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Der Partyschreck (The Party) USA 1968, 99 Minuten Regie: Blake Edwards
Drehbuch: Blake Edwards, Tom Waldman, Frank Waldman Musik: Henry Mancini Director of Photography: Lucien Ballard Montage: Ralph E. Winters Produktionsdesign: Fernando Carrere
Darsteller: Peter Sellers (Hrundi V. Bakshi), Claudine Longet (Michele Monet), Steve Franken (Levinson, der Kellner), Allen Jung (Koch), J. Edward McKinley (Fred Clutterbuck), Fay McKenzie (Alice Clutterbuck), Stephen Liss (Geoffrey Clutterbuck), Gavin MacLeod (Charlie S. Divot, Produzent), Denny Miller („Wyoming Bill” Kelso), Tom Quine (Abgeordneter Dunphy), Marge Champion (Rosalind Dunphy), Danielle De Metz (Stella D’Angelo), Herbert Ellis (Regisseur), Kathe Green (Molly Clutterbuck)
„Heiliger Brahmaputra!”
Als Statist beim Film sehen wir Peter Sellers zuallererst, wie er in einer Szene ins Horn zur Schlacht bläst, angeschossen wird, weiter bläst, wieder angeschossen wird, jämmerliche Töne zaubert, zusammensackt und wieder hoch kriecht. Später jagt er, weil er sich den Schuh binden will, wozu er ihn auf die Sprengvorrichtung setzt, das Fort zusammen, das der Regisseur für eine entscheidende Szene des Schlachtspektakels gebraucht hätte. „Ich werde dafür sorgen, dass Sie nie wieder eine Rolle beim Film bekommen.” Und Sellers Antwort treibt den Regisseur an die Decke: „Gilt dies auch für’s Fernsehen?”
Sellers ist Hrundi V. Bakshi – wie auch sonst sollte ein Inder heißen als Hrundi V. Bakshi –, ein Komparse beim Film. Selten hat Blake Edwards mit Rollen, Ethnien und Typen so klassisch schön gespielt wie in „The Party”. Und man kann den Titel des Films in allen möglichen Richtungen interpretieren. So geht es im folgenden um eine Party – eine jener typischen 60er-Jahre Partys in einer jener typischen 60er-Jahre-Villen mit jenen ebenso typischen Figuren. Bakshi hat Glück im Unglück. Der Produzent des Films, Charlie S. Divot (Gavin MacLeod), ruft seinen Chef an, einen kühl und überlegen wirkenden Dicken namens Fred Clutterbuck (J. Edward McKinley), damit der Bakshi ein für allemal auf die schwarze Liste beim Film setzt. Doch Clutterbuck schreibt Bakshis Namen versehentlich auf die Einladungsliste zu seiner eigenen Party.
Bakshi erscheint, in beigem Anzug, mit weißen Schuhen, roten Socken und roter Krawatte. Dass Sellers, mit kurzen schwarzen Haaren und bräunlich gefärbtem Gesicht, die Hände beim Gruß ganz indisch zusammenlegend, einen Klischee-Inder abgibt, versteht sich von selbst. Aber Bakshi ist mehr als das, mehr auch als ein Komparse. Denn auf der Party erweist er sich, ohne es zu wissen, als treibende Kraft, die die Party zu einem absoluten Chaos werden lässt.
Die Villa Clutterbucks und seiner Gattin Alice (Fay McKenzie) ist zweigeschossig. Während sich im oberen Stockwerk die Privaträume befinden, ist der Raum im Erdgeschoss groß, durchzogen von Wasserwegen, an den Wänden moderne Kunst, vor allem abstrakte, ein halb verrostetes Kunstobjekt steht an der Treppe, man sieht Schalensessel, mit verschiedenen Farben gestrichene Wände, an jeder Ecke Grünpflanzen, etliche Sitzgruppen, eine Wendeltreppe führt nach oben, der Raum ist umrandet von hohen Fensterelementen. Selbstverständlich sind einzelne Raumelemente elektronisch veränderbar. Bodenelemente sind verschiebbar, darunter öffnet sich eine Art Swimmingpool. Im Zentrum des riesigen Raums befindet sich eine Art Kamin, aber natürlich nicht von der klassischen Art.
Allerlei upper class people sind bereits eingetroffen, als Bakshi kommt. Ein Abgeordneter (Tom Quine) nebst hochnäsiger Gattin (Marge Champion), der amerikanische Filmschauspieler „Wyoming Bill” Kelso im Cowboy-Look (Denny Miller) nebst Geliebter Stella (Danielle de Metz), Divot (der Bakshi nicht wiedererkennt) nebst der französischen Schauspielerin in spe Michele (Claudine Longet), etliche weitere Leute aus der Filmbranche usw. Und mitten drin thront Clutterbuck, ernsten Gesichts, stets eine Zigarre im Mund.
Bakshi selbst ist einer jener leicht ungeschickten Menschen, die zusätzlich noch in jedes Fettnäpfchen treten. Man könnte auch sagen: Die Umstände sind nicht so, dass alles glatt über die Bühne geht. Zuallererst verliert er einen seiner Schuhe, mit dem er in den berühmten Hundekot getreten ist, beim Versuch, ihn in einem der Wasserwege zu säubern. Und so jagt ein Missgeschick das andere.
Weit gefehlt allerdings, „The Party” sei ein einziger Klamauk. Edwards desavouiert die ganze Sippschaft, ihre Arroganz, ihr Selbstbezogenheit und Selbstgenügsamkeit, und zwar mittels Bakshi und jenem Kellner namens Levinson (Steve Franken), dem die ganze Bande offenbar nicht das erste Mal auf die Nerven geht. Ohne es zu wissen, ergänzen sich Bakshi und Levinson köstlich in ihrer sehr unterschiedlich ausgeprägten Abneigung. Während Bakshi, ganz Inder, höflich bleibt, sich in Gespräche einmischt und dabei blamiert, um den Abend irgendwie doch auch für sich glanzvoll enden zu lassen, betrinkt sich Levinson gnadenlos, um das alles irgendwie noch zu ertragen. Viele dieser Szenen mit Levinson und Bakshi erinnern an Buster Keaton, an Jaques Tatis „Mon Oncle”, manches Mal auch an die klassische Screwball-Komödie. Dabei verhält sich Bakshi kaum anders als die anderen Gäste; er versucht, sich anzupassen. Da er jedoch anders gepolt ist, geht vieles schief.
Inhaltsleerer Smalltalk, baggernde alte Männer – Clutterbuck „versucht” sich an einer jungen Schauspielerin, Divot will Michele in das Schlafgemach im oberen Stockwerk lotsen –, arrogante Damen allen Alters, besoffene Ladys und ein Abgeordneter, dessen größtes Problem zu sein scheint, ausgeraubt worden zu sein – all das nehmen Levinson und Bakshi ganz unterschiedlich auf.
Während sich Levinson durch den Abend säuft, immer mehr torkelt und die Wut des Kochs (Allen Jung) auf sich zieht, der ihn mehrfach würgt, stolpert Bakshi von einer „Partyfalle” in die andere: Ob er nun aus Neugierde in den Eiskübel greift und seine Hände mit Kaviar verschmutzt oder dem Papagei „Happi-Happi” gibt, während Clutterbuck die junge Frau anbaggert – alles scheint schief zu gehen. Doch dieses Schiefgehen hat inszenatorische Schärfe. Denn Edwards lässt das aufgeblasene Spektakel der Small-Talk-Small-People-Party so richtig zusammenkrachen. Etwa wenn er Bakshi gegenüber Divot sagen lässt: „Mr. Devot.” Die Aussprache ist indisches Englisch, aber eben auch entblößend.
Wenn die Dinge nicht so laufen, wie Bakshi sich das vorstellt, so deshalb, weil die Tücke des Objekts von Edwards gnadenlos verbunden wird mit der zwar nicht böswilligen, aber dennoch sarkastisch einwandfreien Bloßstellung der „besseren” Leute. Dass dieser Schlag auch gegen das eigene Geschäft, eben Hollywood, geführt wird, versteht sich fast von selbst. Bakshi und Levinson sind die treibenden Kräfte – und es ist einfach köstlich anzusehen, wie beide völlig unabhängig voneinander dem Treiben ein Ende setzen, ohne dass der Eindruck entstehen würde, dahinter stecke Absicht.
Daneben aber ist es auch diese herrliche Tücke des Objekts, die den Film auch heute noch – und erst recht im Vergleich mit manchen heutigen Komödien – so überaus sehenswert macht. Etwa wenn Bakshi, der verzweifelt eine freie Toilette sucht, die Beine zusammenpresst, während Michel singt, um dann im Obergeschoss das dortige Bad unter Wasser setzen, weil die Klospülung nicht stoppt. Diese Tücke des Objekts hat bei Edwards eben noch eine andere Seite. Er demonstriert, welche Bedeutung diese Objekte im Milieu haben. Clutterbuck und seine Gäste umgeben sich mit allerlei scheinbar Wichtigem, sicherlich Teurem. Wenn Bakshi ein über der Toilette hängendes Gemälde in den Wasserbehälter fallen lässt, um es dann mit Klopapier trocken zu reiben (!), ist dies eben auch eine Art Zurechtrücken der Bedeutung all jenes mehr oder weniger teuren „Plunders”, mit dem sich Leute umgeben, um von ihrem Verhalten, ihrem Charakter, ihrer Mentalität abzulenken.
Bakshi ist ein einfacher Mensch. Das einzige, was er sich geleistet hat, ist ein alter Morgan Threewheeler. Edwards belohnt Bakshi und damit auch dessen „Einfachheit” am Schluss des Films mit der Aussicht auf die Liebe zu Michele. Und auch Levinson scheint am Ende eine Frau abzukriegen – beide sind besoffen, aber noch wach genug, um aufeinander loszugehen. Dass es ausgerechnet ein bemalter indischer Elefant ist, den die Tochter zur Party mitbringt, der alles zum Höhepunkt treibt und die Villa zur Villa Kunterbunt werden lässt, das heißt auf ein zutiefst menschliches Maß „reduziert”, ist so gnadenlos inszenatorisch gewollt, dass man nicht umhin kann zu bemerken, wie Edwards seinem Publikum zuruft: Im Film ist alles möglich, wie man sieht.
Das Rebellische, ja Subversive, dass Levinson forciert, indem er trinkt, weil ihm alles egal ist und er nur den Abend überstehen will, reproduziert sich bei Bakshi auf andere Weise: über seine Tolpatschigkeit und seine „indische” Höflichkeit. Beide sind so ehrlich, wie Clutterbuck oder Divot falsch sind.
Und noch einen der Beteiligten muss man erwähnen, den im Texaner-Look auftretenden „Wyoming Bill”, einen Cowboy-Darsteller, der mit seinem Image spielt und trotzdem neben Bakshi, Levinson und Michele zu den sympathischen Figuren des Films zählt.
„The Party” – dessen deutscher Verleihtitel „Der Partyschreck” über den Charakter des Films hinwegtäuscht – ist ein typischer Film der 60er Jahre (unterstützt auch durch die Musik Henry Mancinis), scheut sich nicht, bei Tati, Buster Keaton und der Screwball-Komödie Anleihen zu machen, und geht doch weit darüber hinaus. Denn, wie gesagt, scheut sich Edwards in keiner Weise, das eigene Geschäft kräftig durch den Kakao zu ziehen.
Wer den Film liebt wie ich, kann ihn in der SZ-Cinemathek für ganze € 9,99 in hervorragender Bild- und Tonqualität erwerben.
© Bilder: United Artists Screenshots von der DVD.
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