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Die Legende von Bagger Vance (The Legend of Bagger Vance) USA 2000, 125 Minuten Regie: Robert Redford
Drehbuch: Jeremy Leven, Steven Pressfield Musik: Rachel Portman Director of Photography: Michael Ballhaus Montage: Hank Corwin Produktionsdesign: Stuart Craig
Darsteller: Will Smith (Bagger Vance), Matt Damon (Rannulph Junuh), Charlize Theron (Adele Invergordon), Bruce McGill (Walter Hagen), Joel Gretsch (Bobby Jones), J. Michael Moncrief (Hardy Greaves), Lane Smith (Grantland Rice), Peter Gerety (Neskaloosa), Michael O’Neill (O. B. Keeler), Thomas Jay Ryan (Spec Hammond), Harve Presnell (John Invergordon)
Georgia is on my mind
Robert Redford ist ein hoffnungsloser Romantiker – das steht fest. Mit „The Horse Whisperer“ („Der Pferdeflüsterer“, 1998) und „A River Runs Through It“ („Aus der Mitte entspringt ein Fluss“, 1992) hat er dies mehr als einmal bewiesen. Während die romantische Attitüde jedoch in diesen beiden Filmen an der Realität scheitert, ging Redford in „Die Legende von Bagger Vance“ einen anderen Weg. Der Film ist sowohl ein fast schon trotziges Festhalten an der Romantik im Leben, als auch eine Art Bekenntnis: zu den Weisheiten des Zen.
Hardy Greaves erinnert sich als alter Mann (Jack Lemmon), von Herzattacken geplagt, die ihn stets beim Golfspielen ereilten, an seine Kindheit und an den großen Rannulph Junuh (Matt Damon) – jenen Golfspieler, den er bewunderte, der bis 1916 in Savannah in Georgia ein Golfturnier nach dem anderen gewann – die große Hoffnung der kleinen Stadt. Dann allerdings musste Junuh wie viele andere nach Europa in den Krieg. Dort überlebt er als einziger seiner Truppe den Bomben- und Granatenhagel einer Schlacht. Die Kriegserlebnisse werfen Junuh völlig aus der Bahn, er trinkt, kehrt erst Jahre nach dem Krieg nach Savannah zurück. Dort lebt seine Verlobte, Adele (Charlize Theron), die seit 1916 nie wieder etwas von Junuh gehört hat.
Irgendwann taucht Junuh wieder in Savannah auf, lebt in einem abseits gelegenen Haus, spielt Karten und trinkt. Nie wieder will er einen Golfschläger anrühren.
Ende der 20er Jahre erreicht die große Depression auch Savannah. Adeles Vater, ein bis dahin reicher Mann, der sich den Traum seines Lebens gerade erfüllt hat – einen riesigen Golfplatz –, verliert sein gesamtes Vermögen und erschießt sich. Die resolute Adele weigert sich, den Bankiers, die ihr die Tür einrennen, einfach alles zu verkaufen, was sie noch besitzt. Statt dessen will sie ein Golfturnier auf dem Platz veranstalten, den ihr Vater bauen ließ. Durch Geschick und Überredungskunst bringt sie zwei der bekanntesten und besten Golfspieler dazu, daran teilzunehmen: den smarten, eleganten Bobby Jones (Joel Gretsch) und den sympathischen Frauenheld und Showman Walter Hagen (Bruce McGill). Dem Sieger winken immerhin 10.000 Dollar. Adele ist sich sicher, dass es trotz Wirtschaftskrise noch genug reiche Leute gibt, die das Turnier zum Laufen bringen.
Auf einer Bürgerversammlung fordern etliche Einwohner, dass auch ein Golfspieler aus ihrer Stadt an dem Turnier teilnehmen soll. Der kleine Hardy Greaves (J. Michael Moncrief) weiß, wo sich Junuh in der Stadt befindet. Er, Adele, der Bürgermeister und einige andere versuchen, Junuh zum Spiel zu bewegen. Doch Junuh will nicht, will sich lieber weiter seiner Depression hingeben – bis ein Unbekannter auftaucht: Bagger Vance (Will Smith), der Junuh des nachts dabei überrascht, wie der doch seine Golfschläger ausgepackt hat und einen Ball nach dem anderen in den Sand setzt. Bagger bietet sich Junuh als Caddy an – für fünf Dollar. Es beginnt ein Kampf in Junuh – nicht so sehr um den Sieg im Golfturnier, sondern den über sich selbst ...
Da sind sie wieder, die mehr als beeindruckenden Bilder von Michael Ballhaus vor dem Hintergrund des gepflegten Grüns des Golfplatzes, auf dem ein Großteil des Films spielt, eine bezaubernde Südstaaten-Atmosphäre, in der eine Stadt – aus unterschiedlichen Gründen im einzelnen, aber einig darin, „ihren“ Junuh zu unterstützen – über ein Spiel der Reichen ihre wirtschaftlichen Probleme zumindest teilweise lösen will – Hochglanzbilder in Reihenfolge, mal farbenprächtig, mal zurückhaltend matt.
Man kann Redfords Film mit einem Kantenschlag den Garaus machen: da zeigt einer mal wieder, wie jemand zu sich selbst findet; schmachtendes Lehrstück; Selbsterkenntnis via Golf. Ein solcher Schlag wäre oberflächlich. Denn ein plattes Lehrstück über Selbsterkenntnis ist „Bagger Vance“ bestimmt nicht. Redford lässt sich weder auf schmalzige Übertreibungen, noch auf überpointierte Charaktere ein. Seine Figuren bleiben im Lot – selbst bzw. gerade der „Engel“ Bagger Vance. Will Smith spielt diesen Mann aus dem Nichts, der so plötzlich auftaucht wie er am Schluss wieder verschwindet, zurückhaltend und in keiner Weise als Mann mit dem Lehrbuch unterm Arm. Bagger Vance sagt Junuh die Meinung, aber auf eine indirekte, verhaltene Art, wie ein Zen-Lehrer, der keine Weisheiten von sich gibt, sondern Wege aufzeigt: Du kannst hier und Du kannst dort entlang. Der Weg wird wahrscheinlich dort hinführen, der anderen da hin. Du musst Dich entscheiden, welchen Weg Du nimmst. Das ist letztlich alles, was Bagger Vance tut. Er kommentiert, was passiert, auf eine süffisante, manchmal ironische, oft erheiternde, stille Weise. Ist er real, ein Engel, Einbildung, Junuhs Gewissen? Das spielt letztlich keine Rolle. Er macht jedenfalls seinen Job.
Junuh ist ein Mann, der inzwischen nur noch unter sich selbst leidet – und er hat viel, allzu viel Mitleid mit sich selbst. Die Kriegserlebnisse dienen ihm ausschließlich dazu, vor sich selbst, dem Golf – dem Traum seines Lebens – und Adele – der Liebe seines Lebens – davon zu laufen. Adele ist resolut und sensibel, sie will Junuh wieder. Doch sie ist mehr als wütend auf den Mann, der sich zehn Jahre lang hat nicht sehen lassen. Sie kämpft mit sich und damit, Junuh zu erklären, dass Zärtlichkeit aus seinem Leben verschwunden ist – die zu sich selbst und zu Adele.
Es ist eine Freude, Junuhs beiden Konkurrenten auf dem Golfplatz zuzuschauen – dem smarten Bobby, der sein letztes Golfspiel absolviert, und dem stets rauchenden Walter, der es liebt, stets Frauen um sich zu haben. Sie sind Konkurrenten, lieben das Golfspiel, aber sie sind keine bösartigen Gegner. Alle drei sind sportsmen, fair und ehrlich. Der kleine Hardy ist neben Adele und Bagger Vance die dritte treibende Kraft: ehrgeizig, besessen vom Golf und fähig zur Bewunderung, zur Leidenschaft.
Die drei Golfspieler beobachten sich, wägen ab. Ballhaus zeigt den Raum, auf dem sie sich bewegen, wie sie ihn abmessen, mit den Augen, mit dem ganzen Körper, wie sie ein Gefühl für den Raum bekommen, wie sie einsam mit Schläger und Ball das Ziel anvisieren, wie sie den Schlag vorwegnehmen – mit die schönsten Szenen des Films. Junuh durchläuft den Golfplatz, auf dem er anfangs überhaupt kein Glück hat und schnell etliche Punkte hinter den beiden anderen liegt, wie sein Leben. Auch das misst er ab. Bagger verklickert ihm dies, ganz sacht, fast zärtlich. Wie kommt er wieder zu einem Gefühl für sich selbst, wie kann er es abmessen, was der Krieg wirklich für ihn (noch) bedeutet, was Adele für ihn bedeutet und das Golfspiel? Wenn Junuh – als es schon fast dunkel ist und der Bürgermeister sämtliche Autofahrer herbeizitiert hat, um den Platz zu beleuchten – vor dem See steht, das Ziel in einiger Ferne hinter dem Wasser, die Sonne sich in Rot tränkt und er nur eines im Visier hat: das Fähnchen, wenn er es mit den Augen abmisst, auf den Ball schaut, wieder hoch schaut, ausholt, schlägt, dem Ball nachschaut – kaum zu sehen in der Dämmerung – wartet, der Ball aufsetzt – das sind die Momente, in denen Junuh wieder die Nähe empfindet, der er verloren hatte.
Aus solchen Geschichten und Figuren strickt man große romantische Filme ganz große Filme, auch wenn man mir widersprechen mag. „Bagger Vance“ ist ein romantischer, aber kein weinerlich triefender Film. Man kann solche Filme nur lieben oder eben nicht. Mir ging er zu Herzen, weil er Dramatik, Romantik und leichten Humor ausgewogen miteinander vereint. Manchem mögen die Sätze von Bagger Vance vorkommen wie aus einem Selbsthilfe-Lehrbuch für die Psyche. Wenn man aber genau zuhört und hinschaut, sind sie weit weniger wichtig für den Film, als es zunächst aussieht, zumal Will Smith eher als der nette, humorvolle Kerl von nebenan wirkt als irgendein selbsternannter Weiser aus dem Jenseits. Georgia is on my mind.
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