee, spielt (in ihrem dritten Bond-Film) eher zurückhaltend und doch unbritisch, aber souverän und routiniert, wie es kaum anders zu erwarten war. Weitere Höhepunkte sind der virtuelle Angriff auf den MI 6 sowie die Geschehnisse im Eispalast des Bösewichts auf Island. Der Showdown mit Brosnan, Berry und Stephens ist spannend inszeniert.

Trotz aller Hommage-Qualitäten und Anleihen aus „Dr. No“ oder „Goldfinger“ ist der neue Bond aber auch ein neuer Bond. Halle Berry begrenzt sich nicht auf Schönheit. Sie spielt eine überaus intelligente und Bond in jeder Hinsicht ebenbürtige Partnerin, die männlichen Schutz in keiner Weise nötig hat. Jinx und Bond bilden ein Team. Pierce Brosnan hat mich ehrlich gesagt überrascht. Seine Rolle als Frauenheld ist im Vergleich zu anderen Bond-Filmen eher zurückhaltend, begrenzt sich auf Halle Berry und kurzzeitig auf seine MI 6-Kollegin Miranda Frost (Rosamund Pike). Gegenüber beiden Frauenfiguren kann er nicht einfach zugreifen, sondern benötigt Erlaubnis: Ein Zugeständnis des Drehbuchs an veränderte Zeiten. Brosnan kann zudem besonders im ersten Teil des Films der Bond-Figur etwas mehr an Charakter geben und erinnert an die besten Zeiten von Sean Connery, zum Teil auch Roger Moore.

Sicher, „Die Another Day“ hat seine logischen Mängel. (Warum zum Beispiel taut das Wasser in einem Raum des Eispalastes, die Wände bleiben aber stehen und schmelzen nicht?) Gegen Ende spielt die Geschichte, die eh nicht besonders intelligent ist, kaum noch eine Rolle und Pyrotechnik und Action gewinnen eindeutig die Oberhand. Andererseits wen stört das? „Die Another Day“ ist zum größten Teil spannend inszeniert. David Tattersall hat die Geschichte abwechslungsreich fotografiert. Und schließlich handelte es sich bei keinem 007-Abenteuer um ein realistisches Drama, um eine ernsthafte Angelegenheit. Etwas anderes hat mir bei „Die Another Day“ allerdings gefehlt: Der Hang zur Selbstironie. Das, wenn auch leichte, satirische Element vieler Bond-Filme ist dem Streifen kaum noch anzumerken. Besonders deutlich wird dies bei den Bösewichtern Zao und Graves, die „nur noch“ Psychopathen sind. Da wünscht man sich einen Gert Fröbe, eine Lotte Lenya oder einen Donald Pleasence zurück.

Und aus Nostalgie hier noch die Bond-Film-Liste:

1.James Bond jagt Dr. No („Dr. No“, 1962, R:William H. Brown)
D: Sean Connery, Joseph Wisemann, Ursula Andress)
2. Liebesgrüße aus Moskau („From Russia with Love“, 1963, R: Terence Young)
D: Sean Connery, Lotte Lenya, Robert Shaw)
3. Goldfinger (1964, R: Guy Hamilton)
D: Sean Connery, Gert Fröbe, Honor Blackman
4. Feuerball („Thunderball“, 1965, R: Terence Young)
D: Sean Connery, Adolfo Celi, Claudine Auger
5. Man lebt nur zweimal („You only live twice“, 1966, R: Terence Young)
D: Sean Connery, Akiko Wakabayashi, Donald Pleasence, Karin Dor
6. Im Geheimdienst ihrer Majestät („On her Majesty’s Secret Service“, 1969, R: Peter Hunt)
D: George Lazenby, Diana Rigg, Ilse Steppat, Telly Savalas
7. Diamantenfieber („Diamonds for ever“, 1971, R: Guy Hamilton)
D: Sean Connery, Jill St. John, Norman Burton
8. Leben und sterben lassen („Live and let Die“, 1973, R: Guy Hamilton)
D: Roger Moore, Yaphett Kotto, David Hadison, Jane Seymor
9. Der Mann mit dem goldenden Colt („The Man with the Golden Gun“, 1974, R: Guy Hamilton)
D: Roger Moore, Christopher Lee, Britt Eklund)
10. Der Spion, der mich liebte („The Spy wo Loved Me“, 1976/77, R: Lewis Gilbert)
D: Roger Moore, Curt Jürgens, Barbara Bach
11. Moonraker (1978/79, R: Louis Gilbert)
D: Roger Moore, Lois Chiles, Michael Lonsdale, Richard Kiel
12. In tödlicher Mission („For Your Eyes Only“, 1980/81, R: John Glen)
D: Roger Moore, Carole Boupuet, Julian Glover
13. Octopussy (1982/83, R: John Glen)
D. Roger Moore, Maud Adams, Louis Jordan
14. Im Angesicht des Todes („A View to Kill“, 1985, R: John Glen)
D: Roger Moore, Christopher Walken, Grace Jones)
15. Der Hauch des Todes („The Living Daylights“, 1987, R: John Glen)
D: Timothy Dalton, Maryam D’Abo, Joe Don Baker
16. Lizenz zum Töten („Licence to Kill“, 1988/89, R: John Glen)
D: Timothy Dalton, Carey Lowell, Robert Davi
17. Golden Eye (1995, R: Martin Campbell)
D: Pierce Brosnan, Izabella Scorupko. Joe Don Baker, Gottfried John)
18. Der Morgen stirbt nie („Tomorrow Never Dies“, 1997, R: Roger Spottiswoode)
D: Pierce Brosnan, Jonathan Pryce, Joe Don Baker Judi Dench
19. Die Welt ist nicht genug („The World is not Enough“, R: Michael Apted)
D: Pierce Brosnan, Sophie Marceau, Denise Richards, Robert Carlyle, Judi Dench)
Sag niemals nie („Never say never again“, 1982/83, R: Irvin Kershner)
D: Sean Connery, Klaus-Maria Brandauer, Barbara Carrera, Kim Basinger, Max von Sydow (gehört nicht in die „offizielle“ Liste der Bond-Filme, ebenso wie „Casino Royale“, 1966, von John Huston und Ken Hughes mit David Niven, Woody Allen, Ursula Andress, Orson Welles und Peter Sellers)

© Bilder: 20th Century Fox