Eine Wahnsinnsfamilie
(Parenthood)
USA 1989, 124 Minuten
Regie: Ron Howard

Drehbuch: Lowell Ganz, Babaloo Mandel, Ron Howard
Musik: Randy Newman, Stephen Perkins, Burt Bacharach u.a.
Director of Photography: Donald McAlpine
Montage: Daniel P. Hanley, Mike Hill
Produktionsdesign: Todd Hallowell, Christopher Nowak, Nina Ramsey

Darsteller: Steve Martin (Gil Buckman), Mary Steenburgen (Karen Buckman), Jasen Fisher (Kevin Buckman), Dianne Wiest (Helen Buckman Lampkin), Martha Plimpton (Julie Buckman-Lampkin Hawkes), Joaquin Phoenix (Garry Buckman-Lampkin), Keanu Reeves (Tod Hawkes), Harley Jane Kozak (Susan Buckman Merrick), Rick Moranis (Nathan Merrick), Tom Hulce (Larry Buckman), Jason Robards (Frank Buckman), Eileen Ryan (Marilyn Buckman), Helen Shaw (Großmutter Buckman), Dennis Dugan (David Brodsky), Paul Linke (George Bowman)

Familie ist Chaos – Chaos ist schön ?!

Aber nicht verzagen. Ein Muntermacher aus Amerika wird Euch eines Besseren belehren, irgendwie mit dem Durcheinander fertig zu werden.  Familie ist Chaos, und Papa Gil Buckman (Steve Martin) mag kein Chaos. Alles muss seine Ordnung und seinen Platz im Leben haben – und vor allem behalten. Gil steht auf verlorenem Posten. Und den einzigen, dem das massive Probleme bereitet, ist Gil. Seine Frau Karen (Mary Steenburgen) sieht’s da wesentlich gelassener. Drei Kinder bringen die Family ordentlich durcheinander, sorgen für Wirbel: die Kleinen, Justin und Taylor, und der etwas ältere Kevin (Jasen Fisher), dem allzu eifrige Pädagogen „auffälliges Verhalten“ nachsagen und die ihn in die Therapie und auf eine Sonderschule schicken wollen. Dabei ist Kevin nur ein bisschen überempfindlich. Justin rennt gern mit dem Kopf gegen Türe oder Wände. Und Taylor liebt es, ihrem Vater am Bein zu hängen und Videobänder zu „analysieren“.

Ron Howard („Apollo 13“, 1995; „A Beautiful Mind“, 2001) drehte 1989 eine muntere Komödie über das, was alle Amerikaner und alle anderen Menschen am meisten lieben (und hassen?): Familie. Eine Komödie, die nicht in Albernheiten abgleitet, sondern ihr Thema zugleich ernst nimmt. Howard beschränkt sich nicht auf Karens und Gils Familie, nein, nein. Da sind noch Gils Geschwister: das schwarze Schaf Larry (Tom Hulce, der Mozart aus Milos Formans „Amadeus“, 1984), der keinen Boden unter die Füße bekommt und mit erheblichen Wettschulden bei Buchmachern in der Kreide steht, die ihn mit dem Tod bedrohen, falls er nicht zahlt. Gils Schwester Helen (Dianne Wiest), deren Mann sie wegen einer jüngeren Frau verlassen hat und die mit ihrer flügge werdenden Tochter Julie (Martha Plimpton) und dem sonderlichen Sohn Garry (Joaquin Phoenix als 15jähriger) etliche Probleme hat. Julie, gerade mal 16, hat nämlich heimlich den Jungspund Tod (Keanu Reeves) geheiratet. Garry rebelliert, weil sein Vater ihn ablehnt; er vertreibt sich die Zeit mit Pornofilmen und macht aus seinem Zimmer eine Müllkippe.

Last but not least hat Gils Schwester Susan (Harley Jane Kozak) Probleme mit ihrem Mann Nathan (Rick Moranis), der meint, er müsse der vierjährigen Tochter Algebra, Astronomie und fernöstlichen Kampfsport beibringen, damit aus dem Kind mal was wird.

Oberhaupt der Familie ist Gils Vater Frank (Jason Robards), ein manchmal etwas mürrischer 64jähriger, der nicht besonders nett ist zu seiner Frau Marilyn (Eileen Ryan), dem seine Riesenfamilie auf den Geist geht und dessen ganzer Stolz ein von ihm zurecht gemachter Oldtimer ist. Über all diese kleinen und großen Familienmitglieder wacht Gils steinalte Großmutter (Helen Shaw), die – wo es angebracht ist – ihre Weisheiten verkündet, die zumeist den Nagel auf den Kopf treffen – auch wenn sie dann statt in Gils Auto in das der Nachbarn steigt.

Howard wirft einen ironischen und doch zugleich ernsten Blick auf vier Generationen, betrachtet das Erwachsene in Kindern und das Kindliche in Erwachsenen, trennt fein säuberlich wirkliche Probleme von scheinbaren, listet die Irrtümer von Erwachsenen auf, die meinen, man könne die Zukunft ihrer Kinder mehr oder weniger genau planen – und trotz einer ganzen Handvoll Kinder und Kindeskinder, Väter, Mütter und Großeltern bleibt „Parenthood“ ein übersichtlicher Film, der viel Vergnügen bereitet.

Martin ist hier in seinem Element, findet die richtige Balance zwischen Tragik und Humor und gefiel mir besser als in so manch anderen Komödien. Als Gil hat er nicht nur ein Problem mit seinem Sohn Kevin, der beim Sport versagt und in die Therapie soll, sondern auch mit seinem Job: ein anderer soll den besser bezahlten Posten in der Firma bekommen. Und dann verkündet ihm Karen zu allem Überfluss auch noch, sie sei schwanger. Karen hingegen ist in dem ganzen Chaos die Ruhe in Person und muss ihren Mann des öfteren auf den Boden der Tatsachen zurückbringen, besonders, wenn Gil von einem geordneteren Leben träumt oder davon, ein besserer Vater zu sein als sein eigener.

Rick Moranis spielt einen jener Väter, die sich der Illusion hingeben, man müsse seine Kinder von früh auf intellektuell trimmen. Die Kleine hat diesen Drill bereits so weit verinnerlicht, dass sie nicht verstehen kann, wie einer der Söhne Gils auf einer Geburtstagsfeier aus lauter Spaß einfach im Kreis herumläuft, bis ihm schwindlig wird: „Welchen Sinn hat das, was er da macht?“

Howard besetzte die Rollen mit durchweg hervorragend aufgelegten Schauspielern. Neben Martin, Steenburgen, Moranis und Kozak können vor allem Dianne West, natürlich Jason Roberts und Tom Hulce, aber auch Phoenix, Reeves und Plimpton überzeugen. Die Konflikte in der Großfamilie sind nicht weit hergeholt und werden in etlichen Szenen überzeugend dargebracht. Das gilt vor allem für die Auseinandersetzungen zwischen Susan und Nathan, Frank und dem schwarzen Schaf Larry hier, Gil auf der anderen Seite sowie zwischen Helen und ihren beiden Heranwachsenden.

„Parenthood“ endet mit einem allseitigen Happyend, das allerdings nicht den üblichen Hollywood-Klischees nacheifert, sondern tatsächlich Lösungen für die allseitigen Konflikte bietet, die realistisch sind. Die Versöhnung zwischen Susan und Nathan ist hier vielleicht der einzige kleine Ausrutscher.

Howard gelang mit „Parenthood“ eine exzellente Mischung aus Komik und Tragik, zumal er nichts festklopft. Alles wird von verschiedenen Seiten betrachtet. Es gibt nicht die, die alles richtig oder falsch machen. Jeder hat seine Macken und Vorteile, selbst Tom Hulce als Larry, für den und für dessen kleinen Sohn sich auch eine Lösung findet – auch wenn die nicht unbedingt das Gelbe vom Ei ist. Howard hat genau hingeschaut, was zwischen den Generationen abläuft, und Ganz und Mandels Drehbuch füttert die Geschichte entsprechend mit guten Dialogen, Spannung, Unterhaltung, Witz und Dramatik.

Alles in allem eine der wenigen durchweg gelungenen Komödien, die zwar – wie viele andere – die amerikanische Familie feiert, aber realistisch bleibt und die Augen offen hält.