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Collateral Damage – Zeit der Vergeltung (Collateral Damage) USA 2001, 105 Minuten Regie: Andrew Davis
Drehbuch: Ronald Roose, David Griffiths, Peter Griffiths Musik: Salvatore Basile, Graeme Revell, Tim Simonec Director of Photography: Adam Greenberg Montage: Dov Hoenig, Dennis Virkler Produktionsdesign: Philip Rosenberg
Darsteller: Arnold Schwarzenegger (Gordon Brewer), Elias Koteas (Peter Brandt), Francesca Neri (Selena), Cliff Curtis (Claudio Perrini, El Lobo), John Leguizamo (Felix Ramirez), John Turturro (Sean Armstrong), Tyler Posey (Mauro)
Kollateralschäden und Zivilisationsbrüche
Es war Horst Mahler – ehemals RAF, heute NPD –, der den Terroranschlag am 11. September 2001 als „Kollateralschaden“ bezeichnete. In Andrew Davis Film ist es der kolumbianische Terrorist Perrini (Cliff Curtis), der für den Tod von Zivilisten bei Anschlägen diesen Ausdruck benutzt. Und FBI-Agent Brandt denkt ähnlich.
Gordon Brewer (Arnold Schwarzenegger) verliert bei einem dieser Anschläge von El Lobo auf die kolumbianische Botschaft in Los Angeles seine Frau und seinen kleinen Sohn. Für FBI-Agent Peter Brandt (Elias Koteas) scheint jedes recht Mittel zu sein, um El Lobo und seine Bande auszumerzen. So sieht er auch gelassen zu, als Brewer die Sache in die eigene Hand nimmt und sich unter schwierigen Bedingungen nach Kolumbien begibt, um Perrini zu suchen. Die amerikanischen Regierungsbehörden wollen zunächst abwarten, was bei den Verhandlungen zwischen terroristischer Guerilla und kolumbianischer Regierung herauskommt und verpflichten Brandt darauf, seine Leute aus dem CIA-Camp abzuziehen. Doch Brandt sieht die Abreise Brewers als gegebenen Anlass, ihn als Lockvogel für die Guerilla und Rechtfertigung für ein militärisches Eingreifen zu benutzen, falls sie Brewer töten oder als Geisel nehmen. El Lobo seinerseits sieht das – aus seiner Perspektive – ähnlich.
Brewer dagegen geht seinen Weg und lässt sich weder durch Gefängnis, noch durch El Lobos Leute von seinem Ziel abbringen. Als er von dessen Leuten festgenommen wird, bleibt er nur am Leben, weil er Perrinis Frau Selena (Francesca Neri) und ihrem Sohn das Leben gerettet hat – meint er jedenfalls. Selena verhilft ihm sogar zur Flucht und erzählt ihm, dass ihr Mann erneut vor hat, diesmal in Washington eine Bombe hochgehen zu lassen. FBI-Agent Brandt ist inzwischen dabei, mit Kampfhubschraubern ein zentrales Guerilla-Lager zu zerstören ...
Vorneweg: Davis Film ist absolut spannend inszeniert und hatte für mich keine Längen. Die Actionszenen sind zwar nichts besonders Neues, aber das ist bei diesem Streifen auch nicht unbedingt so wichtig. Verve kommt in den Film durch die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten: El Lobo, der Kolumbien vom angeblichen oder tatsächlichen Einfluss der USA befreien will und dem dazu jedes Mittel recht ist, einschließlich eines umfassenden Drogenschmuggels, FBI-Agent Brandt, der die andere Seite der Medaille repräsentiert, eine US-Regierung, die taktiert, d.h. die Verhandlungen zwischen kolumbianischer Regierung und Terroristen abwarten will und sich daher vorerst mit den Ermittlungen gegen El Lobo zurückhält, und Feuerwehrmann Brewer, der nur eines zu kennen scheint: Rache.
Der Aufhänger des Films ist offen und hinterhältig zugleich: Der Verlust von Frau und Kind bei einem Terroranschlag ist – erst recht nach dem 11. September 2001 – nun wahrlich keine unrealistische Annahme; die Wut des Ehemanns darüber auch nicht. Die Absicht, der Verantwortlichen für diesen Mord habhaft zu werden, ist sicherlich nicht verwerflich. Aber zugleich ist das alles selbstverständlich ein Köder fürs Publikum: Ist es nicht doch gerechtfertigt, wenn sich einer, der es sich zutraut – und da dürfte man auch bei Schwarzenegger in dieser Rolle und angesichts seiner vorherigen Filme keine Zweifel hegen – sich selbst auf den Weg macht?
Allerdings wird dieser Eindruck durch den Verlauf des Films mehrfach konterkariert. Als das FBI nicht nur die Guerilleros, sondern mit ihnen auch Frauen und Kinder, die in dem Lager El Lobos leben, brutal umbringen, bekommt Brandt von Brewer zu hören, er sei nicht besser als El Lobo selbst. Zudem ist nicht ganz eindeutig, dass Brewer nur von Rache bewegt wird. In einem Gespräch mit Selena wirft diese ihm vor, er sei auch nicht anders als ihr Mann. Brewer antwortet, er sei nicht hinter unschuldigen Zivilisten her, sondern nur hinter Perrini.
Dann wiederum lässt Regisseur Davis die Situation eskalieren, als El Lobo ohne Zögern seinen neuerlichen Bombenanschlag in Washington plant und Brewer – mit Selena und deren Sohn – nach Washington fliegen. Es hat sicherlich nicht nur dramaturgische Gründe, Perrini als einen Mann ohne jegliches Gewissen, krankhaft im Hass, erscheinen zu lassen. Ist das eine charakterliche Verzeichnung von Terroristen, die sich unter der Obhut eines Leninbildes und revolutionären Parolen im Mund einer „Sache“ verschrieben haben, in der sie sich selbst zur Elite des Freiheits- und Befreiungskampfs erklären? Es gab und gibt diese Leute, die nach dem Motto handeln, dass der Zweck jedes Mittel heilige. El Lobo lässt einem seiner Leute, der einen Fehler gemacht hat, fesseln und eine Giftschlange in den Mund einführen, bis dieser erstickt oder an den Folgen des Giftes stirbt. Das klingt absonderlich und vielleicht auch wenig realistisch. Doch Tatsache ist, dass beispielsweise unter dem „Banner des Marxismus-Leninismus“ noch ganz andere Verbrechen bis hin zum Völkermord begangen wurden; man denke etwa – um in der Region zu bleiben – an den „Leuchtenden Pfad“ in Peru, oder an Pol Pot u.a.m.
Auf der anderen Seite die USA. FBI-Agent Brandt, der nicht sehr viel anders denkt als sein Feind El Lobo, bekommt sein Fett weg. Die Regierung bleibt in dem Film im wesentlichen von Kritik ausgenommen, steht manchmal allerdings eher hilflos vor der Situation. Brewer will nur eines: Gerechtigkeit. Dass er sich dabei – zumindest anfangs – nur von Rache leiten lässt, dann aber Zweifel daran bekommt, ob der Gerechtigkeit geholfen ist, wenn man nach dem Prinzip „Auge um Auge“ verfährt: diese Entwicklung wird durch die Schlussszene des Films wieder zurückgefahren: Nur ein toter Terrorist ist ein guter Terrorist?
Der Film hinterlässt ein zwiespältiges Gefühl. Irgendwo stand, das Drehbuch hätte auch George W. Bush schreiben können. Mal abgesehen davon, dass Bush dazu nicht in der Lage wäre, wird die Politik in Washington sowieso von anderen gemacht, die solche Drehbücher für die Wirklichkeit schon oft geschrieben haben. Trotzdem stellt der Film eine wichtige Frage: Darf und soll man Terror durch Terror bekämpfen? Kann Terror nur durch Terror bekämpft werden? Es wird nicht ganz deutlich, ob Davis diese Position vertritt – trotz der Schlussszene.
Aber etwas anderes ist viel wichtiger: Der Film leidet – wie viele US-Filme – an dem Manko, dass über die Hintergründe des Terrorismus nichts, aber auch gar nichts gesagt oder geschildert wird – ob bewusst oder unbewusst sei dahin gestellt. Da wurde in der wirklichen Auseinandersetzung etwa mit Bin Laden selbst in den USA mehr debattiert.
So drückt sich in „Collateral Damage“ vor allem ein Gefühl aus: Das Gefühl einer Nation, in permanenter Bedrohung leben zu müssen, von allen möglichen Gegnern angegriffen zu werden, ein Gefühl der Isoliertheit und des Verlangens nach einer Sicherheit, das geradezu maßlos, in der Tradition der Vereinigten Staaten jedoch tief verwurzelt ist. Diese Maßlosigkeit hat mit Sicherheit eigentlich nichts zu tun, sondern mit „zivilisatorischen“ Überlegenheitsgefühlen, die ihren tieferen Grund noch immer in der Geschichte dieses Landes, nicht nur der Eroberungsfeldzüge, der fast vollständigen Ausrottung der Indianer, der Sklaverei und vielem mehr hat, sondern auch in der Unfähigkeit, die Welt nicht nur mit den eigenen Augen zu sehen, sondern sich in die Situation anderer versetzen zu können.
Diese Mentalität, gewachsen in mehr als zwei Jahrhunderten, ist schwer aufzubrechen, von außen wahrscheinlich schon gar nicht. Vor allem aber ist sie heutzutage verbunden mit einer schier unglaublichen Überzeugung der eigenen Nation von ihrer Größe, einer Nation, für die ihr Patriotismus Ausdruck der Legitimation einer Weltpolizeirolle ist, die sich nicht in militärischen und polizeilichen Maßnahmen erschöpft, sondern auf alle Gebiete der Politik und des gesellschaftlichen Lebens zugreift.
Es fällt mir schwer, diesen Film zu bewerten. Denn man kann sich nach dem 11. September 2001 wohl kaum in die Lage von Menschen versetzen, die dort ihre Angehörigen verloren haben und es nur schwer begreifen können, dass sie Opfer eines Teufelskreises, in dem der Terrorismus nur ein Element darstellt, waren und sind.
Ich vergebe sieben von zehn Punkten, weil ich meine, dass eine Auseinandersetzung über die angesprochenen Punkte nicht nur wichtig ist, sondern dass man sich auch mit der Mentalität einer Nation beschäftigen muss, deren Verurteilung – sei es in moralischer Besserwisserei, sei es in Bestürzung – für sich allein überhaupt nichts bringt. Wenn es richtig ist, dass man z.B. im Palästina-Konflikt den Dialog „bei der Stange“ halten muss, dann kann bezüglich der US-Außenpolitik nichts anderes gelten – so schwer das auch fallen mag. Dasselbe gilt für den viel beschworenen Kampf gegen den Terrorismus. Hic Rhodos, hic salta!
© Bilder: Warner Bros.
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