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Botschafter der Angst (The Manchurian Candidate) USA 1962,126 Minuten Regie: John Frankenheimer
Drehbuch: George Axelrod, nach dem Roman von Richard Condon Musik: David Amram Director of Photography: Lionel Lindon Montage: Ferris Webster Produktionsdesign: Richard Sylbert
Darsteller: Frank Sinatra (Bennett Marco), Laurence Harvey (Raymond Shaw), Janet Leigh (Eugenie Rose Chaney), Angela Lansbury (Mrs. Iselin), Henry Silva (Chinjin), Leslie Parrish (Jocelyn Jordan), James Gregory (Sen. John Y. Iselin), John McGiver (Sen. Thomas Jordan), Khigh Dhiegh (Dr. Yen Lo), James Edwards (Cpl. Allen Melvin), Douglas Henderson (Col. Milt), Albert Paulsen (Zilkov)
„The most sophisticated satire ever made in Hollywood“ (1)
Zwei Dinge spinnen sich um Frankenheimers, Axelrods und Condons Geschichte um eine Verschwörung amerikanischer, chinesischer und sowjetrussischer Halunken: die McCarthy-Ära und der nur ein Jahr nach Start des Films in den Kinos begangene, bis heute nicht vollständig aufgeklärte Mord an John F. Kennedy. Richard Condon hatte den Roman als eine satirische, ja bitterböse Kritik an der Angst vieler Amerikaner vor einer kommunistischen Verschwörung, aber auch und gerade am Schüren dieser Ängste durch konservative und reaktionäre Kräfte in den 50er Jahren geschrieben – eine historische Phase, die ein für allemal mit dem Namen des Senators McCarthy verknüpft ist. Dass Fiktionen von den Fakten eingeholt werden, mag selten vorkommen. Doch die Fiktion in „Botschafter der Angst” musste vielen Amerikanern ins Gedächtnis zurückkehren, als Kennedy ermordet wurde. Und Lee Harvey Oswald, dessen Ermordung und die gesamten bis heute ungeklärten Umstände beider Morde werfen ein Licht auf die Zeit, aber auch auf die allenthalben vorhandenen verdeckten Strukturen, Operationen und Verwicklungen in modernen politischen Systemen.
Zunächst scheint der Film dem allenthalben vorhandenen kruden Antikommunismus der damaligen Zeit sogar noch Vorschub zu leisten, wenn eine Verschwörung russischer, nordkoreanischer und chinesischer Agenten, Politiker und hoher Militärs in Szene gesetzt wird. Schon deren Mimik und Gestik, deren Aussehen, ihre Dialoge usw. aber sind – das wird sehr schnell deutlich – letztlich nichts anderes als eine Visualisierung der Vorurteile und antikommunistischen Attitüden jener Jahre innerhalb weiter Teile der Bevölkerung. Sehr schnell spielen die ausländischen Kräfte der Verschwörung zudem keine wesentliche Rolle mehr, und der Film fokussiert die Aufmerksamkeit auf die inneren Verhältnisse in den Vereinigten Staaten selbst.
Eine Gruppe von amerikanischen Soldaten wird während des Korea-Krieges von feindlichen Kräften festgenommen und einer Gehirnwäsche unterzogen. Ein General namens Zilkov (Albert Paulsen) demonstriert vor ausgewähltem Publikum, wie man diese Soldaten als lebende Waffen für eigene Zwecke einsetzen kann. Er befiehlt einem der Soldaten, Raymond Shaw (Laurence Harvey), einen Kameraden zu erwürgen und einen anderen durch Kopfschuss zu töten. Shaw gehorcht – ohne irgendwelche Emotionen zu zeigen.
Nur wenige Wochen später erhält Shaw den höchsten Verdienstorden in seiner Heimat, weil er die Gruppe der tagelang in Korea verschwundenen Soldaten gerettet habe. Ein anderer der Gruppe, Major Marco (Frank Sinatra), allerdings, beginnt langsam, aber sicher an der offiziellen Version vom Helden Shaw, der ihn und die anderen gerettet habe, zu zweifeln. Denn Marco hat jede Nacht den gleichen Alptraum: Er sieht ihm Traum genau diese Szene von der Ermordung seiner Kameraden durch Shaw auf Befehl Zilkovs. Auch ein anderer der Gruppe, Melvin (James Edwards), hat den gleichen Alptraum immer wieder. Marco zweifelt an der offiziellen Version, dass nämlich die beiden Kameraden im Gefecht gefallen seien. Allerdings nimmt ihm zunächst niemand die Version ab, der Alptraum entspreche der Realität, während die offizielle Version des Geschehens eine Lüge sei. Marco ist verzweifelt, weil er nicht weiß, ob Shaw, den er nicht mehr für einen Helden hält, aus eigener Überzeugung gemordet hat oder für seine Taten nicht haftbar gemacht werden kann, weil er nicht Herr seiner selbst dabei war.
Unterdessen will Shaw einer Tätigkeit als Redakteur nachgehen. Gleichzeitig versucht er, sich dem Einfluss seiner Mutter, Mrs. Iselin (Angela Lansbury), und seines Stiefvaters Senator Iselin (James Gregory) zu entziehen. Beide führen eine wilde Hetzkampagne gegen alle möglichen politischen Gegner, die sie fast allesamt als Kommunisten denunzieren, insbesondere gegen den liberalen Senator Thomas Jordan (John McGiver), mit dessen Tochter Jocelyn (Leslie Parrish) Shaw vor Jahren ein Verhältnis hatte. Seine Mutter hatte damals alles daran gesetzt, diese Verbindung zu zerstören – mit Erfolg.
Marco setzt alles daran, seine These von einer Gehirnwäsche zu beweisen. Es ist zu befürchten, dass weiteres Unglück passiert. Mit dem Zug, in dem er die schöne Rose (Janet Leigh) kennenlernt, fährt er nach New York, um Shaw zu treffen und Licht ins Dunkel zu bringen.
Kurze Zeit später werden die Leichen eines bekannten Politikers und seiner Tochter gefunden. Bei Shaw taucht ausgerechnet der koreanische Kriegskamerad auf, der die amerikanischen Soldaten damals in den Hinterhalt gelockt hatte. Und im sich zuspitzenden Wahlkampf um die Präsidentschaft plant jemand die Ermordung des Präsidentschaftskandidaten ...
Frankenheimer, der Condons Roman an fast keiner Stelle abschwächte (bis auf eine inzestuöse Stelle im Roman, in dem Mrs. Iselin mit ihrem Sohn ins Bett geht, im Film wird an dieser Stelle nur ein Kuss gezeigt, der aber diese inzestuöse Absicht offen andeutet), zeigt nun vor allem, wie die Verschwörung von Amerikanern selbst in Szene gesetzt wird. Er zeigt eine intrigante und skrupellose, von Angela Lansbury hervorragend gespielte Mrs. Iselin, die nicht nur ihren zweiten Mann, Senator Iselin, als Marionette für ihre Ziele einsetzt, sondern auch ihren Sohn immer wieder in Abhängigkeit versetzen kann. Er zeigt einen Raymond Shaw, der seine Mutter und seinen Stiefvater zwar hasst, sich aus der Beziehung zu seiner Mutter aber nicht lösen kann. Er zeigt einen Captain Marco, der von seinen Alpträumen anfangs bis fast zur Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit gelähmt scheint, dann aber alles daran setzt, den Ursachen für diesen furchtbaren Traum auf den Grund zu gehen.
Doch auch die Verlagerung der Verschwörung in die USA selbst und auf Amerikaner ist stets begleitet von der Darstellung der vorurteilsbehafteten diffusen Ängste vor einer kommunistischen Verschwörung. Die Inszenierung wechselt zwischen Realismus, surrealen Elementen und der Visualisierung dieser Vorurteile. Realistisch wirken vor allem jene Szenen, in denen Senator Iselin in öffentlichen Anhörungen oder im Fernsehen alle möglichen politischen Gegner der kommunistischen Subversion bezichtigt. All das erinnert stark an die McCarthy-Ära. Anderes, wie etwa die – in dieser Weise nicht mögliche – Manipulation Raymond Shaws durch irgendeine nicht näher dargestellte Gehirnwäsche, die ihn zu einem willenlosen Werkzeug einer Verschwörung macht (ausgelöst durch eine Spielkarte, die, wenn er sie aufdeckt, seinen Willen bricht, so, als ob er hypnotisiert worden wäre, um als Attentäter zu dienen), gehört eher dem surrealen, fast märchenhaft wirkenden Teil des Films an.
Aber „The Manchurian Candidate” kann man auch noch anders lesen, nämlich als eine Kritik an jenen Kräften in den USA selbst, denen jedwede Form von Demokratie wesensfremd ist, die den Antikommunismus für den Versuch benutzen, demokratische Zustände zu beseitigen, und die sich nicht zu schade sind, sich dafür auch gerade jener Kräfte zu bedienen, die sie öffentlich stets angreifen. Gerade in der Gestalt der Mrs. Iselin kommt dies deutlich zum Ausdruck. Es kann offen bleiben, ob Mrs. Iselin und ihr Mann überzeugte Kommunisten sind, die sich nur als Antikommunisten ausgeben, oder ob sie für eigene Zwecke der Machenschaften ihrer auswärtigen Gegner nutzen wollen. Der entscheidende Gesichtspunkt ist der des ungebrochenen, extremen Machtwillens, der sie treibt und für den sie jedes nützlich erscheinende Mittel zu nutzen bereit sind.
Nicht zuletzt belegt die (Außen-)Politik der USA selbst, in welcher Weise sich ansonsten entgegengesetzte extremistische Positionen zumindest sporadisch und für eine gewisse Zeit miteinander verbinden können. Das wechselhafte Verhältnis der USA zum Irak (gegenüber Saddam Hussein) ist da nur ein Beispiel für viele.
Gerade das Remake des Films (inszeniert von Jonathan Demme 2004), in dem nicht eine ausländische Macht, sondern ein global operierender Konzern eine solche Verschwörung initiiert, lässt auch die Aktualität des Frankenheimer-Films deutlich werden.
Im Vordergrund von Frankenheimers „The Manchurian Candidate” steht allerdings die politische Satire und die Kritik an einem spröden, oberflächlichen Antikommunismus mit all seinen Folgen auf die Gesellschaft selbst. Deutlich wird dies auch an den Charakteren selbst, die teils als reale Figuren, teils aber in ihrer visualisierten Mentalität wie ein Spiegelbild der Vorurteile wirken – als ob die Zerrbilder von Ideologien personale Gestalt angenommen hätten. Zwischen den Polen einer wirklichen – nicht durch Gehirnwäsche, sondern durch Propaganda und andere medial vermittelte Mechanismen wirkenden – Manipulation der öffentlichen Meinung und des Denkens hier, der Karikatur der Vorurteile und diffusen Ängste dort entwickelt sich so im Lauf des Films ein dichtes, fein gewebtes Bild amerikanischer Verhältnisse in jenen Jahren. Und das Remake beweist zumindest über weite Strecken, dass dies alles an Aktualität nichts verloren hat.
Gerade in einer Szene, als Marco Rose im Zug auf der Fahrt nach New York kennen lernt (im Remake ist die entsprechende Person eine FBI-Agentin, die Marco überprüfen soll), kommt noch etwas anderes zum Vorschein. Frankenheimer implementiert mit dem merkwürdigen Dialog zwischen beiden einen Verdacht bzw. die Möglichkeit eines Verdachts, dessen Hintergründe im Film nicht aufgeklärt werden. Die Szene gibt Anlass zu Spekulationen; sie testet sozusagen den Zuschauer, inwieweit auch er anfällig für diffuse Verschwörungstheorien ist – nur weil er bestimmte Sätze von Rose und einige ihrer Andeutungen nicht anders erklären kann.
Summa summarum eine der besten politischen Satiren, die in Amerika je gedreht wurden.
(1) Filmrezensentin Pauline Kael über den Film.
© Bilder: United Artists, Sony Pictures. Screenshots von der DVD.
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