Begegnungen
(Intersection)
USA 1994, 98 Minuten
Regie: Mark Rydell

Drehbuch: David Rayfiel, Marshall Brickman, Paul Guimard, nach seinem Roman
Musik: James Newton Howard
Director of Photography: Vilmos Zsigmond
Montage: Mark Warner
Produktionsdesign: Harold Michelson, Yvonne J. Hurst, Dominique Fauquet-Lemaitre

Darsteller: Richard Gere (Vincent Eastman), Sharon Stone (Sally Eastman), Lolita Davidovich (Olivia Marshak), Martin Landau (Neal), David Selby (Richard Quarry), Jennifer Morrison (Meaghan Eastman), Ron White (Charlie), Matthew Walker (Surgeon)

Visuelle Folter

„Maybe my problem was
that somehow I got it stuck
in my head that ‘Intersection’
was a Thriller. If I'd known
it was a Weeper, I wouldn't
have wept, but at least
I wouldn't have been waiting
for an hour for someone
to pull out an ice pick.“
(Roger Ebert)

Manchmal wäre es besser, einen Film nicht gesehen zu haben. Der hochtrabende englische Originaltitel „Intersection“ (Kreuzung, Schnittpunkt) vermittelt im nachhinein den Eindruck eines ebenso hochtrabenden Dramas der Befindlichkeiten, als ob es darum gehe, die Regenbogenpresse-Version eines kitschüberladenen Mittelklasse-Dramas, das nichts an Dramatik enthält, aber auch gar nichts, um Ellen zu schlagen. Doch geschlagen wird mit „Begegnungen“, dem schlichten, schlanken und wenig schlauen deutschen Titel dieses Machwerks, nur einer: der Zuschauer.

Richard Gere spielt einen Architekten, Vincent Eastman, der mit seiner Frau Sally (Sharon Stone) in einem Büro zusammenarbeitet, eine 13-jährige Tochter hat, Meaghan (Jennifer Morrison), die zum Ballett geht, und sich irgendwann im Verlauf der Ehe einer anderen zuwendet, der Journalistin Olivia (Lolita Davidovich), die möchte, dass sich beide ein Haus an der Küste bauen. Gere schwankt zwischen beiden Frauen, der geschäftstüchtigen Ehefrau und der lustbetonten Geliebten – und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Nein, nicht ganz, denn am Schluss baut Vincent einen Autounfall, der ihm das Leben kostet, was aber im Grunde niemanden berührt.

Das ist im wesentlichen die ganze Geschichte dieses Films, die letztlich gar keine Geschichte ist, sondern nur der Schein einer Geschichte. Die Ausgangssituation des Plots ist fast so alt wie das Filmgeschäft selbst: ein Mann zwischen zwei Frauen und mit einem Kind. Das für sich wäre nicht zum Abwinken, wenn gezeigt würde, was in den Personen wirklich vorgeht, wie sie sich entwickeln, wie sie sind, in all ihrer Widersprüchlichkeit, und wenn dies dann auch in den Dialogen bemerkbar wäre. Die Drehbuchautoren Rayfiel und Brickman jedoch – so kann man nur annehmen – haben kein Gespür für Gespür, kein Gefühl für Gefühl. Die Dialoge sind derart platt und klischeebeladen, dass einem die Haare zu Berge stehen. Vorsicht! Beispiel! Vincents Kollege Neal (Martin Landau) redet dem Mann zwischen zwei Frauen ins Gewissen: „Du hast Frau und Kind hier, eine Geliebte dort ... das reinste Chaos. Halte alles unter einem Dach. Das ist eine der ersten Regeln der Architektur.“ Es kommt schlimmer. Als Vincent Sally erzählt, dass er mit einer anderen schläft, schreibt das Drehbuch vor, Sharon Stone solle jetzt verzweifelt und wütend reagieren. Sie tut es. Nur, man merkt, dass sie es tut, weil das Drehbuch es vorschreibt. Das ist das Problem des gesamten Films.

„Begegnungen“ wurde in einer Flut von kurzen und längeren Rückblenden gedreht, in deren Zentrum Vincent steht. Was dieser Vincent eigentlich für ein Problem hat, bleibt unerfindlich, weil es zumeist scheint, als habe niemand der Beteiligten auch nur das geringste Interesse an der Handlung. Gere, Stone und Davidovich spielen Figuren ohne Saft und Kraft, ohne Leben, ohne Fleisch und Blut. Als Vincent seine Tochter der Geliebten vorstellt, kam ich mir vor wie bei der Lektüre von „Frau im Bild“. Alle drei sitzen in einem Restaurant, die Tochter auf Distanz, die Geliebte bemüht, Gere irgendwo dazwischen. Und was macht Olivia? Sie macht Meaghan ein Geschenk, um Sympathie zu erheischen. Töchterchen ist entzückt. Schnitt. Atempause, Schlucken, am Stuhl festhalten. Ich fass es nicht! Ich komme mir vor wie in einer 98-Minuten-Version von „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, und das ist Folter der schlimmsten Sorte. Denn aus dieser Szene, die nichts zu bieten hat als Oberflächlichkeit, resultiert absolut nichts. Es fehlt hier, wie im ganzen Film, irgendeine Möglichkeit der Nähe zu den Personen, der Identifikation.

Eine andere Szene (um die Folter noch zu steigern): Vincent sieht ein kleines Mädchen mit roten Haaren, das ihn „plötzlich“ (auch Olivia hat rote Haare) an seine Geliebte erinnert und dessen Anblick „ihm klar macht“, dass er sich für die Geliebte und gegen seine Frau entscheiden muss, soll, kann, will oder irgend so etwas. Er geht zum Münzfernsprecher, ruft Olivia an und schwallt überschwänglich durch die Muschel auf den Anrufbeantworter things like that: Ich liebe dich, ich bin verrückt nach dir, ich will dich heiraten ... Und so weiter. Schnitt. Atempause. Schlucken, am Stuhl festhalten. Ich bin beeindruckt, nicht von diesen Worten, sondern von dem fehlenden Sinn des Regisseurs, der Mark Rydell heißt, für Dramatik und Charaktere. Gere respektive Vincent steigt in sein Auto, rast los zu seiner Geliebten – der er vorher noch einen Brief schicken wollte, in dem er ihr schreibt, er habe sich für seine Frau entschieden, den er dann aber nicht abschickt – und baut einen Verkehrsunfall. Im Krankenhaus stirbt der Mann endlich und damit hat die Qual ein Ende. Stone und Davidovich dürfen sich noch einmal anschauen, alles Gute wünschen und ein paar Tränen herauspressen.

Nie wieder „Intersection“!

© Bilder: Paramount