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Todesengel (Spår I mörker) Schweden, Dänemark, Norwegen, Deutschland 1997, 88 Minuten Regie: Morten Arnfred
Drehbuch: Rolf Börjlind, Maj Sjöwall, Per Wahlöö Musik: Ulf Dageby Director of Photography: Eric Kress Montage: Morten Giese Produktionsdesign: Lasse Westfelt
Darsteller: Peter Haber (Martin Beck), Mikael Persbrandt (Gunvald Larsson), Stina Rautelin (Lena Klingström), Per Morberg (Joakim Wersén), Rebecka Hemse (Inger), Ingvar Hardball (Becks Nachbar), Cecilia Häll (Annika), Carlo Schmidt (Erik Lindgren)
Der Lockvogel (Decoy Boy) Schweden, Dänemark, Norwegen, Deutschland 1997, 88 Minuten Regie: Pelle Seth
Drehbuch: Rolf Börjlind, Maj Sjöwall, Per Wahlöö Musik: Ulf Dageby Director of Photography: John Christian Rosenlund Montage: Felix Herngren Produktionsdesign: Lasse Westfelt
Darsteller: Peter Haber (Martin Beck), Mikael Persbrandt (Gunvald Larsson), Stina Rautelin (Lena Klingström), Figge Norling (Benny Skacke), Per Morberg (Joakim Wersén), Rebecka Hemse (Inger), Ingvar Hirdwall (Becks Nachbar), Niklas Falk (Richter Lagerfeldt), Oskar Löfkvist (Aron), Lamin Touray (Nicklas), Roderyk Mundenius (Paaren), Stefan Roos (Keith Karlsson)
Mittelmaß
„Der Lockvogel” (1997) und „Todesengel” (1997) sind zwei gute oder, wenn man will, schlechte Beispiele für verkorkste Kriminalfilme aus der Reihe um den Stockholmer Kommissar Beck. Ich mag Peter Habers Darstellung von Beck, denn Haber spielt ihn – wie in schwedischen Krimis oft üblich (etwa bei den Wallander- oder van Veeteren-Filmen) – als Einzelgänger und Eigenbrötler mit Teamgeist. Auch in diesen beiden Verfilmungen der Krimis von Maj Sjöwall und Per Wahlöö, von denen die Charaktere stammen (die Drehbücher schrieb Rolf Börjlind), ist Haber, wenn man so will, die glänzende Hauptfigur, ein Eigenbrötler, der manches Mal riskant ermittelt und dabei auch Fehler macht, ein Mann, der Probleme mit seiner rebellischen, temperamentvollen Tochter Inger (Rebecka Hemse) hat und sich von ihr nicht nur einmal um den Finger wickeln lässt. Aus diesem Grund bekommt Beck auch Probleme mit seiner Ex-Frau und Mutter Ingers, Kerstin (Bergljót Arandóttir).
Doch das alles kann über die mageren Storys der beiden Filme kaum hinwegtäuschen.
DER LOCKVOGEL Beck ist sauer. Sein Vorgesetzter Wersén (Per Morberg) wollte im Fall eines wegen Mordes verdächtigen Mannes eine schnelle Anklage und übergab den Fall Becks Meinung nach zu früh an die Staatsanwältin Lindgren (Mia Benson). Beck hatte Wersén gebeten, noch einen Monat länger ermitteln zu können, weil die Beweislage äußerst dürftig war. Das Ergebnis: Der Beschuldigte muss auf freien Fuß gesetzt werden.
Da steht Beck schon vor dem nächsten Mordfall. In einer Müllverbrennungsanlage sieht ein Arbeiter menschliche Körperteile. Er kann nicht mehr verhindern, dass die Leiche verbrannt wird. Die Polizei findet nur noch Reste des Gebisses und schließt auf einen sehr jungen Menschen, der da umgekommen ist. Aus den Vermisstenanzeigen der letzten Zeit schließen Beck, Larsson (Mikael Persbrandt) und Lena (Stina Rautelin) auf einen 15jährigen Jungen aus Uganda, ein Adoptivkind namens Paaren (Roderyk Mundenius). Sie erfahren, dass Paaren sich meist in einer Spielhölle namens „Laserworld” aufgehalten hatte. Kurze Zeit später entdeckt man eine zweite Leiche, den jungen Nicklas (Lamin Touray). Auch er hielt sich in „Laserworld” auf. Die Gerichtsmedizin stellt fest, dass Nicklas kurz vor seinem Tod Oralsex gehabt und erbrochen hatte.
Beck glaubt an ein Sexualverbrechen. Und Lena ermittelt im Internet eine Newsgroup für Pädophile. Auf einem der Bilder dort sind Nicklas, Paaren und ein dritter Jugendlicher zu sehen. Lena findet auch einen anonymen Server, über den die Bilder verbreitet werden. Die Spur führt zu Keith Karlsson (Stefan Roos), der sich ebenfalls in der Spielhölle am Rande der Stadt aufhält. Doch kurz bevor Beck Keith noch einmal vernehmen können, finden sie ihn, mit einer Schere quer im Schädel ermordet. Die Festplatte seines PCs hat der Mörder gelöscht.
Als man den dritten Jungen, Aron (Oskar Löfkvist) ausfindig macht, schlägt Gunvald Larsson vor, den Jungen als Lockvogel einzusetzen. Denn inzwischen hat man Kontakt über die anonyme E-Mail-Adresse mit dem vermeintlichen Mörder. Doch die Lockvogelaktion geht gnadenlos schief. Hat der Mörder auch Aron getötet? Wersén ist wütend auf Beck. Und wie soll Beck jetzt weiter operieren? ...
TODESENGEL Endlich Urlaub. Wie lange war Beck nicht mehr in den Ferien? Nun ist er mit Lena, mit der er liiert ist, auf dem Weg raus aus Stockholm, um ein paar Tage mit ihr zu genießen. Lena redet von Mord, Beck von Urlaub. Lena will die Kollegen jetzt nicht allein lassen, Beck ist deswegen sauer. Ein furchtbarer Mord ist passiert.
In einem Stockholmer U-Bahn-Schacht war plötzlich das Licht ausgegangen. Ratlosigkeit bei den Fahrgästen, die absolut nichts mehr sahen. Plötzlich wurde einer Frau, die auf einer Bank saß, der Kopf abgeschlagen. Lena und Beck kehren zurück nach Stockholm. Beck ist sauer und schlecht gelaunt. Kurze Zeit später geht wieder das Licht aus. In einer U-Bahn geht der Fahrer, ein Mann namens Erik Lindgren (Carlo Schmidt), durch die Abteile und versucht, die Fahrgäste zu beruhigen. Er geht weiter. Als er zurückkehrt, findet er einen Alkoholiker mit durchschnittener Kehle. Von einem Täter fehlt jede Spur.
Die Polizei lässt für die Nächte das U-Bahn-System schließen. Man tippt auf einen Psychopathen. Als man Lindgren vernehmen will, ist der spurlos verschwunden. Hat Lindgren etwas mit den Morden zu tun? Und: Wie konnte der Mörder in absoluter Dunkelheit überhaupt seine Opfer so präzise enthaupten? Benutzte er ein Nachtsichtgerät? Und wie konnte er völlig unerkannt verschwinden?
Beck erfährt von den Verantwortlichen der U-Bahn, dass Lindgren im Rahmen einer Weiterbildung Zugang auch zu vertraulichen Informationen und Daten hatte. Und noch ein Indiz finden die Polizeibeamten: An den Tatorten befand sich jeweils das Zeichen „X-C” an Wände gesprüht. Lena findet heraus, dass dies ein im Internet geläufiger Code für Tod ist. Als drei weitere Morde geschehen, lässt die Polizei die U-Bahn völlig schließen. Wersén lässt das Tunnelsystem von einer Spezialeinheit durchkämmen – ohne Erfolg. Er glaubt an religiöse Fanatiker als Täter. Doch Beck bezweifelt dies. Durch Zufall kommt er auf die Idee, Lindgren könne sich in einem ausrangierten U-Bahn-Wagen versteckt haben. Und dort findet er den ängstlichen jungen Mann auch. Lindgren erzählt Beck von einer Gang, die auch ihn bedrohe – und seine Schwester Annika (Cecilia Häll), die sich ebenfalls vor der Polizei verbirgt ...
Beide Filme entwickeln nur mäßig Spannung. Das hat seinen Grund vor allem darin, dass die Drehbücher die Geschichte nicht vorantreiben und mit den berühmten Windungen und Wendungen arbeiten, die das Publikum zum Spekulieren mal in diese, mal in jene Richtung ermuntern, sondern sozusagen „um den heißen Brei herumreden”. Obwohl die Handlung eine innere Logik hat, geraten beide Geschichten doch rasch in ein Fahrwasser, in dem die Offenlegung der Täterschaft für die Morde sozusagen nur hinausgezögert wird, ohne dass dadurch Spannungselemente entstehen würden.
In „Der Lockvogel” etwa gibt es bis fast zum Schluss nicht einen wirklich Verdächtigen. Dessen Aufdeckung dagegen ist keine wirkliche Überraschung. Man präsentiert einen Täter, statt auf ihn dramaturgisch hinzuarbeiten und das Publikum dabei mitzuziehen. Der Täter wird so zum Deus ex machina. Im Verlauf der gesamten vorhergehenden Handlung spielt er keine Rolle, taucht nur ganz am Anfang in einem unwichtigen Kontext auf.
In „Todesengel” verhält es sich ganz ähnlich. Die Handlung schwankt immer wieder hin und her zwischen dem U-Bahnfahrer, von dem man sowieso nicht glaubt, dass er etwas mit den Morden zu tun haben könnte, dessen Schwester, von der man nur weiß, dass sie etwas weiß, und der Polizeiarbeit, die nicht als besonders spannend dargestellt wird. Das Banalste der Geschichte ist allerdings die Auflösung des Falls selbst. Sie fußt auf einem faustdicken, noch dazu motivlosen, ja man kann sogar sagen unerklärbaren Volksvorurteil: Eine Gruppe Jugendlicher hat ein Computerspiel namens „Final Doom” in die Realität umgesetzt und – ausgestattet mit Nachtsichtgeräten und Waffen – wahllos Menschen in den U-Bahnschächten ermordet. Nicht die Spur einer Erklärung für dieses Verhalten präsentiert der Film. Noch schlimmer: Er leistet eben jenem Vorurteil Vorschub: Wer zu viel am PC Counterstrike oder ähnliches spielt, kann irgendwann Fiktion und Realität nicht mehr voneinander trennen respektive: wird zum Gewalttäter. Gewalt entsteht nach dieser unhaltbaren und selbst in den einschlägigen Wissenschaften längst nicht mehr vertretenen Hypothese nicht in den Strukturen der Gesellschaft unter bestimmten kollektiven und individuellen Voraussetzungen, sondern kommt sozusagen „aus dem Bildschirm” oder in einer anderen Variante dieser Hypothese von der Kinoleinwand (man denke an Horrorfilme). Diese zum hartnäckigen Bestandteil der öffentlichen Meinungsbildung gewordene Hypothese spielt zudem in unverantwortlicher Weise mit den (durchaus berechtigten) Ängsten von Eltern in Bezug auf die potentielle Gefährdung ihrer Kinder. Sie benutzt diese Ängste, um von den wirklichen Ursachen personaler und struktureller Gewalt abzulenken. Man erinnere sich: bei jedem Amoklauf, sei es in Erfurt, sei es in den USA, waren Politiker schnell bei der Behauptung, man müsse in Kino und Fernsehen „gewalttätige” Filme und entsprechende PC-Spiele verbieten.
Auch „Der Lockvogel” präsentiert einen Täter, der – so wie er präsentiert wird – ausschließlich dem Klischee vom reichen und einflussreichen Mörder entspricht, nicht aber einem wirklichen Menschen, dessen Charakter oder Mentalität im Laufe der Handlung entwickelt worden wäre.
All dies ist zu bedauern, da insbesondere der exzellente Peter Haber als Beck Besseres an Geschichte und Charakteren um sich herum verdient gehabt hätte.
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