Die heiße Spur (Night Moves) USA 1975, 100 Minuten Regie: Arthur Penn
Drehbuch: Arthur Penn Musik: Michael Small Director of Photography: Bruce Surtees Montage: Dede Allen, Stephen A. Rotter Produktionsdesign: George Jenkins
Darsteller: Gene Hackman (Harry Moseby), Jennifer Warren (Paula), Susan Clark (Ellen Moseby), Ed Binns (Joey Ziegler), Harris Yulin (Marty Heller), Kenneth Mars (Nick), Janet Ward (Arlene Iverson), James Woods (Quentin), Melanie Griffith (Delly Grastner), Anthony Costello (Marv Ellman), John Crawford (Tom Iverson)
Falsche Fährten ...
Ganz anders als in „French Connection“ (1971), in dem er den kotzigen Detective „Popeye“ Doyle darstellte, spielt Gene Hackman in Arthur Penns („Bonnie and Clyde“, 1967; „Alices Restaurant“, 1969; „Little Big Man“, 1970) „Night Move“ (der deutsche Titel ist in diesem Fall völlig verfehlt) einen Privatdetektiv, der von seinen Problemen nur so verfolgt wird. Harry Moseby macht seinen Job, mehr aus Routine als (noch) aus Überzeugung. Seine Frau Ellen (Susan Clark) betrügt ihn mit dem gemeinsamen Freund Marty (Harry Yulin), weil Harry nie für sie da ist. Und der neue Fall, den Harry von der überkandidelten, divenhaften Arlene Iverson (Janet Ward) angetragen bekommt, stellt ihn, je mehr er sich darin verwickelt, vor immer neue Rätsel.
Der neue Auftrag, den er von der alternden und alkoholabhängigen Ex-Hollywood-Diva Arlene (ganz groß: Janet Ward) erhält, erscheint zunächst nicht außergewöhnlich. Er soll die Tochter Arlenes, die 16jährige Delly Grastner (Melanie Griffith als 18jährige in ihrer ersten größeren Rolle) finden. Deren Vater ist schon länger tot, hat aber seiner Tochter ein beträchtliches Vermögen hinterlassen, dass Arlene verwaltet, bis Delly volljährig wird. Der attraktive junge Vamp hat sich aus dem Staub gemacht, anscheinend weil Delly ihre Mutter hasst. Bei seinen Nachforschungen stößt Harry auf den Mechaniker Quentin (James Woods), der in Delly verliebt zu sein scheint. Quentin hat sie zuletzt bei Drehaufnahmen in New Mexico gesehen. Regisseur Ziegler (Ed Binns) und Marv Ellman (Anthony Costello), ein Stuntman und Bekannter Dellys, erzählen Harry, irgendwann sei Delly einfach abgehauen, wohin, wüssten sie nicht. Allerdings erfährt Harry auch, dass Marv nicht nur was mit Delly, sondern auch mit Arlene gehabt haben soll.
Harry vermutet, dass Delly sich vielleicht an ihrer Mutter wegen ihres Verhältnisses mit Marv rächen wolle. Er beschließt, den von Arlene getrennt lebenden Ehemann Tom Iverson (John Crawford) in Florida aufzusuchen. Tom, ein begabter Pilot, ist unterwegs, und Harry trifft auf Paula (Jennifer Warren, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Sängerin, die sich in den 70er Jahren wegen der Namensidentität in Jennifer Warnes umbenennen musste). Paula erzählt nicht viel. Aber sie verschweigt Harry nicht, dass Delly sich bei Tom aufhält. Ja, sie scheint Harry sympathisch zu finden – und eines Nachts schläft sie mit ihm.
Bei einer Bootsfahrt finden Harry, Delly und Paula das Wrack eines abgestürzten Flugzeugs und den von Fischen angefressenen Piloten. Delly steht deswegen am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Für Harry die Chance, die junge Frau zu ihrer Mutter zurückzubringen. Dann allerdings überschlagen sich die Ereignisse – und Harry wird in den Fall, den er schon für abgeschlossen hielt – in eine lebensgefährliche Weise hineingezogen ...
Wie bei Arthur Penns frühen Filmen üblich kann man sich auf eine besondere Art Film, einen in jeder Hinsicht überzeugenden psychologischen Thriller gefasst machen. Dramaturgisch wechselt die Handlung zwischen dem Konflikt Harrys und seiner Frau einerseits, den Wendungen des neuen Falls auf der anderen Seite. Gene Hackmans Harry ist eigentlich ein Mann der Sorte, die sich nicht so leicht unterkriegen lassen. Dieser Harry gibt nicht auf, trotz privater oder beruflicher Rückschläge. Und wenn’s sein muss, geht er nicht zimperlich mit denen um, die ihm etwas verschweigen wollen. Er ist eine Art Stehaufmännchen, einer dieser andere mit seinen Fragen nervenden Typen, die nicht eher Ruhe geben, bis sie einen Fall gelöst haben.
Penn inszenierte „Night Moves“ in einer extrem ruhigen Art, fern jeglicher dem Genre oft anhaftenden Action-Lastigkeit. So unwissend wie Harry, so unwissend ist auch der Betrachter des Films. In New Mexico scheint ein freundlicher Regisseur helfen zu wollen. Und auch in Florida trifft Harry nur auf nette Leute: Tom Iverson und Paula. Und auch die junge Delly ist sympathisch. Penn inszeniert eine Fassade, von der Harry und wir zunächst nicht das geringste wissen. Harry spekuliert, wir spekulieren. Aber selbst nach einem Mord, der als Autounfall getarnt wurde, selbst nach der Identifizierung der Leiche im abgestürzten Flugzeug tappen Harry wie wir noch immer im Dunkeln. Erst am Schluss offenbart Penn in einem kurzen, aber rasanten Finale die Auflösung aller Rätsel. Und die hat es durchaus in sich.
Ohne gekünstelt zu wirken, erzählen Penn bzw. Drehbuchautor Alan Sharp die Geschichte eines Mannes, der bei seinem möglicherweise letzten Fall selbst in Lebensgefahr gerät, der sich aus seinen beruflichen wie privaten Problemen heraus bugsieren will.
Neben Gene Hackman, dessen Performance sicherlich an die in „French Connection“ heranreicht, überzeugt vor allem Jennifer Warren, eine Schauspielerin, deren Talente in den folgenden Jahren kaum genutzt wurden. Einer der bekanntesten Filme mit ihr ist „Schlappschuss“ (1977) von George Roy Hill. Warren spielt diese mysteriöse Paula als eine äußerst selbstbewusste, manches Mal sarkastische Frau, die offenbar weiß, was sie will, daraus aber durchaus ein wohl gehütetes Geheimnis macht. Auch John Crawford als Pilot Iverson vermag in seiner Rolle zu überzeugen. Und für die junge Melanie Griffith war „Night Moves“ der Beginn einer Karriere.
Insgesamt ein in jeder Hinsicht sehenswerter Thriller, einer der besten, wenn auch eher unbekannteren Filme Arthur Penns.
© Bilder: Warner Home Video
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