The Royal Tenenbaums
(The Royal Tenenbaums)
USA 2001, 109 Minuten
Regie: Wes Anderson

Drehbuch: Wes Anderson, Owen Williams
Musik: Van Morrison, Mark Mothersbaugh, Lou Reed
Director of Photography: Robert D. Yeoman
Montage: Daniel R. Padgett, Dylan Tichenor
Produktionsdesign: David Wasco

Darsteller: Gene Hackman (Royal O’Reilly Tenenbaum), Anjelica Huston (Etheline Tenenbaum), Ben Stiller (Chas Tenenbaum), Gwyneth Paltrow (Margot Helen Tenenbaum), Luke Wilson (Richie „Baumer“ Tenenbaum), Owen Wilson (Elihaj Cash), Danny Glover (Henry Sherman), Bill Murray (Raleigh St. Clair), Seymour Cassel (Dusty), Kumar Pallana (Pagoda), Grant Rosenmeyer (Ari Tenenbaum), Jonah Meyerson (Uzi Tenenbaum)

Hoppla, jetzt kommt nichts!

Nach etlichen Kritiken, die nicht sehr positiv ausfielen, wollte ich mir diesen Streifen eigentlich sparen. Doch überschlugen sich u.a. „Blickpunkt: Film“, „Schnitt“, „Süddeutsche Zeitung“ und „Spiegel“ in positiven Bewertungen. Und ich Dummkopf und unverbesserlicher Optimist fiel auf letztere rein! Das, wofür Wes Anderson („Rushmore“, 1998) und Owen Wilson (zuletzt zu sehen in dem patriotischen Schmachtfetzen „Im Fadenkreuz – Allein gegen alle“, ebenfalls mit Gene Hackman) hier als Drehbuchautoren die Verantwortung übernehmen müssen, schlägt dem berühmten Fass den Boden aus.

Royal Tenenbaum (Gene Hackman) hat seine Familie vor Jahren verlassen. Seine Frau Etheline (Anjelica Huston), mit der er drei Kinder hat, lebt allein, heimlich geliebt von ihrem Finanzberater Henry Sherman (Danny Glover). Tochter Margot (Gwyneth Paltrow) und die Söhne Chas (Ben Stiller) und Richie (Luke Wilson) waren schon als Kinder Intelligenzbolzen: Margot als gefeierte Autorin, Chas als Finanzgenie und Richie als Tennisprofi. Adoptivtochter Margot, die seit 20 Jahren heimlich raucht, ist mit einem Analytiker (Bill Murray) verheiratet, den sie nicht liebt, schläft mit dem Jugendfreund Elihaj (Owen Wilson), den sie als ihren gescheiterten Ehemann betrachtet, und liebt ihren Bruder Richie, den sie als Liebhaber möchte.

Richie liebt Margot und erleidet einen Nervenzusammenbruch während eines Tennisspiels und gibt den Sport auf. Chas hat seine Frau bei einem Flugzeugunglück verloren. Seine beiden Söhne überlebten den Absturz und sehen sich einem völlig überbesorgten Vater ausgesetzt, der sie andererseits 16mal in der Woche Sport treiben lässt und in seine Spekulationsgeschäfte voll einbezieht.

Da taucht Royal Tennenbaum aus der Versenkung auf, behauptet, er habe nur noch sechs Wochen zu leben und schleicht sich in das Haus der Rest-Tenenbaums ein, in dem sich inzwischen auch alle Kinder und die Enkel befinden. Angeblich will er seine Fehler und sein Versagen an der Familie wiedergutmachen. Richie hält mehr oder weniger zu ihm, Chas und Margot lehnen ihn rundweg ab und Etheline lässt Royal mehr oder weniger gewähren. Der bemüht sich, Kontakt zu seinen Enkeln herzustellen, treibt allerlei Unsinn mit ihnen und versucht zu verhindern, dass Henry seine Frau, die sich erst noch scheiden lassen müsste, irgendwann heiratet ...

Na gut, oder: soweit so gut. Diese Geschichte wird erzählt, in Form von fünf Kapiteln, mit einem Erzähler. Doch was passiert in dieser Geschichte? Ehrlich gesagt: Nichts. Einfach: nichts. Es wird im wahrsten Sinn des Wortes nichts erzählt. Die Form für eine Erzählung ist gewahrt: Kapitel wie in einem Buch, das auch ständig eingeblendet wird, ein Mensch, der aus dem Off redet, Zelluloid, auf dem sich Personen bewegen, Sätze, die gesprochen werden, Gesichter, die sich verändern. Macht das heutzutage einen Film aus?

Anderson und Owen Wilson reihen einen nichtssagenden Dialog – wenn man das überhaupt so bezeichnen kann – an den anderen; sie wollen unbedingt etwas ins Bild setzen, aber letztlich setzen sie nichts anderes ins Bild als: nichts. Die Dialoge erschöpfen sich kaum erträglich in der Aneinanderreihung von – offenbar witzig gemeinten – Wortfetzen, so als ob da jemand ein Drehbuch mit dem Zufallsgenerator erzeugt hätte. Diese Worthülsen und Satzfetzen werden fein säuberlich arrangiert, und nochmals arrangiert, geschüttelt, wieder zusammengeschustert und heraus kommt dabei: nichts. Ich habe selten, eigentlich noch nie so viel Nichts in einem Film gesehen!

Der Film erhält keine Erzählung, keine Psychologie, keine Spannung, sondern nur eine Ahnung davon, dass es Filme gibt, die erzählen, psychologisieren und spannend sind. Ich will ja nicht böse sein, bin es aber trotzdem: „Viele Elemente in meinen Filmen sind Fundstücke, die in einer bestimmten Weise zusammengesetzt werden. Andere habe ich nur im Kopf, die müssen dann hergestellt werden. Eine nebensächliche Requisite, die nur für mich gebaut wird – das kann mir gute Laune machen.“ Oder: „Nehmen Sie die Sequenz, in der Eli Cash, der postmoderne Westernschriftsteller, vollgedröhnt mit Meskalin auf einer Couch hängt. Diese Szene hatte ich schon sehr früh. Dann kam in meinem Kopf die Musik dazu, Eric Satie, sehr getragen. Und dann entdeckte ich ein wahnsinniges Bild in einer Galerie [...], fünf halbnackte Männer auf Motorrädern. [...] Das habe ich gekauft, das musste bei Eli Cash an der Wand hängen. Warum? Nun ja, es funktioniert beinah wie einer dieser Comic-Gedankenblasen, man kann in seinen Kopf hineinschauen. Im Kino ein Moment von wenigen Sekunden – aber nur so funktioniert es“ (Originalton Wes Anderson) (1). So werden heute also Filme gemacht. Sind wir eigentlich im Kindergarten? Nein, denn Kindergartenkinder haben Phantasie und können ihre Intelligenz schon sehr gut einsetzen.

Flickschusterei. Ein paar aufgeschnappte Utensilien aller Art, ein paar winzige Beobachtungen bei Bekannten oder Freunden, ein aufgelesener Artikel in irgendeiner Zeitung, ein bisschen Alltagsweisheit, ein paar Vorurteile, ein Schuss seicht-moderner und niemanden schmerzender Kritik (also keiner Kritik), alles farbig zusammen gemixt, aneinander gereiht, zusammengeklebt – genau das ist „The Royal Tenenbaums“. Es ist schon frappierend und erschreckend, dass ausgerechnet der „Spiegel“ in einem Interview mit Anderson schreibt, „der heilige amerikanische Familienmythos“ bekäme in diesem Streifen „ganz schön sein Fett weg“ (2). Wo? Frühreife Kinder, die wegen ihrer frühen Reife und dem versagenden Vater später Depressionen bekommen? Auch wieder lauter Flicken, zusammen gebastelt aus ein bisschen Küchenpsychologie à la „Fragen Sie Frau Sommer“.

Ich weigere mich, zu den schauspielerischen Leistungen der Stars, die in diesem Film zu sehen sind, irgend etwas zu schreiben. Das Urteil über sie ergibt sich aus dem bisher gesagten. Was an diesem Film Kritik am Familienmythos sein soll, verstehe ich absolut nicht. Aber vielleicht bin ich es, der zu dumm, zu alt, zu phantasielos, zu oberflächlich ist, um das zu kapieren. Etliche Mit-Kinogänger kicherten jedenfalls fast die gesamten 109 Minuten und wussten offensichtlich über die tiefere Bedeutung des Gezeigten Bescheid.

(1) Süddeutsche Zeitung, 13.3.2002.
(2) Spiegel-Online, leider offenbar nicht mehr verfügbar