Der Pate (1972)
Der Pate II (1974)
Der Pate III (1990)
Apocalypse Now (1979)
Dracula (1992)





Der Pate
(The Godfather)
USA 1972, 175 Minuten
Regie: Francis Ford Coppola

Drehbuch: Francis Ford Coppola, Mario Puzo, nach dem Roman von Mario Puzo
Musik: Nino Rota
Director of Photography: Gordon Willis
Montage: Marc Laub, Barbara Marks, William Reynolds, Murray Solomon, Peter Zinner
Produktionsdesign: Dean Tavoularis

Darsteller: Marlon Brando (Don Vito Corleone), Al Pacino (Michael Corleone), Diane Keaton (Kay Adams-Corleone), Richard S. Castellano (Peter Clemenza), Robert Duvall (Tom Hagen), James Caan (Santino „Sonny“ Corleone), Sterling Hayden (Captain McCluskey), Talia Shire (Constanzia „Connie“ Corleone-Rizzi), John Marley (Jack Woltz), Richard Conte (Don Emilio Barzini), Al Lettieri (Virgil „Der Türke“ Sollozzo), Abe Vigoda (Sal Tessio), Gianni Russo (Carlo Rizzi), John Cazale (Frederico „Fredo“ Corleone), Rudy Bond (Ottilio Cuneo), Al Martino (Johnny Fontane), Morgana King (Carmella „Mama“ Corleone), Lenny Montana (Luca Brasi), Appolonia (Simonetta Stefanelli)

Eine Welt der „Gefälligkeiten“

Es ist hell, laut, warm. Massen von Menschen singen, tanzen, lachen. Italienisch wird gesprochen, italienisch wird gelacht, italienisch wird getanzt, Männer, Frauen, Kinder toben durcheinander, essen, trinken, genießen eine Hochzeit. Nur einer steht im verborgenen Dunkel, schreitet ab und zu in die feiernde Menge und kehrt dann in seinen finsteren Raum zurück, drückt die Lamellen seines Rollos auseinander und beobachtet die Hochzeit seiner jungen Tochter Connie (Talia Shire) mit Carlo Rizzi (Gianni Russo), deretwegen alle zum Freudenfest zusammengekommen sind. Don Vito Corleone (Marlon Brando) hält Gericht, empfängt Bittsteller, die für ihr Anliegen Gefälligkeiten aller Art anbieten oder danach fragen, welcher Art sie sein sollen. Don Vito ist der Herr, nicht nur im Haus, sondern in der ganzen Welt, die Francis Ford Coppola uns in seinem nun schon 30 Jahre alten Film vorgeführt hat.

Eine abgeschlossene Welt ist das, eine Welt für sich. Und jeder, der es wagt, in sie hinein zu dringen, ohne um Erlaubnis gefragt zu haben, wird unbarmherzig wieder aus ihr heraus katapultiert, wie der Fotograf, der sich erdreistete, Don Emilio Barzini (Richard Conte), einen anderen Clan-Boss der New Yorker Mafia abzulichten. Don Vitos älterer Sohn Santino, genannt Sonny (James Caan), komplimentiert ihn unsanft hinaus, zerstört seinen Fotoapparat und schmeißt ihm ein paar Dollarnoten vor die Füße, als ob er vor ihm ausspucken würde. Letzteres geschieht dem FBI-Agenten, der vor dem Haus der Corleones im Wagen sitzt.

„Der Pate“ zeigt diese Welt als eine Welt für sich – so, als ob es nichts anderes gäbe als den obersten „Richter“ Don Vito, die Dons der anderen vier Mafia-Clans in New York – und das war’s. In diesen ersten Szenen des Films wird schon die gesamte Struktur dieser eigenartigen Welt aufgedeckt. Wir erlebten gerade Sonny, einen leicht zu erregenden Mann. Auch sein Bruder Fredo (John Cazale) ist anwesend und der jüngste der drei Brüder Michael (Al Pacino), der als Soldat – mit Orden ausgezeichnet – gerade aus dem zweiten Weltkrieg gekommen ist, der in die Geschäfte des Clans nicht verwickelt ist und seine Geliebte Kay (Diane Keaton) zur Hochzeit mitgebracht hat.

Kay weiß nichts über die Machenschaften des Clans, die Geschäfte, die Brutalität und das gegenseitige „Nehmen und Geben“, das System von „Gefälligkeiten“. Michael erzählt ihr eine Geschichte. Sein Vater hatte einem Mann einen Vertrag vorgelegt und ihm für dessen Unterschrift 10.000 Dollar angeboten. Der Mann jedoch verweigerte die Vertragsunterzeichnung. Am nächsten Tag unterzeichnete er und bekam 1.000 Dollar. Kay ist erstaunt und fragt nach. Don Vito hatte dem Mann gesagt, entweder seine Unterschrift oder sein Gehirn würden den Vertrag zieren.

Don Vito fragt nur einmal. Er bittet nur einmal. Von der Antwort hängt zumeist ab, ob die Gefragten ein langes Leben haben werden oder nicht. Don Vito hält Hof. Bittsteller erscheinen während der Hochzeit, der Sänger Johnny Fontane (Al Martino) zum Beispiel, dem ein Regisseur die Hauptrolle in einem Film verweigert hat. Als Johnny zu heulen anfängt, braust Don Vito auf, ein Mann heule nicht. In dieser Welt der Männer, die Gordon Willis so exzellent fotografiert hat, zählt vor allem der Panzer, den man zugelegt hat oder eben nicht, die Panzerung des Körpers. Don Vito hilft dem Sänger. Als der Regisseur sich weiterhin weigert, ihm die Hauptrolle zu geben, findet er eines Morgens den abgeschnittenen blutigen Kopf seines teuren Rennpferdes in seinem Bett. Johnny erhält die Rolle.

Ein anderer Mann, dessen Tochter vergewaltigt wurde, erzählt Don Vito, er sei zunächst, wie es sich für einen anständigen Bürger gehört, zur Polizei gegangen. Was Don Vito ihm darauf sagt, enthüllt schon das gesamte System dieser streng hierarchisch strukturierten, einer eigenen Legalität unterworfenen Sphäre von „Gefälligkeiten“: „Warum sind Sie nicht zuerst zu mir gekommen? Was habe ich eigentlich getan, dass Sie mich respektlos behandeln? Wenn Sie in Freundschaft zu mir kommen würden, würde dieser Abschaum, der ihre Tochter zerstörte, diesen Tag bereuen. Und wenn ein ehrlicher Mann wie Sie sich Feinde machen sollte, dann wären sie auch meine Feinde. Und dann würden diese Feinde Sie fürchten.“

Don Vito hat noch einen Sohn, einen angenommenen, den er wie einen seiner Söhne behandelt, seinen Rechtsbeistand Tom Hagen (Robert Duvall in einer Paraderolle), einen ruhigen, sehr gelassen wirkenden Mann, der nie aufbraust oder aus der Fassung gerät, der sein Geschäft versteht, Don Vitos rechte Hand und Berater. Es ist eine merkwürdige Atmosphäre in diesem Raum, in dem der Pate seine Pläne schmiedet, seine Entscheidungen verkündet. Nein, der Pate ist nicht das, was man gewöhnlich unter einem Diktator versteht. Der Pate ist mitfühlend, familiär, ja die Mafia schwört auf die Familie, er ist nett zu denen, die ihm behilflich sind, und vergisst nicht, was sie für ihn getan haben. Die Mafia, das ist eben auch eine soziale Versorgungseinrichtung nach ganz eigenen Mustern und Regeln. Der Pate als Zentrum handelt nach der Maxime „Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.“ Die Versorgung, das Aufgehobensein funktioniert für die, die sich danach richten, und ihre Familien.

Wehe, allerdings, wenn sich die Zeiten ändern. „Der Türke“ Sollozzo (Al Lettieri) handelt mit Drogen. Die Mafia-Clans wollen auf dieses lukrative Geschäft umsteigen, vor allem Don Barzini – nur Don Vito nicht. Er sieht die Gefahr, dass Familie, Loyalität und Respekt, wie er diese Dinge versteht, durch den Einstieg in das Drogengeschäft zerstört werden. Eine der Höhepunkte des Films ist die Szene, in der er dies vor den anderen Mafia-Bossen vertritt und begründet (ein phantastischer Marlon Brando). Sein Sohn Sonny sieht das anders. Es kommt, zu was es kommen muss: zum Krieg zwischen den Mafia-Familien. Ausgerechnet Sonny wird zum Opfer dieses Krieges – neben den vielen anderen. Don Vito wird schwer verletzt. Und Michael? Er ist die tragische Figur in diesem Spiel. Er entwickelt sich vom nicht in die Geschäfte seines Vaters verwickelten Sohn, vom passiven Zuschauer zur zentralen Figur der Mafia, der einmal ruchloser sein wird als sein Vater.

Es hat Shakespeare’sche Qualitäten, wie Coppola mit einem exzellenten Al Pacino als tragischem Held diese eigentümliche Welt der Mafia aufdeckt, ihre Widersprüchlichkeiten, Brüche, ihr Wertesystem, ihre spezifische Legalität außerhalb der „normalen“ Strukturen, die Verbindungslinien zwischen staatlicher Legalität und Mafia-System veranschaulicht usw. Frauen spielen in dieser Struktur keine Rolle. Sie entscheiden nichts. Von Don Vitos Frau ist nicht einmal der Name bekannt (sie heißt Carmella). Nach dem Mord an Sollozzo und einem korrupten Polizeichef (Sterling Hayden) muss sich Michael in Sizilien verstecken. Dort heiratet er Appolonia (Simonetta Stefanelli). Offenbar liebt er sie, aber warum hat er Kay verlassen? Warum kehrt er zu Kay zurück, nachdem Appolonia einem Bombenanschlag zum Opfer gefallen ist? Welche Bedeutung hatte diese Heirat? Keine? Vielleicht die, dass sie zeigt, wie brüchig das Festhalten an dem „Wert“ Familie in der Mafia ist. Frauen, Kinder, aber auch Männer sind in dieser Struktur mehr oder weniger Funktion, nicht so sehr lebende Menschen mit eigenen Bedürfnissen, die sich vor allem aus Zuneigung zusammentun. Männliche Kinder haben das Erbe der Väter anzutreten, Frauen haben dafür zu sorgen, dass sie diese Erben bekommen und groß ziehen. Das Geschäft ist der zentrale Wert, dem letztlich auch die Familie untergeordnet ist.

Summa summarum: „Der Pate“ ist ein wegweisender Film. Auch wenn Thema dieses Films die Welt der Mafia ist, geht es doch nicht um Dinge, die in der „anderen“ Welt nicht vorkommen würden – im Gegenteil. Trotz des eigentümlichen Charakters dieses „sozialen Systems“ ist es zugleich ein Produkt der „einen Welt“, natürlich mit nachhaltig wirkenden Traditionen und historischen Bezügen aus Sizilien, aber eben nicht im Sinne eines streng abgeschotteten Bereichs. Coppola hat als erster und bis heute für mich unerreicht durch andere Filme, die „Der Pate“ nach sich zog, diese Welt inszeniert und nahe gebracht. Im zweiten Teil aus dem Jahr 1974 konnte sich Coppola in dieser Hinsicht noch steigern – aber dazu ein anderes Mal.



Der Pate 2
(The Godfather: Part II)
USA 1974, 200 Minuten
Regie: Francis Ford Coppola

Drehbuch: Francis Ford Coppola, Mario Puzo, nach dem Roman von Mario Puzo
Musik: Carmine Coppola, C. Curet Alonso, Nino Rota
Director of Photography: Gordon Willis
Montage: Barry Malkin, Richard Marks, Peter Zinner
Produktionsdesign: Dean Tavoularis

Darsteller: Al Pacino (Michael Corleone), Robert Duvall (Tom Hagen), Diane Keaton (Kay Adams-Corleone), Robert de Niro (Vito Corleone), John Cazale (Frederico „Fredo“ Corleone), Talia Shire (Constanzia „Connie“ Corleone-Johnson), Lee Strasberg (Hyman Roth / Stukowski), Michael V. Gazzo (Frankie Pentangeli), G. D. Spradlin (Senator Pat Geary), Richard Bright (Al Neri), Gastone Moschin (Don Fanucci), Tom Rosqui (Rocco Lampone), Bruno Kirby (Clemenza), Frank Sivero (Genco), Francesca De Sapio (die junge Carmella Corleone), Morgana King (Carmella Corleone), Marianna Hill (Deanna Dunn-Corleone), Abe Vigoda (Sal Tessio), Leopoldo Trieste (Signor Roberto), Dominic Chianese (Johnny Ola), Troy Donahue (Merle Johnson), Joe Spinell (Willi Cicci)

I make an offer he don’t refuse

Der zweite Teil von Coppolas Saga über die Geschichte der Familie Corleone ist mit Verlaub das beste Sequel eines Films, das ich je zu Gesicht bekommen habe. Es fällt schwer zu sagen, welcher der beiden Teile besser als der andere ist. Aber das ist auch gar nicht nötig. Drei Stunden und zwanzig Minuten sind für einen (Kino-)Film „eigentlich“ eine Zumutung. Bei „The Godfather: Part II“ empfand ich es jedenfalls nicht so, im Gegenteil, vor allem als eine enorme Bereicherung, was Inszenierung, Charaktere, Bilder und Geschichte angeht. Coppola wagte mit diesem Sequel einiges. Er erzählt – parallel – die Jugend des Paten, gespielt von Robert de Niro, und daneben den Aufstieg seines Sohnes Michael (Al Pacino) ab 1958, seine Bemühungen um eine Erweiterung der Macht der Corleones in Las Vegas und in Kuba kurz vor Ausbruch der Revolution Castros.

Diese parallele Erzählung ist ein schwieriges Unterfangen. Coppola arbeitet hier nicht etwa mit Rückblenden, sondern erzählt die Geschichte zweier Männer, Vater und Sohn, ihren Aufstieg zu mächtigen Mafia-Bossen, als zwei eigenständige Handlungen. Die Tatsache, dass dies gelungen ist, eröffnet die Perspektive des Vergleichs der beiden Biografien bis in Details. Das macht u.a. die Größe dieses Films aus.

Schon der Beginn der Geschichte von Vito Corleone erscheint wie ein Funke, der ein Feuer auslöst, das sich über Jahrzehnte hinweg über die Familie Corleone und weit darüber hinaus ständig ausbreitet. Der spätere Pate wurde geboren als Vito Andolini in dem Ort Corleone in Sizilien. 1901 wurde sein Vater wegen der Beleidigung des führenden Mafia-Chefs ermordet. Vitos älterer Bruder schwor Rache und wollte sich in den Bergen verstecken. Auf dem Weg wird er aus dem Hinterhalt ermordet. Als die Witwe Andolini (Maria Carta) den Mafia-Chef Don Francesco Ciccio (Giuseppe Sillato) anfleht, ihren einzig verbliebenen Sohn Vito zu schonen, weist er sie ruhig, aber unmissverständlich darauf hin, dass der Neunjährige einmal groß werde und sich dann an ihm rächen würde. Daher könne er ihn nicht schonen. Als sie daraufhin ein Messer zieht und es Ciccio an den Hals hält, ergreifen die Männer Ciccios sie und töten sie. Vito kann dem Zugriff der Mafiosi knapp entkommen und flieht mit Hilfe von Freunden nach Amerika, wo er in Ellis Island als Einwanderer ankommt.

In welcher Situation befindet sich Vito 1901? Er hat seine gesamte Familie verloren – ermordet durch einen Mann, der keinen Widerspruch duldet, nichts ungesühnt lässt. Und er hat seine Heimat verloren, in der er ebenso ermordet würde. Das hat Vito, neun Jahre alt, gelernt.

New York scheint der Ort, im allgemeinen Taumel vom Glück des Tüchtigen, der immer eine Chance hat, aufzusteigen. Doch auch in New York herrscht die Mafia in Person von Don Fanucci (Gastone Moschin), einem eitlen, skrupellosen Mafia-Boss. Durch ihn verliert Vito – jetzt 25 Jahre alt – seine Arbeit in einem kleinen Geschäft. Hier lernt er auch Clemenza (Bruno Kirby) kennen und die Methoden, sich als Arbeitsloser mit Kleinkriminalität durchs Leben zu schlagen. Als er Don Fanucci damit in die Quere kommt, für ihn zahlen soll wie jeder im Bezirk, fasst Vito einen Entschluss: Er will Fanucci töten, die einzige für ihn greifbare Möglichkeit voranzukommen und seine Familie zu schützen. Der Mord an Fanucci ist für Vito der Anfang vom Aufstieg zum Mafia-Chef.

1958. Wie schon „Der Pate“, erster Teil, beginnt auch die Fortsetzung der Geschichte von Michael Corleone (Al Pacino) mit einem Fest, der Kommunion seines Sohnes Anthony (James Gounaris). Senator Pat Geary (G. D. Spradlin) hält eine Lobesrede auf Michael Corleone, der dem Staat einen Scheck zur Unterstützung der Arbeit der Universität ausgestellt hat. Die Ausgelassenheit, Freude, das Wiedersehen mit Mama Corleone (Morgana King), Michaels Schwester Connie (Talia Shire), jetzt 31 Jahre alt, seinem älteren Bruder Fredo (John Cazale), dem engen Freund und Berater Tom Hagen (Robert Duvall) und Michaels Frau Kay (Diane Keaton) – das alles ist, wie wir schon aus dem ersten Film wissen, teils trügerische Fassade, teils Ausdruck des Wunschbildes Michaels. Der steht vor einigen Problemen:

Fredo wird mit seiner ständig betrunkenen und mehr als ausgelassenen Frau nicht fertig. Zudem ist ihm deutlich anzumerken, dass seine Stellung in der Familie ihm immer mehr zu schaffen macht. Stets stand er im Schatten seines Bruders Michael. Fredo ist in hohem Maße frustriert.

Connie will schon wieder heiraten, einen Mann, der Michael überhaupt nicht gefällt. Die Tinte auf ihren Scheidungspapieren sei noch nicht trocken, aber sie wolle schon wieder heiraten. Sie würde ihre Kinder nur am Wochenende sehen und ansonsten mit Männern um die Welt fliegen, die sie wie eine Hure behandelten und sich nicht wie Ehemänner um sie kümmerten.

Senator Geary (eine Figur, die wohl dem korrupten Senator Pat McCarren aus Nevada nachempfunden ist) widersetzt sich dem Ansinnen Michaels, die Lizenz für ein Casino zu erwerben, mit Hilfe derer er im Glücksspielgeschäft die Oberhand gewinnen könnte. Eines der berühmten Angebote, das man nicht ausschlagen kann, belehrt ihn später eines besseren.

Auch aus New York droht Michael Ärger. Frankie Pentangeli (Michael V. Gazzo) verlangt von Michael, konkurrierende Mafiosi, die Rosato-Brüder, aus dem Weg zu räumen. Aber Michael lehnt dies ab, denn die Rosatos arbeiten für den mächtigen Mafia-Boss Hyman Roth (Lee Strasberg) aus Miami, mit dem Vito Corleone schon gute Geschäfte gemacht hatte und dem Michael zwar nicht über den Weg traut, der sein Feind ist, den er aber wegen seiner eigenen Pläne zur Ausweitung des Glücksspielgeschäftes und ins Auge gefasster Geschäfte in Kuba nicht gegen sich aufbringen will ...

Aus diesem Gespinst von Abhängigkeiten, Verbindungen, Konflikten, Entscheidungssituationen und Personen zaubern, malen Coppola, Puzo und Gordon Willis ein dichtes, überwältigendes, glaubwürdiges und emotional nahe gehendes Sittenbild einer Familie, parallel erzählt über die Geschichten von Michael und seinem Vater Vito, Vitos Aufstieg zum Mafia-Chef, Michaels Aufstieg zum ruchlosen Mafiosi, der alles verliert, was ihm doch so heilig war: seine engsten Freunde und seine Familie. Zwei Sätze sind für die beiden Männer zentral. Michael drückt das so aus: „Ein Mann, der keine Zeit mit seiner Familie verbringt, ist kein richtiger Mann.“ Und: „Halte deine Freunde nahe bei dir, aber deine Feinde noch näher.“

Coppola schildert diese Familiengeschichte wie den Aufstieg und Fall des römischen Reiches, vergleichbar einer Tragödie Shakespeares. Je mehr Michael Corleone glaubt, alles im Griff zu haben oder unter Kontrolle zu bekommen, je mächtiger er wird, je mehr Widerstände und Feinde er beseitigt, um seine Familie zu schützen und zusammenzuhalten, desto erfolgreicher und größer wird sein Imperium und sein Einfluss und desto mehr zerfällt seine Familie. Fredo wendet sich gegen ihn, Tom Hagen kann am Schluss Michael nicht mehr verstehen, Kay verlässt ihren Mann – obwohl sie ihn noch liebt –, weil sie seine Ruchlosigkeit nicht mehr ertragen kann. Am Schluss bleiben ihm nur noch seine beiden Kinder und seine Schwester.

Al Pacino spielt in einer seiner besten Rollen Michael Corleone als einen Mann, der zwischen der Liebe zu seiner Familie, seiner Frau, seinen Kindern, seinen Geschwistern und dem, was er von seinem Vater gelernt hat und was ihm die Geschichte seiner Familie gelehrt hat, einen Weg sucht, der ihn in die Einsamkeit führt. Die Schlussszene des Films gehört wohl zu den besten der Filmgeschichte. Wir sehen Michael Corleone, einem ruchlosen, seelenlosen, machtkranken, einsamen Gangster, in die Augen; er ist ruhig und schaut in sich hinein, nach dem letzten Mord, den er befohlen hat. Den größten Teil der Familie, die er liebte, hat er zerstört, zum Teil ermordet. In Pacinos Augen sehen wir, ohne dass ein Wort fällt, die ganze Tragödie des Lebens eines Mannes, für den Kontrolle und Macht, Intrige und Mord die einzigen Mittel waren, seine Familie zusammenzuhalten und mit denen er genau das Gegenteil erreichte. Michael Corleone ist vereinsamt auf dem Höhepunkt seiner Macht. Langsam nähert sich die Kamera Al Pacinos Gesicht. Abspann.

Nicht nur in dieser Schlussszene erweist sich Coppolas Meisterwerk als eine Tragödie, die weit über die Geschichte einer Mafia-Familie hinausführt. Coppola nennt die Bedingungen, die das Leben eines Kindes in seiner familiären und sozialen Umgebung prägen, die Schlüsse, die es daraus für sein Leben zieht, die Umstände und Konflikte, in denen sich erweist, ob diese Schlüsse sein eigenes Leben bestimmen sollen, die Möglichkeiten und Alternativen, die sich anbieten, aber oft so schwer zu ergreifen sind, die Umstände, in denen man Schuld auf sich lädt. Die Vielfalt der Beziehungen und die für einen Film unglaubliche Anzahl von Personen, die in einem komplexen und komplizierten Netzwerk miteinander und gegeneinander agieren, fügen sich zu einem Gesamtbild, das trotzdem für den Betrachter völlig durchschaubar bleibt. Noch lange wird man sich an einzelne Personen erinnern können, ihre Namen kennen, ihre Gesichter vor Augen haben – eine Leistung, die Coppola in – nimmt man alle drei Filme zusammen – fast neun Stunden überzeugend und faszinierend inszeniert. Dazu trug natürlich auch die Besetzung bei. Neben Al Pacino sind hier vor allem Robert de Niro, Robert Duvall Diane Keaton, John Cazale und Talia Shire zu nennen, aber auch Lee Strasberg als Hyman Roth und Michael v. Gazzo als Pentangeli.

„Der Pate“, insbesondere dieser zweite Teil der Saga, ist einer jener Filme aus Hollywood, in denen eine glaubhafte Nähe zu den Figuren aufgebaut wird, in denen das Betrügerische, Falsche vieler Produktionen aus der Filmstadt gänzlich vermieden wurde. Gerade die Identifikation mit einer Person wie Michael Corleone ist von einer Ambivalenz geprägt, fernab eines trivialen Gut-Böse-Schemas, die den ganzen Reigen von Gefühlen gegenüber einer Film-Figur einschließt, Wut, Hass, Liebe, Verständnis wie Unverständnis, Hoffnung wie Enttäuschung, Mitgefühl wie Ablehnung. „Der Pate“ ist ein zeitloser Bildbogen, ein Werk, das ich nicht vergessen werde, das im Gedächtnis haftet und im Herzen einen Platz gefunden hat. Der zweite Teil der Geschichte ist eines der wenigen Sequels, die die Qualität des ersten Teils noch einmal erhöhen konnte. Von welchem Sequel kann man das schon sagen? Ein Meisterwerk, das für mich ganz oben auf der „Bestsellerliste“ steht.



Der Pate 3
(The Godfather: Part III)
USA 1990, 162 Minuten
Regie: Francis Ford Coppola

Drehbuch: Francis Ford Coppola, Mario Puzo, nach dem Roman von Mario Puzo
Musik: Carmine Coppola, Jay Livingston, Nino Rota, Archie Bleyer, Lorenz Hart u.a.
Director of Photography: Gordon Willis
Montage: Lisa Fruchtman, Barry Malkin, Walter Murch
Produktionsdesign: Dean Tavoularis

Darsteller: Al Pacino (Michael Corleone), Diane Keaton (Kay Adams), Talia Shire (Constanzia „Connie“ Corleone), Andy Garcia (Vincent Mancini-Corleone), Eli Wallach (Don Altobello), Joe Mantegna (Joey Zasa), George Hamilton (B. J. Harrison), Bridget Fonda (Grace Hamilton), Sofia Coppola (Mary Corleone), Raf Vallone (Cardinal Lamberto), Franc D’Ambrosio (Anthony Corleone), Donald Donnelly (Erzbischof Gilday), Richard Bright (Al Neri), Helmut Berger (Frederick Keinszig), Don Novello (Dominic Abbandando), John Savage (Pater Andrew Hagen), Franco Citti (Calo), Mario Donatone (Mosca), Vittorio Duse (Don Tommasino), Enzo Robutti (Don Licio Lucchesi), Michele Russo (Spara), Al Martino (Johnny Fontane), Robert Cicchini (Lou Penning), Rogerio Miranda (Armand), Carlos Miranda (Francesco), Robert Vento (Pater John)

„Politik und Kriminalität sind ein- und dasselbe“

Nach sechzehn bzw. achtzehn Jahren eine Fortsetzung der beiden ersten Filme über die Familie der Corleones zu drehen, ist ein mutiges Unterfangen. Francis Ford Coppola wagte es, den „Bogen zu Ende zu spannen“. Das Dreiergespann Coppola, Mario Puzo und Gordon Willis machte sich an die Arbeit, der „Aufstieg und Fall“-Tragödie der Familie Corleone ein film-würdiges Ende zu verschaffen, dessen Ausgang an Dramatik sich kaum überbieten lässt. Es ist schwierig, diesen dritten Film zu verstehen, wenn man die ersten beiden Teile nicht kennt. Aber zum Glück der leidenschaftlichen Anhänger der Saga gibt es alle drei Filme à neun Stunden samt Zusatz-DVD mit etlichen Specials jetzt in einer entsprechenden DVD-Box.

Michael Corleone (Al Pacino), alt und grau, ist auf dem Höhepunkt seiner Macht, sein Imperium zu einem gigantischen Wirtschaftsunternehmen geworden. Wie die beiden ersten Filme beginnt auch Teil 3 mit einer Feier, einer Zeremonie der katholischen Kirche, ausgerichtet für den Mafia-Boss, der die vergangenen zwanzig Jahre damit zugebracht hatte zu versuchen, aus der Illegalität seiner Geschäfte herauszukommen. Einer der höchsten Orden, den der Vatikan einem Laien verleihen kann, der St. Sebastian-Orden, wird Michael zuteil.

Seine Kinder sind inzwischen erwachsen. Tochter Mary (Sofia Coppola, Tochter des Regisseurs, ursprünglich sollte Winona Ryder diese Rolle bekommen) leitet die Corleone-Stiftung, die der Kirche einen Scheck über 100 Mio. Dollar zugunsten wohltätiger Arbeit in Sizilien übergibt. Sohn Anthony (Franc D’Ambrosio) allerdings weigert sich, irgendeine Position im Familienkonzern einzunehmen. Mit Hilfe seiner Mutter Kay (Diane Keaton) erreicht er, sich seinen Wunsch zu erfüllen und Opernsänger zu werden. Wir lernen Michaels Neffen, Sohn seines vor Jahren ermordeten Bruders Sonny, Vincent Mancini-Corleone (Andy Garcia) kennen, der seinem Vater sehr ähnlich ist: ein heißblütiger junger Mann, der glaubt, seine Feinde nur durch Mord bekämpfen und besiegen zu können.

Michael selbst versucht, aus dem Mafia-Sumpf herauszukommen und seine Geschäfte zu legalisieren. Dabei gerät er jedoch wiederum in illegale Bereiche. Sein Versuch, sich an dem katholischen Wirtschaftsimperium Immobiliare mit etlichen Hundert Millionen Dollar zu beteiligen, stößt auf den Widerstand anderer Beteiligter, die für die Beteiligung Corleones Anteile an dessen Vermögen verlangen, und auf Korruption innerhalb des Vatikan. Coppola verknüpft hier die fiktive Geschichte der Corleones geschickt mit den realen Vorgängen zur Zeit des Todes Johannes Pauls I. und den Machenschaften der Vatikanbank. Wir lernen Frederick Keinszig (Helmut Berger) kennen, einen der korrupten Männer aus dem Vatikan, und auch die Mafia-Bosse Don Altobello (Eli Wallach) und den skrupellosen Joey Zasa (Joe Mantegna), der sein Geld mit Drogen macht und vor keinem Verbrechen zurückschreckt. Michael nimmt an einer Versammlung der verbliebenen Mafia-Bosse teil, um sie auszuzahlen und damit von ihnen los zu kommen. Die Versammlung endet in einem Blutbad, dass Michael und Vincent nur knapp überleben.

Michael Schwester Connie (Talia Shire), inzwischen eine Frau in mittleren Jahren, hat sich in die Abgeschiedenheit, ins Dunkle, in Michaels Schatten zurückgezogen und spinnt von dort ihre Fäden, vor allem zugunsten von Vincent, der ihr am Herzen liegt. Ihr verdankt es Vincent, dass Michael den jungen Mann an seine Seite stellt, allerdings auch, um ihn besser kontrollieren zu können. Vincent allerdings geht seine eigenen Wege. Nicht nur, dass er sich in Michaels Tochter Mary verliebt (und sie sich in ihn), was Michael nicht passt, weil er Mary dadurch in erhöhter Gefahr sieht. Vincent plant die Ermordung von Joey Zasa und führt sie durch – gegen den Willen Michaels. Und so wird auch Michael Corleone wieder in die kriminellen Machenschaften, von denen er loskommen wollte, hineingezogen – bis zum bitteren Ende ...

In der Gesamtschau der drei Teile des „Paten“ ist Teil 3 sicherlich der schwächste. Das hat mehrere Gründe. Zum einen vermisst man Robert Duvall als Freund, Rechtsanwalt und „Fast“-Bruder von Michael Corleone Tom Hagen. An seine Stelle trat George Hamilton als B. J. Harrison – eher als drehbuchgewollter Statist, denn als Rolle mit glaubwürdigem Charakter. Andy Garcia als der dritte in der Reihe nach Marlon Brando als Vito Corleone und Al Pacino als dessen Sohn kommt den beiden Schauspielern nur ansatzweise nahe, obwohl er wirklich nicht schlecht spielt. Zentrale Figur bleibt aber auch in diesem dritten Teil der Saga Al Pacino, eine unglaubliche Leistung, die er über die Jahre hinweg ohne Einschränkungen erbrachte.

Dazu kommt, dass im Unterschied zu den beiden ersten Teilen der Abschlussfilm der Trilogie im Mittelteil etwas konfus wirkt. Allzu viele Schauplätze und Szenenwechsel nehmen dem Film teilweise die Homogenität des Geschehens, die Teil 1 und 2 so überwältigend machten. Ich hatte auch den Eindruck, dass Coppola sich teilweise zu sehr von Action- und Thriller-Moden leiten ließ, die inzwischen Einzug ins Kino gehalten hatten. Darunter leidet ab und zu die Geschichte.

Sofia Coppola, die für die wohl erkrankte Winona Ryder in die Rolle der Mary einsprang, macht ihre Sache demgegenüber nicht schlecht. Ihre Gespräche mit Andy Garcia und noch mehr die Gespräche und Auseinandersetzungen zwischen Al Pacino und Diane Keaton gehören zu den Höhepunkten des Films. Eine überaus bewegende Szene z.B. ist die, als Kay Michael im Krankenhaus besucht. Michael, an Diabetes erkrankt, liegt mit Schläuchen im Bett. Kay sagt, dass sie ihn zum ersten Mal hilflos sehe. Diese Szene gehört zu den ergreifendsten des ganzen Films. Beide lieben sich noch immer und können dennoch nicht zusammen leben. Die Szene veranschaulicht die Tragik dieser Situation. Ähnliches gilt für die Schlusssequenz des Films, als Michael und Kay Anthony in der Oper zusehen und zuhören, gleichzeitig andere Michaels Tod planen. Vincent, Michael treu ergeben, ist damit beschäftigt, alle Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um das Leben Michaels und seiner Familie zu schützen. Es kommt jedoch zu einer Katastrophe.

Trotz der genannten Mängel fügt sich Teil 3 der Trilogie nahtlos in dieses Epos, diese Familien-Saga der Corleones ein. Die Tragik dieser Familienchronik wird in Teil 3 sogar besonders deutlich, denn der Versuch Michaels, aus der Illegalität herauszukommen, scheitert. Die Sünden und Verbrechen der Vergangenheit kann er nicht vergessen machen oder sich von ihnen loskaufen. Je mehr er glaubt, Kontrolle über das aus der Kriminalität entstandene Imperium zu erlangen, desto tiefer holt ihn die Vergangenheit ein. Vergebung ist nicht käuflich. Der Preis, den er letztlich zahlen muss, hat nichts mit Geld zu tun, sondern mit dem, was er am meisten liebt. Ist er Opfer seiner eigenen Taten, oder ist seine Tragik Ergebnis der Umstände, in die er hineingeboren wurde? Hätte er überhaupt anders handeln können, und wenn ja, wo lagen die Weichen, die er anders hätte stellen müssen? Über die Mafia-Geschichte und die spezifische Mentalität der sizilianischen Tradition, der er entstammt, hinaus verweist die Trilogie – auch in ihrem letzten Teil – auf Fragen, die über die Familienchronik der Corleones hinausführen. „Politik und Kriminalität sind ein und dasselbe“, heißt es im Film. Aber wie steht es mit Macht, Korruption, Intrige, Familie, Kriminalität außerhalb von Politik und organisiertem Verbrechen?



Apocalypse Now (Redux)
(Apocalypse Now Redux)
USA 1979, 153 Minuten, Redux: 2001, 202 Minuten
Regie: Francis Ford Coppola

Drehbuch: John Milius, Francis Ford Coppola, frei nach Joseph Conrads „Das Herz der Finsternis“
Musik: Carmine Coppola, Francis Ford Coppola
Director of Photography: Vittorio Storaro
Montage: Walter Murch, Richard Marks
Produktionsdesign: Dean Tavoularis

Darsteller: Marlon Brando (Colonel Kurtz), Robert Duvall (Colonel Kilgore), Martin Sheen (Captain Willard), Frederic Forrest (Chef, Jay Hicks), Albert Hall (Chief, Phillips), Sam Bottoms (Lance B. Johnson), Laurence Fishburne (Clean), Christian Marquand (Hubert de Marais), Aurore Clément (Roxanne Sarault), Dennis Hopper (Foto-Journalist), Harrison Ford (Colonel Lucas), G. D. Spradlin (General Corman), Jerry Ziesmer (Zivilist, Jerry), Scott Glenn (Colby), Cynthia Wood, Colleen Camp, Linda Carpenter (Playmates), Bo Byers (Sgt. MP #1), Kerry Rossall (Mike aus Diego)

Retrospektive auf einen Jahrhundertfilm

„Krieg ist zunächst die Hoffnung,
dass man selbst besser abschneidet;
als nächstes die Erwartung, dass
der andere schlechter dasteht;
dann die Genugtuung, dass
der andere nicht besser abschneidet;
und schließlich die Überraschung,
dass alle schlechter dastehen als vorher.“
(Karl Kraus)

Einen animalischen Albtraum hat man Francis Ford Coppolas „Apocalypse now“ einmal genannt, eine Reise in das Innere der menschlichen Hölle, in den Urgrund des Bösen in uns. Der Film ist ein Vietnam-Film und er ist keiner. Es gibt kaum einen Krieg, in dem er nicht hätte spielen können. Es gibt kaum eine Zivilisation, in die die Handlung nicht verankert hätte werden können. „Apocalypse now“ ist ein Kriegsfilm und auch keiner. Er lässt eine Ahnung, eine Spur davon zurück, was das, was wir so unzureichend mit dem Wort „Krieg“ zu beschreiben suchen, zwischen Menschen anrichtet – nicht nur im „wirklichen“ Krieg, sondern ebenso in den „zivilisierten“ und „unzivilisierten“ Formen des Krieges in der Zivilgesellschaft und ihrem Alltag.

„Apocalypse now“ ist ähnlich dem „Paten“ ein breit angelegtes Epos. Während „Der Pate“ (Teile 1 bis 3) jedoch als eine Reise durch die Verzweigungen einer Familie und einer mafiösen Sozialstruktur konzipiert ist und eine vertikale (historische) wie horizontale (Sozialgeflecht) Dimension sich die Waage halten, scheint in „Apocalypse now“ die Zeit still zu stehen. Obwohl wie ein Reisebericht konstruiert, den uns mit verhaltener Stimme Captain Willard (Martin Sheen) vorliest, wirkt diese Reise mit dem Patrouillenboot zu Colonel Kurtz (Marlon Brando) wie eine Bestandsaufnahme eines Zustands, eines seelischen, brutalen, skrupellosen, erbärmlichen Status Quo. Und hier treffen sich beide Epen. Denn am Schluss des „Paten“ wie am Ende von „Apocalypse now“ schließt sich ein Kreis am selben Punkt, an dem die Reise begann. Den Figuren hinterlassen diese Reisen kaum eine Spur von Hoffnung. Die Epen enden, wo sie begannen.

Die Apokalypse nimmt keinen Anfang und kein Ende, sie währt, sie dauert. Coppola erweist sich an diesem Punkt als Pessimist, auch wenn man nicht weiß, was die Überlebenden in beiden filmischen Meisterwerken mit ihrem Leben und vor dem Hintergrund der Geschichte ihrer Familie, ihres Landes, ihrer Freunde usw., in der rückschauenden Betrachtung, anfangen werden. Sicher, es gibt in beiden Epen zarte, vage Hinweise, Andeutungen – mehr allerdings auch nicht.

Den Auftrag, den Willard von General Corman (G. D. Spradlin) und Colonel Lucas (Harrison Ford) erhält, kommentiert er mit den Worten: „Ich wollte eine Mission, und all meiner Sünden wegen gaben sie mir eine.“ Willard soll mit einem Patrouillenboot die Flüsse hinauf zur kambodschanischen Grenze, um den für verrückt erklärten, hoch dekorierten, aber abtrünnigen Colonel Kurtz zu liquidieren. Die Akte über Kurtz nimmt Willard mit. Nach und nach informiert er sich über diesen Mann, den das Grauen des Krieges offenbar zu einem Psychopathen werden ließ. Willards Crew, gegenüber der der Auftrag lange Zeit geheimgehalten bleibt, besteht aus dem afroamerikanischen Steuermann Chief (Albert Hall), einem ehemaligen Taxifahrer, der das Boot nicht nur sicher durch die Flüsse lenken, sondern auch auf seine drogensüchtigen Kameraden aufpassen muss, nämlich Chef (Frederic Forrest), einen ehemaligen Gourmet-Koch, den jungen Clean (Laurence Fishburne), einen Teenager aus der Bronx, und Lance (Sam Bottoms), einen Sonnyboy aus Kalifornien.

Ihre erste Station ist ein Kampfgebiet, in dem Colonel Kilgore (Robert Duvall) die Befehle gibt. Als der erfährt, dass Lance auch Surfer ist, lässt er ihn und andere während des Angriffs auf ein vietnamesisches Dorf nach der Landung dort in den hohen Wellen surfen. Der Angriff selbst, von Hubschraubern aus, wird auf Kilgores Geheiß mit Wagners Walkürenritt musikalisch untermalt. Kilgore liebt den Geruch von Napalm, sagt er, und erweist sich als ebenso psychopathischer Offizier, wie man es von Kurtz berichtet.

Auch die nächste Station Willards ist eine Station auf einem Weg des Grauens. Mitten im Urwald feiern US-Einheiten zur Musik der Rolling Stones („I can't get no satisfaction“) eine Show mit dancing girls. Das „amerikanische Lebensgefühl“ soll in der Hölle reproduziert werden. Auf ihrer Weiterfahrt knallen sie sinnlos eine ganze vietnamesische Familie auf einem Boot ab. Willard selbst gibt der einzigen überlebenden Frau den Rest, weil er kein Risiko eingehen will, dass die Nordvietnamesen oder der Vietcong ihn an der Erfüllung seines Auftrags hindern. Clean stirbt bei einem Angriff.

Sie landen bei einer französischen Einheit, deren Mitglieder, Soldaten wie Zivilisten, auf wundersame Weise an einem versteckten Platz im Dschungel ihre „Heimat“ errichtet haben, wie sie es nennen. Clean wird begraben. In einer langen, erregten Debatte zwischen den Franzosen und Willard, der allerdings fast nur zuhört, kommt es zum Streit. Die schöne Roxanne (Aurore Clément) verführt Willard. Dem „verlorenen Soldaten“ erklärt sie: „Zwei Seelen wohnen in dir, eine die tötet und eine die liebt.“

Ein Speer tötet Chief. Wenig später treffen Willard, Lance und Chef auf einen völlig durchgeknallten Fotojournalisten (Dennis Hopper), der von Kurtz schwärmt wie ein Irrer von einen anderen.

Kurtz weiß längst, warum Willard zu ihm geschickt wurde. „Sie sind ein Laufbursche, von Kolonialwarenhändlern geschickt, um die Rechnung vorzulegen.“ Kurtz lebt in einer Gesellschaft des Todes. Überall Leichen, aufgespießte Köpfe. Die Gewalt beherrscht eine Gesellschaft, in der die Vietnamesen sich mit weiß gemalten Gesichtern wie ihre Vorfahren bewegen. Willard scheint keine Chance zu haben, diesen Ort der Welt jemals wieder verlassen zu können, zumal Kurtz Chef den Kopf abgeschlagen und diesen Willard zwischen die Beine geworfen hat ...

Willard ist letztlich die Hauptfigur in dieser apokalyptischen Fahrt durch die Hölle. Er, längst heimatlos geworden, in seinen Gedanken versunken, auf eine zutiefst erschreckende Weise hilflos, ohnmächtig und verloren und dadurch zugleich immer noch gefährlich und unberechenbar. Als er sieht, dass auf dem Boot eine Vietnamesin noch lebt, nach dem Massaker, die nichts weiter versteckt hielt als einen Welpen, knallt er sie ab. Er beweist das, was ihm Kurtz wenig später in seinem langem Monolog, im Halbschatten, halb im Dunkeln, halb im Licht, zu erklären versucht, ohne es erklären zu können, weil es nichts zu erklären gibt: „Das Grauen. Das Grauen hat ein Gesicht. Und man muss sich das Grauen zum Freund machen. Das Grauen und der moralische Terror sind deine Freunde. Falls es nicht so ist, sind sie deine gefürchteten Feinde“ (der Monolog ist unten vollständig wiedergegeben [1]).

Willard fährt zu den Quellen des Horrors, des Wahnsinns, der dunklen Seite seiner Seele und der dunklen Seite der Zivilisation. Er sieht, wie Soldaten angesichts des überwältigenden Horrors, zu dem sie selbst maßgeblich beitragen, verzweifelt und ohne irgendeine Chance auf Erfolg eine Normalität des Zu-Hause-Seins inszenieren wollen, wie sie eine Show veranstalten, Willard und seinen Leuten bereitwillige Mädchen zur Verfügung stellen. Er sieht aber auch – als wenn es ein Albtraum im Albtraum wäre – eine Insel der vorherigen Kolonialmacht Frankreich, eine Truppe Heimatloser, die weder weggehen, noch wirklich da bleiben können, die sich einbilden, ein Zuhause in der Verlorenheit errichten zu können, die mit ihrer Vergangenheit nicht fertig werden und sehen, wie ihre Nachfolger, die Amerikaner den gleichen Kreislauf durchlaufen wie sie selbst, nur noch brutaler.

Das Lager von Kurtz ist der Höhepunkt der apokalyptischen Vision, die zur Realität geworden ist. Schon der Speer, der Chief tötet, deutet den Rückbezug auf eine Barbarei an, die nichts anderes war als der Beginn der Zivilisation. Ganz anders und doch ähnlich wie Kubrick in der Anfangssequenz von „2001: A Space Odyssey“, „entdecken“ wir und Willard hier die Ursprünge einer Kultur, die das Werkzeug als verlängerten Arm erfand und damit direkt einhergehend als Waffe gegen sich selbst, gegen die eigene Spezies. Die Vietnamesen haben ihre Kleidung, ihre Uniformen abgelegt, sich angemalt wie ihre Vorfahren. „This is the end, my friend“, singen die „Doors“. Das Ende und der Anfang zugleich.

Die gespenstische Stille im Dschungel, der nicht mehr für sich selbst, sondern für den Dschungel des Lebens steht, in dem Kurtz seine letzten Tage verbringt, drückt die Perversion dessen aus, was Zivilisation ausmacht. Nicht die Menschenrechte, irgendein humaner Forschritt oder dergleichen herrschen hier, sondern der Krieg gegen den Krieg, den Kurtz mit aller Brutalität führt. Die Zivilisation wendet sich gegen sich selbst und erfüllt doch zugleich ihr ureigenes Anliegen: die Herrschaft des Menschen über den Menschen, über die Natur, über das Dasein. Willard ist Augenzeuge, Täter und Opfer zugleich. Er tötet Kurtz wie die Vietnamesen den Ochsen in einer Opferzeremonie, mit einer Machete. Der Mythos des (religiösen) Opfers aber verkommt zum Eingeständnis der völligen Unterordnung unter die Regeln der kriegerischen Gesellschaft, als die sich die Zivilisation letztlich erweist. Aus dem Kult der Vorfahren wird der Kult des Todes.

Die DVD
Die DVD enthält die zusätzlichen 49 Minuten der Redux-Fassung, die Coppola mit seinem Cutter Walter Murch und unter Zuhilfenahme von Eleanor Coppolas Tagebuch der ursprünglichen Fassung hinzufügte. Die wichtigsten Szenen, die gegenüber der Originalfassung von 1979 eingearbeitet wurden, sind die Plantagenszene mit den Franzosen, die Sequenz mit den Playboy-Bunnies, eine Szene, in der Kurtz Willard aus der Presse über den Vietnam-Krieg vorliest sowie etliche kleinere Ergänzungen [2]. Zusätzlich enthält die DVD ein von Coppola kommentiertes Special „Destruction of Kurtz compound“, eine Szene, wie der Film hätte auch enden können, sowie den US-Kinotrailer.

„Apocalypse Now Redux“ besticht noch mehr als die ursprüngliche Fassung durch seine kompromisslose Darstellung dieses Gangs durch die Hölle. Die zivilisationskritische Tendenz des Films schätze ich ebenso hoch ein wie die von Kubricks „2001: A Space Odyssey“. Die zusätzlichen 49 Minuten passen sich meinem Gefühl nach nahtlos in die ursprüngliche Fassung ein, vertiefen die Aussage des Films. Coppola schuf damit neben dem „Paten“ ein weiteres Meisterwerk der Filmgeschichte

[1] Kurtz Monolog: „Das Grauen. Das Grauen hat ein Gesicht. Und man muss sich das Grauen zum Freund machen. Das Grauen und der moralische Terror sind deine Freunde. Falls es nicht so ist, sind sie deine gefürchteten Feinde. Als ich bei den Green Berets war ...

Wir gingen in ein Lager, um einige Kinder zu impfen. Wir verließen das Lager, nachdem wir die Kinder gegen Polio geimpft hatten. Da kam ein alter Mann hinter uns hergelaufen, und er weinte ... Wir gingen in das Lager zurück. Sie waren inzwischen gekommen und hatten jeden geimpften Arm einfach abgehackt. Sie lagen auf einem Haufen ... Und ich erinnere mich, wie ich schrie, ich weinte wie ein altes Waschweib. Ich wollte mir die Zähne herausreißen, wusste nicht mehr, was ich tun wollte. Und ich will mich daran erinnern. Ich will es niemals vergessen. Ich will niemals vergessen.

Und dann war mir, als würde ich durchbohrt, durchbohrt von einer diamantenen Kugel, direkt durch die Stirn. Und ich dachte, mein Gott, diese Schöpferkraft, dieses Genie dieser Wille, das zu vollbringen. Vollkommen, unverfälscht, vollendet, kristallen, makellos. Und dann wurde mir klar, dass sie viel stärker als wir waren. Weil sie alles ertragen konnten. Das waren keine Ungeheuer, geschulte Einheiten. Diese Männer, die mit ihrem Herzen kämpften, die Familien haben, Kinder, die erfüllt sind von Liebe. Dass sie die Kraft haben, die Kraft, das zu vollbringen. Wenn ich aus solchen Leuten bestehend zehn Divisionen hätte, dann wären wir unsere Sorgen hier rasch los. Denn dazu gehören Männer, die Überzeugungen haben. Und die dennoch imstande sind, ohne Hemmungen, ihre ursprünglichen Instinkte einzusetzen, um zu töten. Ohne Gefühl, ohne Leidenschaft. Vor allem ohne Strafgericht, ohne Strafgericht. Denn es ist das Strafgericht, was uns besiegt.

Mich beunruhigt der Gedanke, dass mein Sohn vielleicht nicht verstehen wird, worum es mir wirklich ging. Und falls ich getötet werden sollte, Willard, möchte ich, dass jemand zu mir nach Hause geht und es meinem Sohn erzählt. Alles. Alles, was ich getan habe. Alles, was sie gesehen haben. Denn es gibt nichts, was ich mehr verabscheue als den Gestank von Lügen. Und wenn Sie mich verstehen, Willard, werden sie das für mich tun.“

[2] Interessant in diesem Kontext ist das Buch des englischen Filmpublizisten Peter Cowie: „'The Apocalypse Now' Book, Faber and Faber, London 2001, das die Produktions- und Wirkungsgeschichte des Films aufarbeitet.



Dracula (Bram Stoker’s Dracula)
(Dracula)
(Originalfassung)
USA 1992, 130 Minuten
Regie: Francis Ford Coppola

Drehbuch: James V. Hart, nach dem Roman von Bram Stoker
Musik: Wojciech Kilar
Director of Photography: Michael Ballhaus
Montage: Anne Goursaud, Glen Scantlebury, Nicholas C. Smith
Produktionsdesign: Thomas E. Sanders

Darsteller: Gary Oldman (Prinz Vlad Dracula), Winona Ryder (Mina Murray / Elisabeta), Anthony Hopkins (Prof. Abraham Van Helsing / Ships Captain / Cesare), Keanu Reeves (Jonathan Harker), Richard E. Grant (Dr. Jack Seward), Cary Elwes (Lord Arthur Holmwood), Bill Campbell (Quincey P. Morris), Sadie Frost (Lucy Westenra), Tom Waits (R. M. Renfield), Monica Bellucci (Draculas Braut), Michaela Bercu (Draculas Braut), Florina Kendrick (Draculas Braut), Jay Robinson (Mr. Hawkins), I. M. Hobson (Hobbs), Maud Winchester (Mädchen)

Take her blood and love !!

Vampirfilme haben mich nie sonderlich interessiert. Nicht nur, dass ich mich nie gruselte – die Geschichten waren mir zu fade, eintönig, the same procedure in every movie. Da bot sich mir heute die Gelegenheit, Coppolas „Dracula“ im Rahmen einer Werkschau für den Kameramann – welch schreckliches Wort: für den Director of Photography Michael Ballhaus in der Originalfassung ohne Untertitel anzuschauen. Ballhaus drehte mehrfach für Scorsese („Die Farbe des Geldes“, 1986; „Die letzte Versuchung Christi“, 1988; „Good Fellas“, 1990; „Zeit der Unschuld“, 1993; demnächst „Gangs of New York“), für Coppola, Barry Levinson („Sleepers“, 1996), Wolfgang Petersen („Air Force One“, 1997), Robert Redford („Die Legende von Bagger Vance“, 2000) und natürlich in den 70er Jahren für Rainer Werner Fassbinder („Warnung vor einiger heiligen Nutte“, 1971; „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“, 1972; „Faustrecht der Freiheit“, 1975; „Die Ehe der Maria Braun“, 1979; „Lili Marleen“, 1981). Ballhaus ist für Scorsese der beste Director of Photography der Welt. Also rein ins Vergnügen?

1462. Der rumänische Fürst Vlad Dracula (Gary Oldman) besiegt die türkische Armee. Das Schlachtfeld ist übersät mit auf Lanzen aufgespießten Leichen. Die Türken rächen sich bitter. Sie lassen Draculas geliebter Braut Elisabeta (Winona Ryder) die Nachricht zukommen, er sei ums Leben gekommen, woraufhin die Gegrämte sich aus dem Fenster stürzt und stirbt. Dracula ist entsetzt, erbost, verflucht Gott für dieses Schicksal, rammt sein Schwert in das Kreuz und trinkt von dem Blut, das angesichts dieses Frevels in seinem Schloss in Transsylvanien aus allen Ecken fließt. Ab diesem Zeitpunkt irrt Dracula als Untoter durch die Weltgeschichte.

1897. Der junge Anwalt Jonathan Harker (Keanu Reeves), auf dem besten Weg, Karriere zu machen, soll nach Rumänien reisen, um mit einem Grafen die Verträge für dessen Grundstückskäufe in England auszuhandeln. Der Graf, kein anderer als Dracula um gut 400 Jahre gealtert, dafür allerdings noch sehr rüstig, trotz faltigem Gesicht, langen Fingernägeln und blutroten Augen, wie es sich für einen anständigen Vampir gehört, hält Harker gefangen, nachdem er ein Bild von dessen Verlobter Mina (Winona Ryder) gesehen hat. Die gleicht wie ein Ei dem anderen Draculas verblichener Elisabeta. Und ab nun ist unser Vampir nicht mehr zu bremsen. Erst machen sich seine drei attraktiven, aber nichtsdestotrotz blutgierigen Bräute (Monica Bellucci, Florina Kendrick, Michaela Bercu) über den zunächst noch ahnungslosen Jonathan her, der nur knapp ihrem Durst entkommt. Dann ist Dracula plötzlich verschwunden und taucht als jugendlich gelifteter, langmähniger und mit einer dunklen Brille und Hut ausgerüsteter Fremder in London auf, um Mina zu becircen. Die ist gerade damit beschäftigt gewesen, mit ihrer äußerst sehenswerten Freundin Lucy (Sadie Frost) ein paar klassische Darstellungen des Geschlechtsakts anzuschauen. Beide träumen von der großen Liebe.

Dracula bleibt nicht lange inkognito. Der Arzt und Vampirjäger Professor Abraham (Anthony Hopkins) ist ihm schon auf den Fersen. Mit seinen Helfershelfern Dr. Seward (Richard E. Grant) und Quincey (Bill Campbell) kann er allerdings nicht verhindern, dass Dracula Lucy auf dem Friedhof beißt.

Harker kann sich inzwischen aus dem rumänischen Schloss befreien und Mina eine Nachricht zukommen lassen. Die ist hin- und hergerissen zwischen dem gelifteten Grafen und ihrem jungen Geliebten. Als sie sich nach Rumänien begibt, um Harker dort zu ehelichen, ist Dracula vor Gram gebeugt. Schließlich haut er auch Mina seine Zähne in den Hals, die das über sich ergehen lässt. Abraham, Harker und die anderen begeben sich mit dem Zug nach Transsylvanien, um dem Spuk ein Ende zu machen ...

Puh!! Ich kenne diese Geschichte, in welcher Abwandlung auch immer, schon in- und auswendig. Und auch Coppolas Inszenierung nach einem Roman von Bram Stoker bietet nicht allzu viel Neues in dieser Hinsicht. Coppola erzählt die Geschichte von Dracula vor allem unter dem Gesichtspunkt der verloren gegangenen Liebe, der Sehnsucht nach dem Lebendigwerden der Geliebten, die Dracula in Mina zu erkennen glaubt. Ganz so ernst scheint allerdings auch Coppola seine Beschäftigung mit dem nicht tot zu kriegenden Grafen nicht zu nehmen. Nachdem Seward auf Anweisung Abrahams die berühmten Pfähle in Lucys „ver-vampirten“ Körper gestoßen hat und ihr der Kopf abgeschlagen wurde, um die bedauernswerte Untote in den ewigen Jagdgründen ihre Ruhe finden zu lassen, wechselt das Bild zu einem Geflügelbraten.

Ballhaus filmte in teilweise rasanten Schnitten die mit etlichen special effects ausgestatteten Sequenzen. Schon die Eingangsszene ist beeindruckend bebildert: Ein Dracula nach der Schlacht gegen die Türken, sitzt auf dem Schlachtfeld. Vor ihm aufgespießte Feinde vor einem blutroten Hintergrund. Dracula wechselt die Formen, mal gealterter Graf, mal eine Mischung zwischen Fledermaus und Kröte, mal einfach nur Rauch, der sich seinen Weg durch die Ritzen und Schlitze bahnt, mal Wolf, der über Lucy auf dem Friedhof herfällt. Ein großartiger Gary Oldman, der Dracula zwischen der endlosen Verzweiflung über den Tod seiner Braut Elisabeta, den er nie verwinden wird, und der blutrünstigen Brutalität ansiedelt, wo er wohl hingehören mag.

Hopkins spielt einen abgebrühten, nüchternen Vampirjäger, der sich durch nichts von seinem Ziel abbringen lässt – schon gar nicht von Gefühlen, die im Kampf gegen die Untoten nur stören und den Erfolg gefährden. Reeves spielt den Bräutigam Minas sehr verhalten, fast kalt.

Der Geschichte fehlt es an allen Ecken und Enden an Logik. Warum sich eine bildhübsche junge Frau, die noch kein Vampir ist, in einen Grafen wie Dracula verliebt, bleibt ein Geheimnis des Drehbuchs. Warum Dracula überhaupt Grundstücke in London kaufen will, ist ebenso unerklärlich. Coppola verzichtet zugunsten von Vampir-Action auf eine geschlossene und schlüssige Handlung. Dafür ist der Film, was Ausstattung, düstere, kerzenlichtbestimmte Atmosphäre und Kostüme betrifft, gut bestückt. Andeutungen sexueller Freizügigkeit und ein im Gefängnis sitzender Gehilfe Draculas, der verrückte Renfield, überzeugend gespielt von Tom Waits, ergänzen Coppolas Interpretation der Vampirgeschichte.

Gut zwei Stunden Vampirismus. Mir war das etwas zu lang, aber das ist eine Geschmacksfrage. Langweilig war „Dracula“ nicht. Der Streifen ist exzellent gefilmt, die Besetzung ist im wesentlichen überzeugend und vor allem Gary Oldman legte einen Dracula hin, wie er eigentlich jedem Fan des Genres gefallen müsste. Mir allerdings reicht es für die nächste Zeit mit Blutsaugergeschichten.


 

Der Pate I-Filmplakat
Der Pate I-1
Der Pate I-2
Der Pate II-Filmplakat
Der Pate II-1
Der Pate II-2
Der Pate III-Filmplakat
Der Pate III-2
Der Pate III-1
Apocalypse Now-Filmplakat
Apocalypse Now-1
Apocalypse Now-2
Dracula-Filmplakat
Dracula-2
Dracula-1