Amores Possíveis
(Amores Possíveis)
Brasilien 2001, 98 Minuten
Regie: Sandra Werneck

Drehbuch: Paulo Halm, Maya Werneck Da-Rin
Musik: Chico Buarque de Hollanda, João Nabuco
Director of Photography: Walter Carvalho
Montage: Isabelle Rathery
Produktionsdesign: Claudio Amaral Peixoto

Darsteller: Murilo Benício (Carlos), Carolina Ferraz (Júlia), Emílio de Mello (Pedro), Beth Goulart (Maria), Irene Ravache (Carlos Mutter), Alberto Szafran (Lucas), Luíza Mariani (Dandara), Drica Moraes (Julias Freund), Márcia Moura (Carlos Sekretär), Christine Fernandes (Sekretärin in der Partnervermittlungsagentur)

Auf halber Strecke liegen geblieben ...

Die schon Jahre in Brasilien lebende aus den Niederlanden stammende Regisseurin Sandra Werneck hatte eine gute Idee: Ein Mann, Carlos (Murilo Benício) trifft nach fünfzehn Jahren auf seine Jugendliebe Júlia (Carolina Ferraz) und beginnt mit ihr ein Verhältnis. Diese Geschichte erzählt Werneck in drei unterschiedlichen Versionen. Sandra Werneck selbst sagt zu ihrem Film: „Dieser Film handelt von möglichen Lieben gewöhnlicher Menschen, bescheidener Protagonisten, einfacher Existenzen, die jeden Tag ihr kleines Schicksal in die Hände eines tropischen Sommersturms oder eines Verkehrschaos legen [...]. Ich wollte zeigen, wie gut es ist, wenn man den Mut hat, seine eigenen Wünsche umzusetzen ... und dass Liebe Widersprüche überdauern kann.“ Ausgangspunkt aller drei Varianten ist ein Kino, vor dem Carlos in seiner Jugend vergeblich auf seine Jugendliebe Júlia gewartet hatte.

In der ersten Version der Geschichte ist Carlos ein wie aus dem Ei gepellter Anwalt, der mit Maria (Beth Goulart) verheiratet ist. Die Ehe mit Maria ist in Langeweile erstickt, auch wenn beide sich gut verstehen. Da trifft er eines Tages Júlia wieder und erklärt ihr, er habe die ganzen Jahre auf sie gewartet. Er trifft sich mit ihr heimlich und erzählt seiner Frau, er sei auf Geschäftsreise. Júlia erzählt er, er habe Maria um die Scheidung gebeten. An dieser Lüge zerbricht beider Beziehung.

Version zwei. Carlos ist mit Júlia verheiratet, beide haben einen Sohn, Lucas (Alberto Szafran). Doch seit drei Jahren lebt Carlos mit dem Fußballer Pedro (Emílio de Mello) zusammen. Carlos Ausbruch aus der Ehe hat Júlia schwer verletzt; seine Besuche bei Lucas führen regelmäßig zu Auseinandersetzungen, denn Carlos ist für Júlia die Liebe ihres Lebens. Carlos ist hin und her gerissen. Er liebt Pedro, fühlt sich aber noch immer zu Júlia hingezogen. Pedro spürt dies und fordert von seinem Liebhaber eine klare Entscheidung, egal wie sie aussieht.

In der dritten Geschichte ist Carlos ein Tunichtgut, der noch immer bei seiner Mutter (Irene Ravache) lebt und regelmäßig Frauen anschleppt. Er hat ein gutes Verhältnis zu seiner Mutter, aber beider Beziehung ist eine Art Symbiose: Beide sind unfähig, sich endlich voneinander zu trennen. Da entschließt sich Carlos, die optimale Frau zu suchen, um seinem unsteten Lebenswandel ein Ende zu machen. In einer Partnervermittlung schildert er der Sekretärin (Christine Fernandes), wie sie sein soll: natürlich gut gebaut, nicht zu intelligent, aber „im Bett heiß“. „Und sie muss Filme von Woody Allen und François Truffaut lieben.“ Mit Hilfe eine Ortungsgeräts, in dem sämtliche Anforderungen an das Profil seiner maßgeschneiderten Traumfrau gespeichert sind, soll er angeblich – durch einen Datenvergleich mit dem Gerät des weiblichen Pendants – innerhalb von 48 Stunden die Gewünschte finden. Wen peilt er an? Júlia, seine Jugendliebe, die inzwischen Künstlerin ist. Doch Júlia hat Angst, vor Carlos Mutter nicht als angemessene Ehefrau zu bestehen.

Die Anklänge an das Kino Allens und besonders Almodóvars sind deutlich, manchmal vielleicht zu deutlich. Die zweite Geschichte um einen Carlos, der Frau und Kind verlassen und eine homosexuelle Beziehung eingegangen ist, unterscheidet sich insofern von den beiden anderen, als hier Murilo Benício und die in Brasilien sehr bekannte Carolina Ferraz ihr schauspielerisches Können in einigen dramatischen Szenen unter Beweis stellen können. Das hat seinen Grund auch darin, dass diese Variante am besten durchdacht erscheint. Ein wirklicher Konflikt – für Júlia der Verlust des Mannes, den sie über alles liebte und noch immer zurück will; für Carlos die Entdeckung, dass er schwul ist und Pedro liebt; dazwischen der kleine Sohn Lucas – wird ausgebreitet.

Die Geschichte von Carlos als Anwalt zwischen Júlia und Maria hat die starke Tendenz, allzu klischeebeladen den Ausbruchsversuch eines Mannes aus seiner öden Ehe zu verfolgen. Gerade in dieser Geschichte wird mir ehrlich gesagt zu viel geküsst. Küsschen hier, Küsschen da, einmal im Bett, zweimal im Bett ... Carlos erscheint hier als Tölpel, der sich nicht entscheiden kann, der feige ist. Dialoge und Mimik ähneln arg den analogen Verhaltensweisen des mittelmäßigen Hollywoodkinos. Als Persiflage auf dieses Kino kann man diese Variante allerdings kaum verstehen.

Aus der dritten Geschichte hätte sich mehr machen lassen, nämlich eine exzellente Komödie. Die Dreieckskonstellation: Carlos zwischen Mama und Jugendliebe sowie seine abstrusen Vorstellungen über eine „geschnitzte“ Traumfrau, die ihn – mehr oder weniger unbewusst – aus dem Nest bei Mutter treiben soll, hätte als eigenständiger Film ein durchschlagender Erfolg sein können.

Hätte. Und dieses „hätte“ gilt letztlich für alle drei Varianten. Das Anliegen der Werneck, „mögliche Lieben“ zu zeigen, das heißt unterschiedliche Wege, die dieser Carlos vom Ausgangspunkt Kino in seiner Jugend hätte beschreiten können, ist sicherlich eine spannende Idee. Doch dem Film fehlt der innere Zusammenhang zwischen den drei vorgestellten Varianten, die zum einen in sich nicht ausgearbeitet sind – insbesondere von der zweiten Geschichte hätte man sich mehr gewünscht – und zum anderen etwas lose nebeneinander stehen. Die erste melodramatische Geschichte verfängt sich im Spinnennetz der sattsam bekannten Klischees; die tragische zweite Variante, die beste, ist zu knapp (man will mehr), und dadurch, dass innerhalb des Films dauernd zwischen den Geschichten hin und her gependelt wird, wirkt sie zerrissen; die dritte Geschichte schließlich, die Komödie, leidet ebenfalls daran, dass immer wieder zwischen den drei Handlungssträngen gewechselt wird – für eine Komödie ist das etwas problematisch. Auch sie ist nicht bis zu Ende ausgearbeitet.

Melodrama, Tragödie und Komödie – eigentlich Stoff für drei Filme. Es mag sein, dass eine Kombination aller drei Genres in einem Film möglich ist. Aber in „Amores Possíveis“ gelingt Sandra Werneck dieses Meisterstück leider nur bruchstückhaft.

„Amores Possíveis“ ist nicht schlecht, aber er ist auch nicht wirklich gut. Er hat seine guten dramatischen (zweite Geschichte) und komischen (dritte Geschichte) Seiten, aber es fehlt trotz allem der innere Zusammenhang, die dramaturgische Geschlossenheit und die inhaltliche Verbundenheit der Varianten bezüglich der interessanten Ausgangsidee.


 

Amores Possiveis-Plakat