Die Bestie mit den fünf Fingern
(The Beast with Five Fingers)
USA 1946, 88 Minuten
Regie: Robert Florey

Drehbuch: Curt Siodmak, nach einer Geschichte von William Fryer Harvey
Musik: Max Steiner
Director of Photography: Wesley Anderson
Montage: Frank Magee
Produktionsdesign: Stanley Fleischer Walter F. Tilford

Darsteller: Robert Alda (Bruce Conrad), Andrea King (Julie Holden), Peter Lorre (Hilary Cummins), Victor Francen (Francis Ingram), J. Carrol Naish (Kommissar Ovidio Castanio), Charles Dingle (Raymond Arlington), John Alvin (Donald Arlington), David Hoffman (Duprex)

Die Hand ...

Was wäre das Böse, was wäre der Grusel und was wäre das schreckliche Schicksal in Filmen ohne Peter Lorre (eigentlich: László Löwenstein) – diesen aus Deutschland in den 30er Jahren vertriebenen Schauspieler (man denke etwa an Fritz Langs „M – Eine Stadt sucht einen Mörder”, 1931, „Der Malteser Falke“, 1941, oder auch „Arsen und Spitzenhäubchen“, 1944)? Man denke auch an die zahlreichen amerikanischen Spielfilme mit Lorre – von dem man oft denken konnte, er spiele auch viel von seinem eigenen Leben in seinen Rollen.

Kurz nach dem zweiten Weltkrieg nahm sich Robert Florey einer gruseligen Geschichte von William Fryer Harvey an – und auch in dieser Geschichte, die in dem italienischen Ort San Stefano angesiedelt ist, gehört Lorre zu den zentralen Figuren.

Auf einem prunkvollen Landsitz in der Nähe von San Stefano lebt der früher einmal erfolgreiche Pianist Francis Ingram (Victor Francen) seit einem Schlaganfall, der ihn an den Rollstuhl fesselt. Er wird von der Krankenschwester Julie Holden (Andrea King) gepflegt. Ingram glaubt, ohne Julie nicht mehr existieren zu können. Er bindet die junge Frau derart fest an sich, dass Julie ernsthaft erwägt, wieder nach Amerika zurückzugehen. Auf Ingrams Landsitz lebt noch sein Sekretär Hilary Cummins (Peter Lorre), der sich in der Bibliothek, deren Bücher ihm von Ingram nach und nach gekauft wurden, mit Astrologie und einer speziellen Art der Wahrsagerei beschäftigt. Ab und an bekommen die drei Besuch von dem Komponisten und Musiker Bruce Conrad (Robert Alda), der viele Stücke für Ingram geschrieben hatte, dessen Erfolg als Pianist vor allem auf Conrads Musik gründet.

Eines Tages bittet Ingram alle Genannten zum Abendessen, fragt sie, ob sie ihn für einen Mann halten, der im Vollbesitz seiner Kräfte ist, und bittet sie, seine letztwillige Verfügung mit ihrer Unterschrift als authentisch zu bestätigen – in Anwesenheit des Anwalts Duprex (David Hoffman).

Doch kurz danach kommt es zu einer Katastrophe. Hilary erzählt Ingram von einem Gespräch zwischen Julie und Bruce, das er heimlich mit angehört hatte. Julie will Ingram verlassen; sie fühlt sich zu sehr in dessen Leben eingezwängt, und Conrad will mit ihr gehen. Ingram ist erbost, hält Hilary für einen Lügner – weiß aber letztlich genau, dass alles der Wahrheit entspricht. Als Ingram nachts durch ein Gewitter geweckt wird, fährt er im Rollstuhl aus seinem Zimmer, stürzt – in Gedanken daran, dass Julie ihn verlassen will – die Treppe hinunter und ist tot.

Bei der Testamentseröffnung kommt es zu einer Überraschung: Weil Ingram sein ganzes Vermögen Julie vermacht hat, wollen sein Schwager Raymond Arlington (Charles Dingle) und dessen Sohn Donald (John Alvin) das Testament anfechten, behaupten gar, jemand könne Ingram die Treppe hinunter gestürzt haben. Hilary fürchtet um seine geliebten Bücher, die ihm die Arlingtons nicht lassen, sondern verkaufen wollen. Duprex bietet sich den Arlingtons an, für ein Drittel des Vermögens als Honorar das Testament anzufechten. Julie ist verzweifelt. Doch das alles ist nicht das Schlimmste.

Nachts wird Duprex erwürgt aufgefunden – und in dem Mausoleum, in dem Ingram begraben liegt, stellen der herbeigeholte Kommissar Castanio (J. Carrol Naish), Conrad und die Arlingtons fest, dass Ingram mit einem Messer eine Hand abgetrennt wurde, die spurlos verschwunden ist. Vor der Gruft entdecken sie Spuren dieser Hand. Mitten in der Nacht spielt jemand auf dem Flügel Ingrams, auf dem auch sein Ring deponiert wurde – und Hilary behauptet steif und fest, er habe gesehen, wie die Hand auf dem Flügel gespielt habe ...

Die klaustrophobische Atmosphäre des Films steigert sich permanent mit der Handlung. Während anfangs noch ein lebhafter italienischer Ort zu sehen ist, verengt sich die Perspektive zunehmend auf den Landsitz Ingrams, in dem sich alle Personen versammelt haben. Ein weiterer Mordanschlag auf Donald Arlington und die immer wieder zu sehende abgeschnittene Hand Ingrams, die am Flügel spielt, sich über den Schreibtisch lang hangelt, sich hinter Büchern in der Bibliothek zu verstecken scheint – all das lässt die Beteiligten erschauern. Obwohl anfangs weder der faktengläubige Kommissar, noch Conrad, noch Julie an etwas Übernatürliches glauben, ist es vor allem Hilary, der immer mehr Angst vor dem vermeintlichen Geist des toten Ingram bekommt, der sich in der abgetrennten Hand zu verkörpern scheint. Und als der Kommissar selbst nachts Zeuge des versuchten Mordes an Arlington wird, glaubt er, alle seine vernünftigen Überzeugungen über den Haufen werfen zu müssen.

Tatsächlich wird auch dem Zuschauer nahe gelegt, an das übernatürliche Treiben der Hand zu glauben. Die entsprechenden Bilder der Hand sind zudem tricktechnisch sehr überzeugend in Szene gesetzt. Man rätselt lange Zeit, wo die Lösung des Falls zu finden sein könnte: im Übernatürlichen oder in einer ganz plausiblen Lösung?

Hinzu kommt, dass um das Erbe des Toten gestritten wird. Stecken die Arlingtons hinter den merkwürdigen Ereignissen? Wohl kaum, denn ausgerechnet der Anwalt, der ihnen bei der Anfechtung des Testaments behilflich sein wollte, wird ermordet. Steckt Julie hinter den Vorgängen, die immerhin befürchten muss, dass man ihr das Erbe streitig machen will? Hat Conrad ein Interesse, Leute aus dem Weg zu räumen, die seinem Glück mit Julie und ihrem Erbe entgegenstehen? Oder hat Hilary einfach Angst um seine Bücher, die ihm von den Arlingtons weggenommen werden sollen, wenn sie erfolgreich das Testament anfechten würden? Oder: Spukt der Geist Ingrams tatsächlich durch das Haus? Aber warum und mit welchem Ziel? Immerhin glauben auch viele Menschen im Ort an einen Fluch und den herum spukenden Geist Ingrams. Ingram war schließlich ein in seinen letzten Lebensjahren völlig auf sich selbst bezogener Mann, ein Einzelgänger, schroff zu anderen, vereinnahmend gegenüber Julie.

Peter Lorre spielt – einmal mehr – einen jener Verlorenen und im Grund einsamen Menschen, die nur noch existieren, weil ein Gedanke sie vorwärtstreibt. Es ist Lorres Blick zwischen Trauer, Verzweiflung, Aggression und geschickt eingesetzter Intelligenz, der auch seine Rolle, sein Verhalten in diesem Film bestimmt.

So lässt Florey die Geschichte zwischen Wahn, Übersinnlichem und Täuschung ihrem Ende zugehen – und nicht zuletzt wird auch der Zuschauer getäuscht über das, was tatsächlich passiert ist. „The Beast with Five Fingers” gehört zu jenen klassischen Gruselfilmen, die es heute nicht mehr gibt, die mit ganz wenigen Mitteln auskommen, um eine klaustrophobische und beängstigende Atmosphäre zu erzeugen – hier eigentlich nur die Hand und Peter Lorres Spiel. Auch die weiteren Zutaten sind minimal: ein einsam gelegenes Haus und die Dunkelheit. Diese Filme leben daneben „nur” noch von den schauspielerischen Leistungen, den Charakteren und einer Schlüsselhandlung, die relativ einfach konstruiert ist.

Zu den gruseligen Szenen gehören vor allem jene, in denen Hilary von der Hand bedroht wird, wenn er versucht, die Hand zu fangen, einzusperren, im Kaminfeuer zu verbrennen usw. Und so abrupt, wie sich die Lösung aller Rätsel plötzlich ergibt, so abrupt endet der Film dann auch.

© Bilder: Warner Bros.
Screenshots von einer TV-Aufnahme.