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Alles über Eva (All About Eve) USA 1950, 138 Minuten (DVD: 133 Minuten) Regie: Joseph L. Mankiewicz
Drehbuch: Joseph L. Mankiewicz, Mary Orr Musik: Alfred Newman, Franz Liszt Director of Photography: Milton R. Krasner Montage: Barbara McLean Produktionsdesign: George W. Davis, Lyle R. Wheeler, Thomas Little, Walter M. Scott
Darsteller: Bette Davis (Margo Channing), Anne Baxter (Eve Harrington), George Sanders (Addison de Witt), Celeste Holm (Karen Richards), Gary Merrill (Bill Sampson), Hugh Marlowe (Lloyd Richards), Gregory Ratoff (Max Fabian), Barbara Bates (Phoebe), Marilyn Monroe (Claudia Caswell), Thelma Ritter (Birdie Coonan)
Von Margo zu Eve bis Phoebe
„And she'll tease you She'll unease you All the better just to please you She's precocious And she knows just what it Takes to make a pro blush She got Greta Garbo Stand off sighs, she's got Bette Davis eyes.“ (Kim Carnes: Bette Davis Eyes)
Vorhang auf. Ein älterer Schauspieler hält eine Festrede. Ein Preis der Sarah Siddons Gesellschaft soll der Theaterschauspielerin Eve Harrington (Anne Baxter) verliehen werden. Schon in dieser ersten Szene des 1950 von Joseph Mankiewicz inszenierten Films wird die gespannte Atmosphäre spürbar, die sich hinter den Gesichtern der anwesenden Schauspieler, Regisseure, Drehbuchautoren usw. verbirgt. Die Gesichter demonstrieren den Widerspruch zwischen der öffentlich zur Schau gestellten Feierlichkeit und den Intrigen, Machtkämpfen und Feindseligkeiten, die zu dieser Situation geführt haben. Mankiewicz stellt uns in dieser ersten Sequenz des Films alle wesentlichen Beteiligten vor. Die Preisträgerin Eve, die etwa 40 Jahre alte Schauspielerin und langjährige Königin der New Yorker Theaterszene Margo Channing (Bette Davis), ihren Lebensgefährten, den Regisseur Bill Sampson (Gary Merrill), Margos beste Freundin Karen Richards (Celeste Holm), deren Ehemann, den Drehbuchautor Lloyd (Hugh Marlowe), den Theaterdirektor Max Fabian (Gregory Ratoff) und last but not least den Theaterkritiker Addison de Witt (George Sanders). Mankiewicz erzählt die Geschichte von Margo und Eve, erzählt mittels der Erinnerungen und Gedanken, die den Beteiligten während der Preisverleihung durch den Kopf gehen, wie es zu dieser doch scheinbar so feierlichen Situation gekommen ist.
Mit sechs Oscars sowie weiteren acht Nominierungen wurde der Film 1951 ausgezeichnet. Im selben Jahr erhielt Billy Wilders „Sunset Boulevard“, ein Film zum gleichen Thema, drei Oscars und acht Nominierungen. Beide Filme handeln von der Skrupellosigkeit des Theater- respektive Filmgeschäfts, von den Intrigen und der Unmenschlichkeit hinter den Kulissen.
Margo Channing ist der Star an den New Yorker Bühnen, ein bisschen glamourös, ein bisschen arrogant, ein bisschen herzlich, ein bisschen egoistisch – und talentiert. Und so spielt Bette Davis diese Rolle auch: in der ihr eigenen, leicht zynischen, oft komischen und eben auch und vor allem tragischen Art. Die Aktrice, damals 42 Jahre alt, also in einem Alter, in dem für viele Schauspielerinnen jugendhafte Rollen nicht mehr oder bald nicht mehr zu spielen waren, war selbst in der Situation einer Frau, die zunehmend um Rollen kämpfen musste, auch wenn es für sie vielleicht leichter war als für andere. Anfang der 60er Jahre drehte sie ihre letzten wirklich großen Filme: „Was geschah wirklich mit Baby Jane?“ (1962) und Robert Aldrichs „Wiegenlied für eine Leiche“ (1964).
Eines Tages stellt Karen Richards Margo eine junge, schüchtern wirkende Frau vor, die jede Vorstellung des aktuellen Theaterstücks, in dem Margo die Hauptrolle spielt, gesehen hat – ein absoluter, wenn auch nicht fanatischer oder besessener Fan der Margo Channing, die Gefallen an der jungen Frau findet und sich mit Tränen in den Augen ihre bittere Lebensgeschichte anhört. Gegen den Willen von Birdie, die sich bislang allein um Margo, ihre Garderobe usw. kümmerte, engagiert Margo Eve, die junge Frau, als Sekretärin, eigentlich als Mädchen für alles. Und Eve kümmert sich um alles perfekt. Sie bringt Ordnung in den Teil des Lebens von Margo, der nicht direkt mit dem Theater zu tun hat.
Als Birdie nach einer gewissen Zeit Margo allerdings offen erklärt, Eve kümmere sich nicht nur um sie, sondern beobachte sie auf Schritt und Tritt, bei allem, was sie mache, wie sie sich verhalte usw., kommen Margo erste, wenn auch unbestimmte Zweifel an Eve. Auf einer Party zu Bills Geburtstag betrinkt sich Margo, weil offenbar alle nur Eve sehen, sie für unschuldig, sympathisch und fast unfehlbar halten.
Und jetzt passiert etwas, was für den weiteren Verlauf der Handlung entscheidend ist: Eve bittet Karen, die der jungen Frau ebenfalls vertraut, um eine Rolle am Theater, aber nicht um irgendeine, sondern um die zweite Besetzung für Margos Rolle. Eve erklärt, sie sei dafür besonders geeignet, weil sie die Rolle in- und auswendig kenne und das Spiel Margos genauestens beobachtet habe. Bill als Regisseur und Max als Theaterdirektor lassen Eve vorsprechen. Und als Margo zu spät zur Probe erscheint und von dem Theaterkritiker Addison erfährt, was geschehen ist, kommt es zum Eklat. Margo macht eine Szene und wenig später publiziert Addison de Witt einen Artikel, in dem er den ersten Auftritt Eves als zweite Besetzung für die abwesende Margo in höchsten Tönen lobt und andererseits von ältlichen Schauspielerinnen schreibt, die ohne Grund immer wieder die besten Rollen bekommen würden.
Während Eve Lloyd bittet, ihr die Hauptrolle in seinem nächsten Stück zu geben und versucht, allerdings ohne jeden Erfolg, sich an Margos Geliebten Bill heranzumachen, spielt Addison De Witt sein eigenes Spielchen. Er will Eve um jeden Preis zu seiner Geliebten machen ...
„Du bist eine unglaubliche Person, Eve, genau wie ich. Das haben wir gemeinsam. Außerdem verachten wir das Menschliche, sind unfähig zu lieben und uns lieben zu lassen, sind krankhaft ehrgeizig und talentiert. Wir verdienen einander.“ (De Witt zu Eve Harrington)
Mankiewicz erzeugt in „All About Eve“ ein engmaschig gestricktes Netz aus Lügen, Intrigen, Bösartigkeit und Erpressung, das sich bis zum Schluss des Films in einer Art Zirkel vollendet: In der letzten Szene ist es wieder eine junge Frau namens Phoebe (Barbara Bates), die sich in die Umgebung diesmal von Eve einschleicht – und das Spielchen beginnt von vorne.
Das Konglomerat von persönlichen und beruflichen Beziehungen und Verflechtungen wird dabei in einer äußerst realistischen Schilderung, in einer Art Doppelbödigkeit inszeniert: Die Feier zur Verleihung des Preises an Eve bietet den äußeren Rahmen, die Erinnerungen der einzelnen Beteiligten den Füllstoff, der zugleich die Sichtweise der Beteiligten wiedergibt, und zwar homogen. Jeder weiß, was passiert ist, wenn auch vielleicht nicht alle Einzelheiten. Dass Eves Aufstieg jedoch ein Ergebnis von bösartigen Intrigen und auch Verletzungen ist, wissen die Hauptbeteiligten zum Zeitpunkt der Feier alle. Dass Eves Biografie gefälscht ist, weiß allerdings nur einer. Dass es ihr von Anfang an nur darum ging, auf Kosten von Margo schnell Karriere zu machen und Margo zu verdrängen, wissen bald alle.
Dass dieses intrigante Verhalten nie abgestraft werden würde, wissen auch alle. Denn: Es gehört – das zeigt der Film mehr als deutlich – zum System „Theaterkarriere“. Der- oder diejenige, die versuchen, über die Intrige eine(n) andere(n) matt zu setzen, gehen nur ein Risiko ein: Sie können verlieren und müssen die gut eingespielten Strukturen des Theater- oder Filmgeschäfts dann verlassen. Ebenso ist allen bewusst, dass der Erfolg seinen Preis hat. Eve bekommt dies zu spüren, als de Witt sie mit ihrer wahren Vergangenheit konfrontiert und dieses Wissen als Erpressungsmittel gegen sie einsetzt.
Nur in einer Szene kommt etwas zum Ausdruck, was den genannten Strukturen möglicherweise entgegensteht. Als Margo mit Karen während einer Panne im Auto spricht, sagt sie zu ihrer Freundin u.a.:
„Merkwürdige Sache, die Karriere einer Frau. So viele Dinge wirft man über Bord, um vorwärts zu kommen, und vergisst, dass sie einem fehlen werden, wenn man wieder eine Frau werden will. Denn die Karriere, die alle Frauen einmal machen müssen, ist die, eine Frau zu sein. ... Denn letzten Endes interessiert dich ja doch nur das eine: Wenn du beim Essen aufschaust oder dich im Bett umdrehst – dass er da ist. Wenn nicht, bist du keine Frau. Dann bist du weiter nicht als eine Leuchtreklame an einer Hauswand, ein Sammelband voller Pressenotizen. Aber du bist keine Frau. Langsamer Vorhang. Ende.“ (Margo zu Karen)
Diese Erkenntnis ist für Margo eine Art Aussicht auf Rettung. Denn sie meint jetzt, dass sie sich auf lange Sicht dem Starrummel entziehen muss und den Folgen der Intrige nur entkommen kann, wenn sie ihre Beziehung mit Bill in Ordnung bringt.
In „All About Eve“ verschwimmen die Grenzen zwischen dem Drama des Lebens und dem Drama auf der Bühne. Genau diese Differenz nutzen Eve und auch de Witt für ihre jeweiligen Interessen skrupellos aus. Eve ist Schauspielerin, bevor sie auf der Bühne steht; de Witt wirkt hinter der Bühne, bevor er auf den Brettern, die die Welt bedeuten, gegen Eve losschlägt.
Am Ende, als noch einmal die Feier der Sarah Siddons Gesellschaft eingeblendet wird, wirkt alles, was dort gesagt wird, wie Theater, wie Schmäh, verlogen, heuchlerisch. Aber niemand steht auf und protestiert, legt offen, zieht den Vorhang vor diesem Theater zu und verkündet der Welt, welche Intrigen dazu geführt haben. Das Theater geht weiter, und alle akzeptieren es, weil sie keine Alternative sehen oder sehen wollen.
„All About Eve“ ist aber auch ein Beispiel für die Geschlechterbeziehungen im Gestrüpp des Theaterdschungels, das heißt darüber, wie Frauen glauben, an große Rollen heranzukommen. Und als Margo erkennt, dass sie gegen Eves Intrigen auf verlorenem Posten steht, sieht sie nur noch eine Chance für ihr weiteres Leben in der privaten Beziehung zu Bill bzw. darin, diese Beziehung in Ordnung zu bringen – also als Ehefrau. Dabei sind dieses Geschlechterbeziehungen durchaus komplexer, als es vielleicht zunächst scheint. Die Männer schreiben die Drehbücher, führen Regie und leiten das Theater. Die Frauen müssen um Rollen kämpfen. Doch auch diese Verteilung der männlichen und weiblichen Rollen verdeckt zum Teil, dass es eigentlich die Frauen sind, die Stars jener Zeit, in der der Film entstand, die die Fäden ziehen und um die herum sich alles zu gruppieren scheint. Mit „ihren“ Mitteln versuchen sie, Konkurrentinnen auszuschalten, matt zu setzen. Die Männer scheinen so auf der anderen Seite nur Zuschauer.
Dem Zynismus der Handlung und der Beteiligten entspricht der Sarkasmus der Inszenierung. Dem System, das dahinter steckt, entsprechen die Charaktere der Hauptbeteiligten: eine zynische Margo, eine krankhaft ehrgeizige Eve und ein skrupelloser und gefühlloser de Witt, denen beiden jedes Mittel recht ist, um zu ihrem jeweiligen Ziel zu kommen, ein feiger Theaterdirektor Max, dem letztendlich alle auf der Nase herumtanzen – alle Rollen hervorragend besetzt. Neben Bette Davis gefällt vor allem Anne Baxter, weil sie das Wechselspiel zwischen unschuldiger junger Frau und gerissener Intrigantin nahezu perfekt in Szene zu setzen weiß. Daneben glänzt George Sanders als gefühlloser Schreiberling. Celeste Holm und Gary Merrill passen ebenfalls gut ins Bild dieser neben Wilders „Sunset Boulevard“ einzigartigen Darstellung der Verhältnisse, die natürlich auch und vor allem auf Hollywood gemünzt war. In einer Nebenrolle ist Marilyn Monroe als etwas naive und unbegabte Möchtegernschauspielerin zu sehen, die skrupellos als potentielle Konkurrentin ausgeschaltet wird.
Bilder: Screenshots von der DVD © 20th Century Fox
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