Die Wonder Boys (Wonder Boys) USA, Großbritannien, Deutschland, Japan 2000, 111 Minuten Regie: Curtis Hanson
Drehbuch: Steven Kloves, nach einem Roman von Michael Chabon Musik: Christopher Young, Bob Dylan („Things Have Changed“) Director of Photography: Dante Spinotti Montage: Dede Allen Produktionsdesign: Jeannine Claudia Oppewall
Darsteller: Michael Douglas (Grady Tripp), Tobey Maguire (James Leer), Frances McDormand (Sara Gaskell), Robert Downey Jr. (Terry Crabtree), Katie Holmes (Hannah Green), Rip Torn („Q“), Richard Knox (Vernon Hardapple), Jane Adams (Oola), Michael Cavadias (Miss Antonia Sloviak), Richard Thomas (Walter Gaskell), Screamer (Poe)
People are crazy and times are strange
„A worried man with a worried mind No one in front of me and nothing behind There's a woman on my lap and she's drinking champagne Got white skin, got assassin's eyes I'm looking up into the sapphire tinted skies I'm well dressed, waiting on the last train Standing on the gallows with my head in a noose Any minute now I'm expecting all hell to break loose.“ (1)
Intellektuelle tun sich oftmals schwer. Sie denken (zu viel? zu wenig?). Berufsintellektuellen geht es noch schlimmer: Sie müssen denken. Am schlimmsten scheint es Literaturprofessoren zu gehen, die nicht nur denken, sondern das Gedachte auch noch in literarisch einwandfreier Form zu Papier bringen müssen. Wenn nun dieses riesige Paket an Gedachtem mit den zweifellos ja nun auch vorhandenen Gefühlen in Konflikt gerät, dann gute Nacht! Noch schlimmer kann es gehen, wenn das Gedachte in episch nicht mehr zu vertretender Breite Tausende von Seiten füllt, ohne dass es jemals fertig zu werden verspricht. Eine Katastrophe! Und wenn einen solchen Literaturlehrer dann auch noch mir nichts dir nichts die eigene Frau verlässt und als „unbekannt verzogen“ gelten will, dann müsste der kluge Herr wohl dem psychischen Zusammenbruch äußerst nahe sein.
Weit gefehlt! Grady Tripp (Michael Douglas) ist eine Art Stehaufmännchen, das nichts aus der Bahn zu werfen scheint. Wenn er in seinem hässlichen roten Morgenmantel durch die eigenen vier Wände schlurft, fällt ihm schon irgend etwas ein, um Katastrophen, die da nahen, abzuwenden. Sein gerade angekommener Verleger Terry Crabtree (Robert Downey Jr.), der auch nicht mehr viel zu Wege bringt, seine Kündigung fürchtet, sich dafür allerdings mit dem Transvestiten Antonia Sloviak (Michael Cavadias) tröstet, wartet seit geschlagenen sieben Jahren auf ein neues Buch von Mr. Tripp. Vergebens. Die voll geschriebenen Blätter stapeln sich zwar zu ansehnlichen Papierhaufen – aber zum Ende kommt Tripp nicht. Zu allem Überfluss hat ihn seine Gattin Emily, die wir nur auf einem Foto kurz sehen, verlassen – aus gutem Grund: Tripp treibt es mit keiner anderen als der Kanzlerin der Universität Sara Gaskell (Frances McDormand), deren Angetrauter Walter (Richard Thomas) Tripps unmittelbarer Vorgesetzter am Institut ist.
Und dann gibt es noch die junge Studentin Hannah (Katie Holmes), der Tripp ein Zimmer in seinem Haus vermietet hat, und die immer mal wieder sanft, aber deutlich versucht, den Literaturprofessor zu verführen. Vergeblich allerdings.
„People are crazy and times are strange I'm locked in tight, I'm out of range I used to care, but things have changed.“ (1)
Curtis Hanson erzählt in „Wonder Boys“ weniger eine ausgereifte Geschichte. Er betreibt Milieustudien – und das nicht zu knapp. Er zeichnet ein äußerst humorvolles Stimmungsbild über skurrile Gestalten auf dem Campus. Michael Douglas in der Rolle des Literaturprofessors steht im Zentrum dieses Milieus: ein Mann in den „besten Jahren“, einer, der sich treiben lässt, ohne wirklichen Halt zu haben. Oder doch? Dieser Grady Tripp hält sich vor allem selbst – an sich fest. Nichts scheint ihn aus der Fassung bringen zu können. Und nur einer scheint ihn wirklich von Anfang an erkannt zu haben: Poe – der Hund mit dem literarischen Namen, der ihn nicht nur ankläfft, sondern auch „handgreiflich“ wird.
Und als das geschieht, kommen die Dinge erst so richtig ins Rollen. Schuld daran ist ein Student Tripps: James Leer (Tobey Maguire) – ein in sich selbst versunkener Typ, ruhig, ein Sonderling, keiner scheint ihn wirklich zu mögen, ein Outsider auf dem Campus, der jedoch nach Meinung Tripps sein begabtester Schüler ist, einer, der ständig lügt, ohne mit der Wimper zu zucken, einer, der sich eine Biografie bastelt, die mit seiner wirklichen Herkunft nichts zu tun hat, einer der in einem entscheidenden Moment die Verhältnisse zum Tanzen bringt: Mit einer Pistole erschießt er Poe, der Tripp ins Bein gebissen hat – und das im Hause der Gaskells. Nicht nur das: Er stiehlt Gaskell eine Jacke, die einmal Marilyn Monroe getragen haben soll. Beides – die Leiche Poes und die Jacke – lässt Tripp im Kofferraum seines Wagens verschwinden.
Was bleibt ihm anderes übrig? Jetzt kommt unser Literaturprofessor dann doch ins Wanken, sprich: Seine plötzlichen Ohnmachtsanfälle – oder sind es die Drogen, die er nimmt? – werfen ihn kurzfristig aus der Bahn. Und dann behauptet ein Mann, über den sich Tripp und Crabtree kurz vorher noch lustig gemacht hatten – auch noch, Tripps Auto sei gar nicht Tripps Auto, sondern seines – und „klaut“ seinen eigenen Wagen. Schlimmer noch: Sara ist sich gar nicht so sicher, ob sie das Kind, das sie von Tripp im Bauch trägt, wirklich bekommen will.
Tripp selbst schwankt: Was soll er tun? James dessen Eltern ausliefern, um ihn los zu werden, den Hund begraben, die Jacke verschwinden lassen? Und was macht er mit Sara, die er haben will?
„This place ain't doing me any good I'm in the wrong town, I should be in Hollywood Just for a second there I thought I saw something move Gonna take dancing lessons do the jitterbug rag Ain't no shortcuts, gonna dress in drag Only a fool in here would think he's got anything to prove.“ (1)
Immer enger zieht sich der Strick um Tripps Hals. Alle ziehen ihn in Schwierigkeiten. Dabei hat er schon mehr als genug davon. Curtis Hanson inszeniert dieses Stimmungsbild um einen verkorksten, ideenlosen, liebenden, bis über beide Ohren in Problemen steckenden Literaturprofessor mit einer guten Portion Humor. Situationskomik und intelligente, witzige Dialoge kennzeichnen den Streifen ebenso wie exzellente schauspielerische Leistungen. Wenn Michael Douglas Tripp in seinem roten Morgenmantel vors Haus geht, dann spielt Douglas fast schon gegen sein eigenes Image als gut angezogener – negativ oder positiv besetzter – „Held“ in vielen seiner anderen Rollen. Tobey Maguire als Outsider, der gar nicht so outside ist, und Robert Downey als leicht exzentrischer, leicht durchgeknallter Verleger und nicht zuletzt die wirklich bezaubernde Frances McDormand als Kanzlerin und heimliche Geliebte Tripps geben dieser Posse einen ganz eigenen Reiz.
Dass dieses Stück mit einem Happyend schließt, provoziert keine Proteste, sondern in diesem Fall begründeten Applaus. Das hat seinen Grund darin, dass Hanson niemals übertreibt oder die Handlung aus den dramaturgischen Fugen geraten lässt.
(1) Bob Dylan: „Things Have Changed“
© der Bilder: Concorde Filmverleih GmbH
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