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Dogma (Dogma) USA 1999, 130 Minuten Regie: Kevin Smith
Drehbuch: Kevin Smith Musik: Alanis Morissette, Howard Shore Director of Photography: Robert D. Yeoman Montage: Scott Mosier, Kevin Smith Produktionsdesign: Robert Holtzman, Elise G. Viola, Diana Stoughton
Darsteller: Linda Fiorentino (Bethany Sloane), Ben Affleck (Bartleby), Matt Damon (Loki), Alan Rickman (Metatron), Salma Hayek (Serendipity), Chris Rock (Rufus), Jason Lee (Azrael), Jason Mewes (Jay), Kevin Smith (Silent Bob), George Carlin (Cardinal Ignatius Glick), Bud Cort (John Doe Jersey), Alanis Morissette (God), Jeff Anderson (Waffenverkäufer), Brian O’Halloran (Grant Hicks), Janeane Garofalo (Liz)
He’s lonely, but he’s funny
Blasphemie heißt auf deutsch wohl Gotteslästerung. Wer was unter Blasphemie versteht, ist äußerst unterschiedlich und unterliegt dem kulturellen Wandel der Zeit. Die amerikanische Catholic League, eine kleine, aber feine Bande von Leuten, die nichts anderes zu tun haben, als sich als katholische Besserwisser und Moralwächter immer dann ins Zentrum der Öffentlichkeit zu stellen, wenn es um die Verteidigung ihrer reinen Lehre geht, sah natürlich in Kevin Smiths („Clerks“, 1994; „Jay und Silent Bob schlagen zurück“, 2001) verwickelter und verwinkelter Farce „Dogma“ ein solches Produkt des Teufels gegen den Allmächtigen. Eines sei vorweggenommen: „Dogma“ ist weder ein antireligiöser noch im engeren Sinn ein antikatholischer Film – im Gegenteil. Kevin Smith selbst äußerte sich gegen die institutionelle Religion, aber nicht gegen den Gottesglauben (auf der DVD sagt er einiges dazu), auch nicht den katholischen, und scheint selbst ein gläubiger Christ zu sein.
Dass, was er mit „Dogma“ in die Kinos brachte, ist abseits des Streits um Blasphemie eher eine Mischung aus Zivilisationskritik und der Beschwörung urchristlichen Glaubens.
Zwei Engel, Loki (Matt Damon) und Bartleby (Ben Affleck), wurden einst von Gott verbannt, weil sich Loki weigerte, weiterhin das Schwert Gottes gegen die Ungläubigen und Frevler zu schwingen. Nun müssen sie in der amerikanischen und langweiligen Provinz, in Wisconsin, ihr ewiges Dasein fristen. Ab und an greifen sie sich einen modernen Frevler, einen Ehebrecher oder auch die geschäftsmäßigen Götzendiener einer Firma, und befördern sie mit der Feuerwaffe ins Jenseits – mehr aus jahrhundertelanger Gewohnheit, denn aus Überzeugung. Sie haben die Schnauze gestrichen voll, wollen zu Menschen werden, sterben und endlich wieder in den Himmel zurück. Wisconsin! Furchtbar!
Da bietet sich ihnen eine Chance. Kardinal Ignatius Glick (George Carlin), ein für seine Verhältnisse etwas schräger Vogel, will durch frischen Wind die Kirche wieder zum Leben erwecken und den Muff von tausend Jahren unter den Kutten und Putten vertreiben. „Catholicism – Wow!“ nennt er seine Kampagne. Die gekreuzigte Jesusfigur wird flugs durch eine „Der lachende Kumpel von nebenan“-Statue ersetzt. Zudem plant der reformfreudige Kardinal einen Generalablass für alle Sünden und Sünder. Loki und Bartleby sehen ihr Ziel direkt vor Augen. Würden all ihre Sünden vergeben, könnten sie Menschen werden, sterben und in den Himmel zurückkehren. Die Sache hat nur einen Haken: Wenn sie das schaffen, wäre die Unfehlbarkeit Gottes in Frage gestellt, es würde weder Himmel, noch Hölle, noch Erde geben – Chaos en masse und Weltuntergang.
Ergo schickt Gott seine Stimme Metatron (Alan Rickman) auf die Erde, um den Plan der beiden gefallenen Engel zu vereiteln. Gott selbst kann sich um die Sache nicht kümmern, er ist verschwunden, und Metatron weiß nicht so genau, wo sich der Allmächtige befindet, vermutet, er sei beim Minigolf-Spiel versackt – oder weiß Gott wo. Mittel zum Zweck seiner Gegenwehr ist – ausgerechnet – Bethany (Linda Fiorentino), die in einer Abtreibungsklinik arbeitet; sie soll die gefallenen Engel am Betreten der Kirche hindern. Warum ausgerechnet sie? Metatron redet zunächst um den heißen Brei herum, bis er nach und nach damit rausrückt, dass sie ... na ja, ich verrate es nicht.
Doch sie soll das Geschäft nicht allein erledigen. Zwei abgefahrene „Propheten“ stellt Metatron an ihre Seite: den ewig quasselnden Jay (Jason Mewes) und den ewig schweigenden Silent Bob (Kevin Smith), die nichts anderes im Kopf zu haben scheinen als Sex in jeder Hinsicht und in jeder Lage. Dass sie Propheten sind, begreifen sie erst ganz am Schluss. Unterstützung erfährt Bethany zusätzlich durch die Muse aller Musen Serendipity (Salma Hayek) und den in der Bibel verschwiegenen 13. Apostel Rufus (Chris Rock), den einzigen schwarzen Apostel, der behauptet, auch Jesus sei schwarz und Gott eine Frau (zumindest sehe er /sie aus wie eine Frau).
Allerdings haben Bartleby und Loki auch Helfer: den Dämon Azrael (Jason Lee) und seine drei Skateboard fahrenden Gehilfen, die Bethany daran hindern wollen, zur Kirche in New Jersey zu gelangen. Damned! Der Kreuzzug beginnt ...
Abgefahren! Das kennzeichnet Kevin Smiths Film wohl am besten. Nach irgendeiner Form von Logik sollte man sich beim Genuss dieser Farce nicht unbedingt fragen, jedenfalls nicht, was christliche Lehre und Bibelfestigkeit angeht. Darum geht’s aber auch nicht. Ob Engel, Menschen, Dämonen – es menschelt nur so in „Dogma“. Die beiden gefallenen Engel wirken wie vom Leben enttäuschte Figuren, die endlich ihr Glück machen wollen und nicht verstehen, wie Gott immer noch hinter einer solchen Menschheit stehen kann, die durch und durch sündhaft und lasterhaft durch die Weltgeschichte braust und saust, während sie selbst endlich ins Himmelreich zurückkehren wollen. Soll sie doch sang- und klanglos untergehen, diese verrohte Menschheit. Egoismus macht sich breit.
Affleck und Damon spielen diese beiden Gestalten als Enttäuschte in einer unperfekten Welt, zwischen dem Glauben an das Heilsversprechen und der Fehlbarkeit des Menschen, sie streiten sich, philosophieren und denken letztendlich an nichts anderes als an sich selbst. Quod erat demonstrandum! Auch sie sind fehlbar. Das Pärchen Jay und Silent Bob hat sich darauf spezialisiert, nur noch an einem festzuhalten: SEX! Da kennen sie keine Schranken und lassen alle moralischen Hüllen fallen, allein, das von ihnen ausgewählte Objekt ihrer Begierde, Bethany, weigert sich strikt und geschickt, ihrem permanenten Drängen nachzugeben. Trotzdem zwei irgendwie nette Kerle, die Bethany immer zur Seite stehen. Alan Rickman als Stimme des Herrn ist einfach köstlich; er kennt alle Schwächen der Menschen, weiß, was zu tun ist und hat trotzdem seinen Humor nicht verloren. Er kennt aber auch seinen Gott, den einsamen, aber lebenslustigen Gott, der ab und an in Gestalt eines Menschen unerkannt die Erde besucht, um Minigolf zu spielen: Alanis Morissette, der / die / das Gott, der / die / das schweigen muss, weil Menschen ansonsten durch ihre / seine gewaltige Stimme zerplatzen würden. Am Schluss tänzelt diese(r) Gott durch ein Rosenbeet, erfreut sich an den Blumen und macht einen nicht ganz perfekten Handstand am Baum. Ein unfehlbarer Allmächtiger? Na ja.
Linda Fiorentino, die die zweifelnde Gläubige spielt, weil Bethany von ihrem Mann verlassen wurde, da sei keine Kinder bekommen kann, mimt sehenswert eine in allen Situationen mehr oder weniger standhafte Frau, die sich ihrem Schicksal als Retterin der Menschheit hingibt. Die sympathische Stimme Gottes, Metatron, verschafft ihr Mut und Vertrauen. Und das ist es, was Smiths Film durchweg – neben trockenem wie äußerst feuchtem Humor – auszeichnet. Ganz unterschiedliche Menschen, Engel suchen einen Weg zwischen theologischer Orthodoxie und verknöcherter Dogmatik hier und der Unvollkommenheit menschlichen Daseins da. Man mag diese Positionierung für trivial oder banal halten. Doch Smith entreißt religiöse Fragen, spirituelle Gefühlslagen und damit verbundene Konflikte unter der Hand oder auch ganz offen und drastisch der institutionalisierten Religion, den selbst ernannten Wächtern des „richtigen“ Glaubens. Für ihn ist Kirche nicht ein Ort der Angst oder gar des Schreckes, der devoten Haltung, der Selbstkasteiung und der Sinnes- und Lustfeindlichkeit. Gott ist vor allem Lebensfreude und als Rückbezug der Menschen auf die transzendente Frage nach dem Grund des Seins die Möglichkeit einer Erleuchtung, die nicht in den Wolken respektive im Jenseits verankert ist, sondern handfest im diesseitigen Leben. Insofern ist „Dogma“ ein durch und durch religiöser Film, der gleichzeitig die Anmaßung päpstlicher Unfehlbarkeit nicht nur anzweifelt, sondern ablehnt.
Smith hält seine Figuren stark an der Realität gegenwärtigen Lebens, was nicht ausschließt, dies mit abgefahrenen Humor zu untermauern. Aber „Dogma“ driftet eigentlich nie in die Sphären des Lächerlichen oder Dämlichen, so dämlich sich einige vielleicht manchmal verhalten mögen. Selbst das Auftauchen des „Scheiß-Dämons“ aus dem Klosett, der sich aus den Fäkalien der in Golgatha Gekreuzigten zusammensetzt, mag zwar dem guten Geschmack einiger Leute den Rest geben. Ich fand es köstlich, wie Silent Bob ihn mit einem Raumspray ein für allemal erledigt.
„Dogma“ ist kein „Anti-Dogma“ im Sinne einer philosophisch gelehrten Auseinandersetzung mit dem Katholizismus. Smith verortet die Auseinandersetzung auf der Ebene seiner unterschiedlichen und in sich widersprüchlichen Figuren. Und bei allem darf man nicht vergessen, dass es sich um Ironie, Sarkasmus, um eine Farce handelt, die zu allererst Freude bringen soll. Wer sich einer dogmatischen Feindschaft kirchlicher Glaubensgrundsätze und kirchlicher Politik verschrieben hat, wird diesen Film ebensowenig gut finden wie die Gralshüter der Catholic League – da treffen sich die Extreme. Ich bin Atheist. Aber ich verstehe trotzdem diejenigen, die in Gott – in welcher Form und Gestalt auch immer – eine sinnstiftende Transzendenz sehen. Und, machen wir uns nichts vor: Transzendenz, religiös oder nicht, gehört zu unser aller Leben, weil der Tod es beendet.
In dieser Hinsicht ist „Dogma“ allerdings nicht immer überzeugend. Der schmale Grat zwischen abgefahrener Farce und (mehr oder weniger) ernsthafter Auseinandersetzung mit religiösen Fragen ist nicht durchweg so ausgewogen, wie Smith es vielleicht beabsichtigte. Das geht auf Kosten dieser Fragen. Manchmal versackt der Humor auch angesichts etwas gekünstelter Dialoge und umständlicher Handlungsmomente.
Alles in allem aber war „Dogma“ ein „Heiden“-Spaß! auch für Nicht-Heiden. It works, jedenfalls im Großen und Ganzen. Beleidigt oder in seinen religiösen Gefühlen verletzt wird hier niemand. Dazu ist der Film selbst zu religiös. Dogmatiker aller Sorten allerdings müssen sich angegriffen fühlen, weil Smith auf dem Sinn allen Religiösen – und zwar unabhängig in welcher Religion – beharrt. Und sein lebenslustiger Gott gefällt mir allemal mehr als der Rächer-Gott so mancher christlicher Fundamentalisten, die als „Lebensschützer“ Frauen und Ärzte angreifen, auch physisch, weil sie Abtreibung befürworten, und gleichzeitig zum heiligen Krieg gegen „die Ungläubigen“ aufhetzen. Nein danke.
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