Der Teufel trägt Prada
(The Devil Wears Prada)
USA 2006, 109 Minuten
Regie: David Frankel

Drehbuch: Aline Brosh McKenna, nach dem Roman von Lauren Weisberger
Musik: Theodore Shapiro, Chris Trapper
Director of Photography: Florian Ballhaus
Montage: Mark Livolsi
Produktionsdesign: Jess Gonchor

Darsteller: Meryl Streep (Miranda Priestly), Anne Hathaway (Andy Sachs), Emily Blunt (Emily), Stanley Tucci (Nigel), Adrien Grenier (Nate), Tracie Thoms (Lilly)

Only a comedy?

„Ich will mir vorstellen, unter
welchen neuen Merkmalen der
Despotismus in der Welt auftreten
könnte: Ich erblicke eine Menge
einander ähnlicher und gleich-
gestellter Menschen, die sich
rastlos im Kreise drehen, um
sich kleine und gewöhnliche
Vergnügungen zu verschaffen,
die ihr Gemüt ausfüllen. Jeder
steht in seiner Vereinzelung
dem Schicksal aller andern
fremd gegenüber. [...]” (1)

Der Roman Lauren Weisbergers war ein Publikumserfolg, bei den Kritikern allerdings fiel er durch. Dem Film David Frankels – erprobt durch „Sex and the City” – wird es möglicherweise ähnlich gehen. Die Geschichte selbst erscheint eher simpel: Eine junge Frau namens Andy Sachs (Anne Hathaway) mit großen Hoffnungen sieht in der Assistenz der Chefredakteurin des Modemagazins „Runway”, Miranda Priestly (Meryl Streep), die Chance, die ihr als Sprungbrett zu großen Zeitschriften oder Magazinen dienen könnte. Man könnte auch sagen: eine typische Aufsteigergeschichte nach dem Motto „Wenn man die Zähne zusammenbeißt, schafft man ‚es’”. Dieses „Es” ist nicht viel mehr als einer der sattsam bekannten „Vom Tellerwäscher zum Millionär”-Storys – auch wenn es in „Der Teufel trägt Prada” um etwas weniger geht, als Millionär zu werden.

Der Film zeigt eine Aufsteigergeschichte, was er aber vor allem zeigt, ist einer jener „typischen” Wege, wie man angeblich dahin kommt, Karriere zu machen.

„Über diesen erhebt sich eine
gewaltige, bevormundende Macht,
die allein dafür sorgt, ihre Genüsse
zu sichern und ihr Schicksal zu
überwachen. Sie ist unumschränkt,
ins einzelne gehend, regelmäßig,
vorsorglich und mild. Sie wäre der
väterlichen Gewalt gleich, wenn sie
wie diese das Ziel verfolgte, die
Menschen auf das reife Alter
vorzubereiten; statt dessen aber
sucht sie bloß, sie unwiderruflich
im Zustand der Kindheit festzuhalten.
[. . .]” (1)

Andy bewirbt sich um die vakant gewordene Stelle einer Assistentin Mirandas bei dem angesehenen Modemagazin „Runway”. Sie trifft auf eine Chefin, die sie und alle anderen Untergebenen in aller Ruhe und in aller Bestimmtheit (Schlusswort nach jeder Anweisung: „Das war’s”) im wahrsten Sinn des Wortes triezt. Andys Kollegin Emily (Emily Blunt) hat die Verkehrsformen in der obersten Etage des Magazins längst verinnerlicht. Und das einzige, worauf Emily hofft, ist, dass Miranda sie demnächst mit nach Paris nimmt, um dort an einer der größten Modeereignisse teilnehmen zu können. Emily triezt Andy, Andy ist „schlecht” angezogen, sprich: in nicht sehr anmutiger Alltagskleidung, und Miranda erteilt ihr etliche und für eine Anfängerin fast unmöglich in der geforderten Zeit durchführbare Aufgaben. Aus dem hässlichen naiven Entlein soll ein Mode-Schwan werden! Wetten, das? Anne Hathaways große, schöne, dunkle Augen sind sowie so bezaubernd, dass insoweit nicht schief gehen sollte.

Nach ein paar Tagen ist Andy schon fast entschlossen, das Handtuch zu werfen; doch Mirandas rechte Hand Nigel (Stanley Tucci) rappelt sie wieder auf: Sie soll kein Selbstmitleid haben und nicht jammern, sondern sich entscheiden: gehen oder die Bedingungen des Jobs erfüllen, was vor allem heißt: mit Mirandas Despotismus umgehen lernen. Nigel als Katalysator. Durchschaubar, aber nett. Oder umgekehrt.

So she does! Andy ist ja nicht auf den Kopf gefallen; und auch wenn die Beziehung zu ihrem Freund Nate (Adrian Grenier) zu leiden beginnt, weil Andy ständig für Miranda erreichbar sein muss – Tag und Nacht, versteht sich –, setzt sie alle Hebel in Bewegung, um Mirandas „Wünschen” zu entsprechen. So she does!

Anpassung heißt das Schlagwort. Ihr Freund leidet, ihre anderen Freunde und Freundinnen wenden sich von Andy ab. Aber Andy ist entschlossen weiterzumachen – und hat „Erfolg”. Miranda ist mit ihr zufrieden. Und Andy schafft es sogar, ihr einen „Wunsch” zu erfüllen, der unmöglich scheint: Sie besorgt ihr mit Hilfe eines Journalisten das Manuskript eines noch gar nicht erschienenen Romans der Harry-Potter-Reihe.

Schließlich geht es um die Vorbereitung der Pariser Modeschau – und für Miranda ist klar, dass sie Andy (neben Emily) mitnimmt. Inzwischen hat sich Nate allerdings entschlossen, sich vorübergehend von Andy zu trennen. Er erträgt die Vereinnahmung Andys durch Miranda nicht ...

„Auf diese Weise macht sie den
Gebrauch des freien Willens mit
jedem Tag wertloser und seltener;
sie beschränkt die Betätigung des
Willens auf einen kleinen Raum,
und schließlich entzieht sie jedem
Bürger sogar die Verfügung über
sich selbst. Die Gleichheit hat die
Menschen auf dies alles vorbereitet:
sie macht sie geneigt, es zu ertragen
und oft sogar als Wohltat anzusehen.” (1)

Die Feinheiten dieser Geschichte liegen im Detail – so simpel die Story auch sein mag. Meryl Streep spielt die herrische und despotische Miranda Priestly, wie man es von ihr eigentlich erwarten kann: exzellent. Damit sind wir aber auch schon am Ende, was die Qualität der Schauspieler angeht. Auch wenn Stanley Tucci, Anne Hathaway und Adrien Grenier einige wenige gute und komische Szenen haben, sollte man vom Rest lieber schweigen. Insbesondere Emily Blunt wirkt in ihrer gestelzten Komik oft überdreht; den Rest der Crew, und natürlich auch die Cameo-Auftritte einiger Prominenter wie Heidi Klum, Valentino Garavani oder Bridget Hall, kann man gerade noch getrost unter supporting roles abhaken.

Dagegen sind die Botschaften der Geschichte so eindeutig, dass sie eigentlich jedem auffallen müssten. Besonders drastisch ist die Botschaft: Nicht der Despotismus einer herrischen Frau namens Miranda ist das Üble, nein, das ganze Übel besteht darin, damit nicht zurecht zu kommen. Auch wenn der Film damit endet, dass Andy den Job schmeißt, weil Miranda in allzu übler Weise eine Intrige gesponnen hat, so bleibt doch ein gegenseitiges Augenzwinkern. Miranda im Auto lächelt Andy auf der Straße an. Der Weg beider erhält dadurch eine Legitimation auf der Basis: Leben und leben lassen. Während Miranda, die erfolgreich ihre Absetzung als Chefin von „Runway” durch eine Intrige verhindert hat, weiter macht wie bisher, bekommt Andy – sozusagen als Belohnung durch das Drehbuch – einen Job als Journalistin – mit einer Empfehlung Mirandas.

Das entscheidende Mittel, um den Despotismus als etwas Erträgliches erscheinen zu lassen (was eigentlich überhaupt nicht erträglich ist), ist die Komik, die Frankel dem Film verpasst. Jede noch so widerwärtige Schikane wird durch Komik gebrochen und erscheint dadurch eben gerade noch erträglich. Wenn Andy wie eine Getriebene durch die Straßen New Yorks hetzt, um alles mögliche für Miranda zu besorgen und in der vorgegebenen Zeit ihr auch zu liefern, erscheint dies komisch (auch ich lachte), dient aber ausschließlich dazu, Despotismus auf eine falsche Art und Weise ins Lächerliche zu ziehen. Dieses Lächerliche entpuppt sich als Schmunzeln über den Despotismus. Halb so wild!

Nicht nur das: Wer mir die Logik des Verhaltens von Andy erklären kann, bekommt einen Oscar. Sie lässt sich nicht nur erniedrigen, sie erniedrigt sich selbst dazu, einer solchen Despotin zu dienen. Und als sich Mirandas Mann von ihr trennt, hat Andy Mitgefühl mit der Dame. Das alles vor dem Hintergrund, dass Frankel Andy ansonsten als zwar anfangs naive, aber dennoch selbstbewusste junge Frau darstellt. Ebenso Nigel. Auch er wird als durchaus selbstbewusster Mann präsentiert, der sich aber trotzdem dem Regime unterordnet. Und als er wegen der Intrige Mirandas im ausschließlich eigenen Interesse einen Job, den sie ihm versprochen hatte, nicht bekommt, zuckt er nur kurz enttäuscht mit den Achseln und sagt so etwas wie: „Dann eben beim nächsten Mal.” So funktioniert freiwillige Unterwerfung!

„Nachdem der Souverän auf
diese Weise den einen nach
dem anderen in seine mächtigen
Hände genommen und nach
seinem Gutdünken zurecht
geknetet hat, breitet er seine
Arme über die Gesellschaft als
Ganzes aus; er bedeckt ihre
Oberfläche mit einem Netz
verwickelter, äußerst genauer
und einheitlicher kleiner Vor-
schriften, die die ursprünglichsten
Geister und kräftigsten Seelen
nicht zu durchbrechen vermögen,
um sich über die Menge hinaus
zu schwingen; er bricht ihren
Willen nicht, aber er weicht ihn
auf und beugt und lenkt ihn; er
zwingt selten zu einem Tun, aber
er wendet sich fortwährend
dagegen, dass man etwas tue;
er zerstört nicht, er hindert, dass
etwas entstehe; er tyrannisiert nicht,
er hemmt, er drückt nieder, er
zermürbt, er löscht aus, er stumpft
ab . . . „ (1)

Die hier wiedergegebenen Eindrücke eines französischen Adeligen, Alexis de Tocqueville, aus dem Jahr 1835/40 über seine damaligen Eindrücke über die jungen Vereinigten Staaten geben auf erstaunliche Weise das wieder, was der Film reproduziert – und das 170 Jahre später. Der Wille wird nicht gebrochen, aber gebeugt, gelenkt, aufgeweicht, zurecht gestutzt. Dem Individuum erscheint das, was es tut, als Ausfluss seines freien Willens. Andy kann ja auch tatsächlich entscheiden, ob sie bleibt oder geht, und da sie bleibt und sich dem Despotismus unterwirft, erscheint auch dies als Ausdruck ihres freien Willens. Man kann hier auch von Internalisierung sprechen, die durch die Komik des Films noch viel leichter erträglich erscheinen soll, ja geradezu als ein Muss, als ein Wunsch. Internalisiert wird nämlich, dass der glorreiche Individualismus, den man feiert, in der freiwilligen Hinnahme des Depotischen seine Vollendung finde.

Der Film ist in dieser Hinsicht nicht einmal unrealistisch. Denn die Jobs, die in den Sphären angesiedelt sind wie Andys Job, sind in den USA tatsächlich mit einer für hiesige Verhältnisse (vielleicht?) noch unvorstellbaren Unterjochung verbunden. Die moderne Form des Despotismus ist nicht so rein, wie es die klassischen Despoten vorgemacht haben. Sie verbindet sich schon lange mit demokratischem Anstrich und auch oft mit einem gewissen Maß an (nicht selten heuchlerischer) political correctness. Das Perfide von „Der Teufel trägt Prada” ist nicht sein Realismus, sondern dessen Legitimation auf allen Ebenen. Demokratie – schön und gut –, aber nicht in den sozialen Räumen der Wirtschaft. Hier herrscht klare, unverbrüchliche Hierarchie, hier herrscht Dezisionismus durch wenige und Unterwerfung aller anderen.

Dass Frankel vom Modegeschäft äußerst wenig und von den anderen Etagen des Magazinbetriebs nichts zeigt, ist exemplarisch für die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird. Warum sollte man zeigen, dass es vielleicht auch so etwas wie Rebellion – in welcher Form auch immer – gibt? Warum sollte man gar zeigen, dass eine junge Frau wie Andy, sich eben nicht mit der herrischen Art abgibt, die eine Miranda Priestly an den Tag legt? Sicherlich hätte man – selbst innerhalb des Genres der Komödie – auch einen wirklich sarkastischen Film über die Auswüchse des modernen amerikanischen Kapitalismus drehen können. Aber das war offensichtlich nicht gewollt. Dass Andy am Schluss in den Schoss von Nate zurückkehrt (Happyend im Privaten) und einen Job bei einer Zeitung bekommt (berufliches Happyend) – gut vorbereitet durch die Tretmühle bei Miranda –, ist nur logisch, wenn man dem Despotismus gar nicht an den Kragen will.

Miranda – mit dieser Frau möchte der geneigte Zuschauer vielleicht nicht wirklich etwas zu tun haben. Und dennoch: Auch Miranda ist nur ein Mensch, und vielleicht muss es in den oberen Etagen ja so zugehen wie im Film? Auch eine Botschaft. Dass damit alles beim alten bleibt, ist nur konsequent.

(1) Alexis de Tocqueville: Über die Demokratie in Amerika, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1959, 2. Teil, Seite 342-343 (zuerst veröffentlicht 1835/40).

© Bilder: 20th Century Fox