Donnie Brasco
(Donnie Brasco)
USA 1997, 127 Minuten
Regie: Mike Newell

Drehbuch: Paul Attanasio, nach dem Buch von Joseph D. Pistone und Richard Woodley „My Undercover Life in the Mafia”
Musik: Patrick Doyle
Director of Photography: Peter Sova
Montage: Jon Gregory
Produktionsdesign: Donald Graham Burt

Darsteller: Al Pacino (Benjamin „Lefty” Ruggiero), Johnny Depp (Donnie Brasco / Joseph D. Pistone), Michael Madsen (Sonny Black), Anne Heche (Maggie Pistone), Bruno Kirby (Nicky), James Russo (Paulie), Gerry Becker (Dean Blandford), Robert Miano (Sonny Red), Brian Tarantina (Bruno), Rocco Sisto (Richard Gazzo)

„I'm not becoming like them; I am them”

Mike Newells 1997 inszenierter Mafiafilm reiht sich nicht unbedingt in die sonst üblichen Genre-Eigenheiten ein. Der Film fußt auf den autobiografischen Aufzeichnungen des FBI-Agenten Joseph D. Pistone, der 1978 im Rahmen einer breit angelegten Aktion der Sicherheitskräfte in New York gegen den „Mob” als Undercover-Agent tätig war, um die Strukturen und personellen Verflechtungen der Mafia aufzudecken. Damals war Little Italy im Süden Manhattans noch ein Zentrum des örtlichen (italienisch-stämmigen) Mobs. In der Mulberry Street an der Grenze zwischen Little Italy und Chinatown, einer heutzutage von Touristen frequentierten Gegend, wurde Pistone – ausgestattet mit einer lückenlos gefälschten Biografie – als Donnie Brasco (Johnny Depp) eingesetzt, um sich über den Kontakt mit dem Mafiosi Benjamin Ruggiero (Al Pacino), den alle Lefty nennen, Zugang zur Mafia zu verschaffen.

Newell wurde bekannt durch „Vier Hochzeiten und ein Todesfall” (1994) und drehte u.a. auch „Mona Lisas Lächeln” (2003) und „Harry Potter und der Feuerkelch” (2005).

Einen Diamanten, den Lefty verkaufen will, erkennt Brasco als Fälschung. So kommt er in Kontakt mit dem nach außen sich als starker Mafiosi präsentierenden Lefty, der Brasco sympathisch findet, sich natürlich über ihn erkundigt, und als ihn diese Informationen als „sauber” erscheinen lassen, in den Mob einführt. Brasco muss sich anders kleiden, seinen Schnurrbart abrasieren und sich den Regeln des Mobs unterwerfen.

So kommt Brasco auch in Kontakt mit dem skrupellosen Sonny Black (Michael Madsen), der nach der Ermordung des örtlichen Mafiabosses – hinter der er wahrscheinlich selbst steckt – die Macht im Viertel übernimmt. Black stützt sich auf Lefty und Brasco, vor allem aber auf Paulie (James Russo) und Nicky (Bruno Kirby), um seine Machtposition zu festigen.

Währenddessen berichtet Brasco über einen Verbindungsmann dem FBI ständig über seine Erkenntnisse. Ein im Stiefel verstecktes Minitonband ist die wesentliche Informationsquelle für die Ermittler. Als der FBI-Ermittler Blandford (Gerry Becker) auftaucht und verlangt, dass Brasco sich nach Miami begibt, um sich für einen dort tätigen verdeckten Ermittler namens Gazzo (Rocco Sisto) zu verbürgen, reagiert Brasco ablehnend. Er glaubt, man wolle ihm ins Handwerk pfuschen. Trotzdem nimmt er Kontakt zu Gazzo auf und lanciert in den Mafiakreisen, in Miami könne man ein großes Geschäft machen. Blandford will diese Falle stellen, um Black und seine Leute schneller hochgehen zu lassen. Für Brasco wird die Situation zunehmend brenzliger, als es zu einem Krieg zwischen Black und dem konkurrierenden Mafiosi Sonny Red (Robert Miano) kommt. Und außerdem hat Brasco Ärger mit seiner Frau Maggie (Anne Heche), weil er wegen der verdeckten Ermittlungen wochenlang nicht zu Hause erscheint und die drei Kinder nicht sieht ...

Im Mittelpunkt dieser überwiegend sehr nüchtern, aber in vielen Sequenzen auch sehr emotional inszenierten Geschichte steht die Beziehung zwischen Brasco und Lefty. Lefty – großartig gespielt von „Paten”-Darsteller Al Pacino – ist einer jener Mafiosi, die genau wissen, dass sie innerhalb des Mobs keinen Aufstieg zu erwarten haben. Er weiß, dass er immer der kleine, miese Zuträger der Bosse sein wird. Außerdem hat er persönliche Probleme: Zum einen ist sein Sohn drogensüchtig und immer in Gefahr, an der Nadel zu sterben. Zum anderen ist Lefty impotent. In Brasco sieht Lefty vielleicht so etwas wie einen „Ersatz”-Sohn, zugleich aber – uneingestanden, aber doch spürbar eine Art Freund, soweit dies unter den Bedingungen der Mafia überhaupt möglich ist.

Die immer weitergehende Einbindung Brascos in die Mafia andererseits führt für ihn zum einen zu einer immer stärkeren Abkehr von seiner Familie – seine Frau will sich scheiden lassen, eine Paartherapiesitzung bringt absolut nichts. Zum anderen wird die Beziehung zu Lefty auch für ihn zu einer Art Freundschaft, obwohl Brasco weiß, welchen Dreck Lefty am Stecken hat.

In diesem Spannungsfeld entwickelt Newell eine Geschichte, in deren Verlauf immer deutlicher wird, dass sie für Lefty in einer Katastrophe enden muss. Lefty ist sich dessen bewusst. Al Pacino spielt einen Mafiosi, der instinktiv weiß, dass er dem Mob und seinen Strukturen letztlich nicht lebend entkommen kann – vor allem weil er keine Alternative zu diesem Leben kennt und sich vorstellen kann. Lefty reproduziert in Sprache, Verhalten und Handeln immer wieder die Regeln des Mobs, obwohl er weiß, dass dies für ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich enden wird.

Und Brasco wird dies – je mehr er sich in die Strukturen des Mobs verwickelt – ebenso klar. Was er jedoch zunächst nicht begreift, ist, wie weit er bereits diese Regeln internalisiert hat. Dies wird besonders im Verhältnis zu seiner Frau deutlich – in verbaler und einmal auch körperlicher Gewalt. Brasco hat irgendwann eine engere Beziehung zu Lefty als zu seiner Frau und zu seinen Kindern.

Trotz der Tatsache, dass das Verhältnis zwischen Maggie und Donnie bis zum Bersten gespannt ist, hält Maggie an der Beziehung fest; das Scheidungsverlangen erscheint eher als Hilferuf, denn als wirkliche Absicht. Dies und die Einsicht der Vorgesetzten von Brasco, man müsse die Aktion abbrechen und ihn zurückziehen, rettete Brasco letztlich das Leben. Seine Eingebundenheit in den Mob lässt ihn nicht einmal merken, dass Lefty zum Schluss sogar bereit ist, Brasco zu ermorden, um seine eigene Haut (möglicherweise) noch zu retten.

Die eigentlich tragische Figur bleibt Lefty; denn er hat und er sieht keine Möglichkeit, seinem Schicksal zu entkommen wie Brasco – auch wenn es für letzteren nur knappe Rettung gibt. Der Film reproduziert natürlich viele Klischees über die Mafia, aber das stört wenig angesichts der zentralen Bedeutung der Entwicklung des Verhältnisses zwischen Brasco und Lefty. Johnny Depp macht seine Sache gut, ist Pacino ebenbürtig, und auch Anne Heche liefert eine gute Leistung.

„Donnie Brasco” kommt in der Frage der Aufdeckung der Mechanismen der Mafia-Strukturen sicherlich nicht an Coppolas Paten-Trilogie oder Scorseses „Good Fellas” heran, bleibt aber dennoch ein äußerst sehenswertes Drama.

© Bilder: Constantin Film