About Schmidt
(About Schmidt)
USA 2002, 125 Minuten
Regie: Alexander Payne

Drehbuch: Alexander Payne, Jim Taylor, nach dem Roman von Louis Begley
Musik: Rolfe Kent
Director of Photography: James Glennon
Montage: Kevin Tent
Produktionsdesign: Jane Ann Stewart

Darsteller: Jack Nicholson (Warren Schmidt), Hope Davis (Jeannie Schmidt), Dermot Mulroney (Randall Hertzel), Kathy Bates (Roberta Hertzel), Len Cariou (Ray Nichols), Howard Hesseman (Larry Hertzel), June Squibb (Helen Schmidt), Harry Groener (John), Connie Ray (Vicki Rusk), Mark Venhuizen (Duncan Hertzel), Phil Reeves (Minister in Denver), Matt Winston (Gary Nordin)

Bedeutungslosigkeit als Lebensinhalt

Alexander Paynes Film heißt nicht umsonst „Über Schmidt“ und nicht „Schmidt“. Warum? „About Schmidt“ ist der (gelungene) Versuch einer Annäherung an ein soziales Milieu, nicht nur, aber vor allem an eine Person aus diesem Milieu: an Warren Schmidt. Jack Nicholson spielt diesen Warren Schmidt, und er spielt ihn – in einer ungewöhnlichen Rolle für Nicholson selbst –, als wenn er nie etwas anderes gespielt hätte, als wenn er Warren Schmidt wäre – kaum wiederzuerkennen. Warren ist 66 Jahre alt, 42 Jahre verheiratet und wird in den Ruhestand versetzt. Macht das einen Unterschied zu seinem bisherigen Leben? Ja und nein.

Warrens Leben war auch bisher im Ruhestand, und trotzdem ändert sich einiges nach der Abschiedsfeier seiner Kolleginnen und Kollegen aus dem Versicherungskonzern, in dem Schmidt ein – wie man so schön sagt – „hohes Tier“ war. Sein Kollege und Freund Ray (Len Cariou) scheint doch Recht zu haben, als er in einer Dankesrede darauf hinweist, dass es nicht die Pension oder die soziale Sicherung seien, die die Bedeutung im Leben eines Menschen ausmachen, sondern die Arbeit für eine Firma wie die Woodman Versicherungsgesellschaft. Punktum. Mehr abwesend und gelangweilt nimmt Warren die Lobeshymnen entgegen, und verschwindet an der Bar des Hotels, um seine Frustration in Alkohol zu ertränken. Warren weiß genau, was er von solchen Reden und vor allem denen seines agilen, jungen Nachfolgers bei Woodman zu halten hat: nichts.

In seinem Eigenheim lebt Schmidt seit Jahrzehnten mit seiner Frau Helen (June Squibb), die ihm verbietet, im Stehen zu pinkeln, und ihn ermahnt, sich nicht herumzutreiben. Helen ist es auch, die auf den Kauf eines monströsen Wohnmobils gedrängt hat. Helen hat genaue Vorstellungen über den Ruhestand: Mit dem Wohnmobil reisen. Ein Frühstück im neu erworbenen Zweitheim soll Warren auf Touren bringen. Doch der fragt sich jede Nacht im Bett, wer das eigentlich ist, diese alte Frau, die da neben ihm liegt.

Und dann ist Helen plötzlich tot. Gerade noch hat Warren einen Brief zur Post gebracht, an Ndugu, einen kleinen Jungen irgendwo in Tansania, den er monatlich mit einem Scheck über 22 Dollar unterstützt. Warren wird Pate von Ndugu und schreibt ihm Briefe, Briefe über sich selbst, ohne darüber nachzudenken, ob Ndugu davon überhaupt etwas versteht. Als er von der Post zurückkehrt, liegt Helen tot in der Wohnung, den Staubsauger neben sich, der noch läuft. Beerdigung. Die Tochter Jeannie (Hope Davis) kommt mit ihrem Freund Randall (Dermot Mulroney), einem Wasserbettverkäufer mit Fu-Manchu-Bart, Glatze und einem Rest von langen Haaren, ein Schwiegersohn in spe, den Warren auf den Tod nicht ausstehen kann. Ray ist entsetzt, alle anderen sind entsetzt über den Tod Helens, die ja so gut war, so herzlich. Eben wie alle einmal waren, wenn sie gestorben sind.

Warren ist allein. Und er wird nicht fertig mit seinem Alltag, Helen kocht nicht mehr, räumt nicht mehr auf, putzt nicht mehr. Das Haus wird zur Müllkippe. Als Warren dann auch noch Liebesbriefe Rays an Helen entdeckt, die beide vor 25 Jahren ein Verhältnis miteinander hatten, gerät er außer sich, fängt Ray ab, lässt seine Wut an ihm aus – und steigt in sein Wohnmobil, um – bevor er zur Hochzeit seiner Tochter fährt – einige Stationen seines früheren Lebens aufzusuchen. Dann kommt er an, bei Jeannie, versucht sie davon zu überzeugen, dass es ein Fehler sei, diesen Randall zu heiraten, den er für ein Kamel hält. Aber Jeannie reagiert nur erbost über die Versuche ihres Vaters, der sich auch bisher für ihr Leben nicht sonderlich interessiert hat.

Randalls Familie ist für Warren ein Graus. Roberta (Kathy Bates), Randalls Mutter, die zu ihm nackt in den kleinen Swimmingpool steigt und ganz offensichtlich Sex mit ihm will, ihn dadurch vertreibt, Duncan (Mark Venhuizen), Randalls Vater, getrennt von Roberta lebend, der viel redet und wenig sagt, und Randall selbst, der es seinem Vater mehr oder weniger gleich tut.

Hochzeit. Warren hält die Rede seines Lebens. Er lügt das Blaue vom Himmel herunter. Er belügt sich, seine Tochter, Randall, das Kamel, und alle anderen. Danach geht er auf die Toilette. Und erst ganz zum Schluss, als er wieder zu Hause ist, einen Brief liest, von einer Schwester, die sich um Ndugu kümmert, weit weg in Tansania, als er ein von Ndugu gemaltes Bild anschaut, auf dem ein Kind und ein Erwachsener zu sehen sind, Hand in Hand – da kommen Warren die Tränen.

Die Geschichte um diesen Warren Schmidt hätte auch anders ausgehen können – nämlich mit einem Ende, das sich vom Anfang nicht einen Millimeter, eine Qualität, einen Funken, einen Deut unterscheidet. Warren hatte im Fernsehen die Werbung einer Hilfsorganisation gesehen, die um Spenden für Kinder in Afrika bat, Patenschaften. Er entschloss sich, eine monatliche Überweisung in Auftrag zu geben. Warum? Warrens Entschluss, dies zu tun, war mehr eine unbewusste, spontane Tat als eine Überzeugungshandlung. Am Schluss des Films erweist sie sich als der kleine, feine und doch so enorme Unterschied, der seinem Leben möglicherweise noch eine Wendung geben wird.

Payne versucht sich einem Milieu anzunähern, nicht einem sozialen Milieu im Sinne einer klar umrissenen ökonomisch und kulturell definierten Struktur, eher einem Milieu in Form einer Lebens-Weise – relativ, wenn auch nicht völlig unabhängig von Einkommen und sozialer Herkunft. Nicholsons Schmidt steht im Zentrum dieses Milieus, aber nicht einzig und allein auf weiter Flur. Es ist ein durch Verhaltens-, Kommunikationsstrukturen und Lebensart relativ deutlich umrissenes Milieu, in dem – wie Schmidt selbst erkennt – Bedeutungslosigkeit, Hilflosigkeit, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit zu zentralen Momenten des Alltags geworden sind – nicht als singuläre Momente einzelner Situationen, sondern als Strukturmerkmale. Der Begriff „kleinbürgerlich“ würde dieses Milieu nur unzureichend umschreiben. Warum kennt Warren seine Frau nicht, die da neben ihm im Bett liegt? Weil er sie nie gekannt hat und auch wirklich nie kennen lernen wollte, weil er nie auf die Idee gekommen ist, sie kennen zu lernen. Warren wie die Menschen in seiner Umgebung bewegen sich durchs Leben wie fleisch- und seelenlose Gespenster, die sich letztlich nichts zu sagen haben, die dieses Leben nur führen können, indem sie die Lüge zum Inhalt dessen machen, was sie über andere sagen. Das, was Schmidt wirklich denkt, behält er für sich. Aber selbst das, was er anderen verschweigt, ist zu weiten Teilen dem Milieu der Bedeutungslosigkeit verhaftet, weil es nur in seinem Innern existiert. Schmidt lässt seinen Gefühlen nur sporadisch freien Lauf. Ausnahme nicht Regel.

Am Ende erkennt er, dass sein Freund Ray Unrecht hatte, als er auf der betrieblichen Abschiedsfeier von der Bedeutung der Aufopferung für die Firma gesprochen hatte.

Erst als es um seine Tochter geht, um ihre Heirat mit Randall, spürt Warren – zu spät –, dass Jeannie durch diese Ehe möglicherweise in dasselbe Fahrwasser des Lebens gerät wie er selbst. Warren schwebt durch ein Leben als trauriger, verzweifelter, ängstlicher Mensch. Als ihm dies eine Frau, die er auf einem Parkplatz für Wohnmobile kennen lernt, sagt, versucht er, ihr allzu nahe zu treten. Sie ist entsetzt, schmeißt ihn hinaus. Sie erkennt nicht, dass dies Warrens verquere Reaktion auf jemanden ist, der ihn „erkannt“ hat, was wiederum heißt, dass er jemandem für einen kurzen Moment etwas bedeutet. Dann wird er wieder zurückgeworfen in seine Welt. Warren befindet sich in einem permanenten Abwehrkampf gegen die Menschen und Objekte in seiner Umgebung.

Als er des nachts mit einem Wasserbett nicht zurecht kommt und einen steifen Hals bekommt, versorgt ihn Roberta mit heißer Brühe. Dabei erzählt sie ihm, dass Jeannie und Randall sicher ein glückliches Paar würden. Sie würden sich verstehen, und im Bett würde es bei beiden auch wunderbar klappen. Das würde sie immer wieder zusammenführen. Diese „Weisheiten“ löffelt Roberta in ihn hinein. Auf Warrens Gesicht macht sich Panik und Angst breit. Es sind die alten Lügen seines Lebens, die er eingetrichtert bekommt, die zudem Robertas Sehnsucht nach Sex mehr zum Ausdruck bringen als irgendwelche Wahrheiten über die Beziehung zwischen Jeannie und Randall. Der Egoismus dieser von Kathy Bates grandios gespielten Roberta macht andererseits deutlich, dass Warrens Egoismus mehr Selbstverteidigung als egozentrische Manie ist. Er will eigentlich (!) für andere da sein, er will eigentlich (!) anderen etwas bedeuten, aber er kann dies am Ende seines Lebens „nur“ gegenüber einem Menschen, den er nicht kennt, dem kleinen Ndugu irgendwo in Tansania.

„About Schmidt“ hat viele humorvolle Szenen. Aber der Film ist keine Komödie. Er zeigt die tragische Geschichte eines Mannes ohne Eigenschaften, ohne Positionierung, ohne Orientierung, wobei es Jack Nicholson – von dem man eine derartige Rolle nicht gewohnt ist – gelingt, diese Tragik nicht in strapaziöser Übertreibung aufgehen zu lassen. Der Humor nicht nur Nicholsons wirkt gerade in „About Schmidt“ als Korrektiv für die Tragik. Der Film lässt Dinge bewusst offen, etwa, ob die Beziehung zwischen Randall und Jeannie im gleichen Fahrwasser endet wie die Ehe ihres Vaters. Ein Film, von dessen Geschichte man lernen kann, ohne dass die Inszenierung lehrhaft wirken würde.


 

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