Badlands
(Badlands)
USA 1973, 98 Minuten
Regie: Terrence Malick

Drehbuch: Terrence Malick
Musik: Mickey Baker, Sylvia Robinson, Carl Orff, Erik Satie u.a.
Director of Photography: Tak Fujimoto, Steven Larner, Brian Probyn
Montage: Robert Estrin
Produktionsdesign: Jack Fisk

Darsteller: Martin Sheen (Kit Carruthers), Sissy Spacek (Holly Sargis), Warren Oates (Mr. Sargis), Ramon Bieri (Cato), Alan Vint (Deputy), Gary Littlejohn (Sheriff), John Carter (reicher Mann), Bryan Montgomery (Junge), Gail Threlkeld (Mädchen)

Diffusion

Road-Movies mit zwei Liebenden auf der Flucht gibt es Dutzende, und darunter etliche sehr gute. Man denke an Peckinpahs „The Getaway” (1972) oder Arthur Penns „Bonnie and Clyde” (1967). Der bis dahin fast völlig unbekannte Terrence Malick drehte 1973 seinen zweiten Film (nach „Pocket Money” 1972) und hat bis heute lediglich zwei weitere Filme in die Kinos gebracht („Days of Heaven“, 1978, und „The Thin Red Ligne“, 1998). Die Geschichte des 25jährigen Kit (Martin Sheen) und seiner 10 Jahre jüngeren Freundin Holly (gespielt von der damals 24jährigen Sissy Spacek) fußt auf einer wahren Geschichte aus den 50er Jahren. Damals, 1958, begaben sich ein gewisser Charles Starkweather und seine Freundin Caril Ann Fugate auf einen Horrortrip durch Nebraska und Colorado, in dessen Verlauf Starkweather elf Morde begang, darunter an der Mutter und dem Stiefvater sowie der zweijährigen Schwester Fugates. Starkweather war 19, Fugate 14. Nach einer neuntägigen Flucht wurden die beiden festgenommen, Starkweather zum Tode verurteilt und am 25.6.1958 auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Fugate wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, dann aber nach 18 Jahren Haft entlassen.

Die Geschichte der beiden inspirierte u.a. auch Oliver Stone bei seinem Film „Natural Born Killers” (1994). Malick allerdings ging mit seinem Film einen ganz anderen Weg als Stone. Und auch mit Penns „Bonnie and Clyde” hat „Badlands” – trotz einer ähnlichen Struktur der Geschichte – nur wenig zu tun.

„Little did I realize that what began
in the alleys and backways of this
quiet town, would end in the
Badlands of Montana.”

Kit, der seinen Job bei der Müllabfuhr verliert, ein junger Kerl, der mit sich und seiner Zeit wenig anzufangen weiß, geht eines Tages auf die junge Holly zu, um mit ihr spazieren zu gehen. Kit ist ein armer Schlucker, Holly Tochter des allein erziehenden, wohlhabenden Mr. Sargis (Warren Oates). Heimlich treffen sie sich, bis Sargis irgendwann dahinter kommt, dass sich Holly mit einem dieser armen Schlucker trifft. Kit dringt in das Haus der Sargis ein und erklärt Hollys Vater, er möge seine Tochter und ließe sich davon auch nicht abbringen, sich mit ihr zu treffen.  Kit hat einen Revolver dabei, und als Sargis zur Polizei gehen will, weil Kit nicht freiwillig das Haus verlässt, folgt ihm Kit und schießt zweimal auf Sargis, der kurz darauf stirbt. Holly nimmt dies – auf eine erstaunlich gelassene Art – hin. Man schafft die Leiche in den Keller, zündet das Haus an. Zuvor hatte Kit auf einen Tonträger (um die Polizei irre zu führen) gesprochen, er und Holly wollten sich umbringen. Der Brand soll die Spuren verwischen und die Polizei glauben machen, Kit und Holly seien in den Flammen umgekommen. Beide begeben sich in einem Auto auf die Flucht heraus aus South Dakota.

Sie übernachten im Freien, bauen sich ein Baumhaus, fahren statt auf den Highways oder sonstigen Straßen querfeldein, um der Polizei nicht zu begegnen, die inzwischen die beiden sucht und auch die Bevölkerung um Hinweise auf die beiden gebeten hat.

Dass diese Flucht irgendwann ihr Ende haben wird und beide verhaftet werden oder im Kugelhagel der Polizei sterben, ist eigentlich von Anfang des Films an klar. Das Besondere dieses Films liegt nicht in seinem Ausgang, sondern in der Verstörung und Beunruhigung über das Verhalten von Kit und Holly. Schon der Mord an Hollys Vater kontrastiert in seinen personalen Umständen mit der zuvor gezeigten Vertrautheit zwischen Holly und ihrem Vater. Warum tötet Kit ihn? Warum reagiert Holly, als wenn es sich um einen alltäglichen Vorfall handeln würde? Man könnte sagen, dass eine unbeschreibliche Gefühllosigkeit beide Charaktere prägt, dass sie Psychopathen sind. Aber in seiner Inszenierung geht Malick viel weiter. „Badlands” ist kein Killer-Film, kein Psychopathen-Drama, kein Horrorfilm, jedenfalls nicht im üblichen Sinn. Von Anfang an ist es dieses verstörende, im übrigen auch nicht weiter erklärte Verhalten der beiden, das Malick zudem in Kontrast setzt zu den fast schon gewaltigen Landschaftsbildern, fotografiert von Tak Fujimoto, einer der heute wohl bekanntesten Directors of Photography.

Diese landschaftliche Weite, aber auch Leere der Badlands, riesiger unfruchtbarer Ebenen, kontrastiert mit einer beunruhigenden Enge in den Charakteren Hollys und Kits, die zunächst vielleicht als auch aus anderen Filmen bekanntes Pärchen on the road erscheinen mögen, das nicht so sein will wie die Eltern oder Großeltern, das anders leben will als ihre Vorfahren und der Rest ihrer Zeitgenossen. Doch schon bald wird auch dieses Bild eines (filmisch adaptierten) Bildes brüchig. Und die James-Dean-Ähnlichkeit Kits (der wahren Geschichte um Starkweather entliehen) gehört ebenfalls in diese Brüchigkeit.

Dies wird im weiteren Verlauf der Geschichte noch deutlicher, etwa wenn Kit einen alten Bekannten namens Cato (Ramon Bieri), bei dem beide eine Zeitlang untertauchen wollen, offenbar ohne nennenswerten Grund erschießt und ein junges Pärchen auf Catos einsam gelegenem Gehöft in einem unterirdischen Verschlag einsperrt und durch einen Spalt in der Tür auf beide noch zweimal schießt. Dass er später einen reichen Mann, in dessen Haus Kit und Holly eindringen, am leben lässt, ist nach diesen Ereignissen umso erstaunlicher. Lediglich das Auto nehmen beide ihm weg.

Ebenso unerklärlich bleibt Hollys Verhalten, nicht nur bezüglich des Mordes an ihrem Vater. Sie scheint Kits Verhalten, seine Unberechenbarkeit halbwegs zu akzeptieren. Auf der anderen Seite ermahnt sie Kit immer wieder, das Töten doch zu unterlassen. Diese „Ermahnungen“ allerdings klingen derart: förmlich, könnte man schon sagen, dass sie beim Betrachter des Films wiederum Konfusion auslösen. Und erst recht im Dunkeln bleibt das Verhältnis der beiden untereinander unter dem Aspekt zweier Liebender. Lieben sich Kit und Holly? Als beide noch vor dem Mord an Hollys Vater Sex miteinander haben, fragt Holly danach:

„Is that all there is to do it? ... Well,
I’m glad it’s over. For a while I was
afraid I might die before it happened.
Had a wreck, or some deal like that.”

Doch nicht nur das, auch die vergeblichen Versuche (Baumhaus), sich etwas Bleibendes zu schaffen, scheitern, werden vor allem Holly auf Dauer zu langweilig, und auch übliche Formen der Zärtlichkeit sucht man zwischen beiden vergeblich.

Die Frage, was beider Beziehung eigentlich ausmacht, bleibt im Dunkeln, oder sagen wir: die Antwort auf diese Frage ist ebenso auf Spekulation angewiesen wie beider gesamtes Verhalten. Der Begriff Diffusion umschreibt dieses Verhalten, beider Mentalität vielleicht am besten. Sie bewegen sich in einem Raum ohne Klarheit, ihr Verhalten, ihr Denken, ihr Fühlen zerstreut sich in einer Art Ungewissheit und Unbestimmtheit.

Vergleicht man den Film mit anderen derartigen Road-Movies, wird ein Unterschied sofort signifikant. Obwohl sich Malick jeder Deutung der Geschichte entzieht, aber auch jeder Verurteilung des Pärchens enthält, entbehren ihre Charaktere jeglicher Heldeneigenschaft. Damit korrespondiert die im Verlauf der Geschichte deutlich werdende Perspektivlosigkeit der beiden. Wenn denn eine unspezifizierte, quasi nur im Nebel bleibende Ablehnung „alles anderen” und „aller anderen” ihr Verhalten provoziert haben sollte, so entspricht dem die völlige Unklarheit darüber, was sie eigentlich wollen. Dass der Tod den Film durchzieht – man sieht einen toten Hund, tote Kühe, und eben tote Menschen, ohne dass Malick diese Gewalt auch nur ansatzweise ausschmücken würde –, während eine fast durchweg menschenleere, unfruchtbare (wenngleich doch auch faszinierende) Landschaft zur Lebenswelt der beiden Flüchtigen wird, ist insofern kein Wunder.

Von einer anderen Perspektive aus betrachtet, repräsentiert Kit einen „Helden” (James-Dean-Analogie), der gar nicht weiß, was das ist, während Holly romantische Vorstellungen über beider Beziehungen hat, ohne zu wissen, was romantisch eigentlich ist. Anders formuliert. Sie stochern im Dunkeln. Vielleicht, aber auch das ist spekulativ, ist ihr Verhalten dadurch teilweise zu erklären. Als das junge Pärchen bei Catos Hütte auftaucht, unterhält sich Holly mit dem Mädchen, wie zwei normale Teenager dies auch tun würden. Im nächsten Moment ist das Pärchen eingesperrt. Hollys Verhalten ist aber nicht mit Hinterhältigkeit zu erklären. Es ist diese jede Form von Unbekümmertheit übersteigende Naivität in Bezug nicht nur auf ihr Leben überhaupt, sondern speziell im Hinblick auf den (auch filmisch im Vergleich und im Gegensatz etwa zu den oben genannten Filmen interessanten) „Helden”- und den „Liebes-„Status beider Protagonisten, der die verstörende, vor allem aber erschreckende Brüchigkeit ihrer Lebenswelt aufscheinen lässt. Es gelingt ihnen nicht, aus den Bruchstücken von Helden- oder Liebesgeschichten zumindest auch Bruchstücke ihres eigenen Lebens herzustellen, um den Heldenstatus auf ein realistisches Maß ihrer selbst zurechtzuschneidern (also in einem einigermaßen selbstbestimmten Leben sich zu behaupten) bzw. zwischen sich selbst zu einer wirklichen Zuneigung zu kommen. Warum? Weil sie letztlich in ihrer Mentalität selbst nur Bruchstücke einer Gesellschaft sind, in der Identität so schwer oder gar nicht herzustellen ist.

„Badlands” ist insofern ein wichtiger Film, weil er das Scheitern – wenn auch und man kann sagen: Gott sei Dank, ohne Erklärungen oder Verurteilungen – als etwas Konkretes, wenn auch schwer Fassbares zeigt, ohne dass man des eigenen Nachdenkens und Empfindens beraubt würde.

© Warner Brothers
Screenshots von der DVD