Femme Fatale
(Femme Fatale)
USA, Frankreich, Deutschland 2002, 110 Minuten
Regie: Brian de Palma

Drehbuch: Brian de Palma
Musik: Ryuichi Sakamato
Director of Photography: Thierry Arbogast
Montage: Bill Pankow
Produktionsdesign: Anne Pritchard, Denis Renault

Darsteller: Rebecca Romijn-Stamos (Laura /Lily), Antonio Banderas (Nicolas Bardo), Peter Coyote (Watts), Eriq Ebouaney (Black Tie), Edouard Montoute (Racine), Rie Rasmussen (Veronica), Thierry Frémont (Serra), Gregg Henry (Shiff), Fiona Curzon (Stanfield Phillips), Daniel Milgram (Pierre / Barkeeper), Eva Darlan (Lilys Mutter), Sandrine Bonnaire (Sandrine Bonnaire), Régis Wargnier (Régis Wargnier), Gilles Jacob (Gilles Jacob)

Femme catastrophique

Barbara Stanwyck schießt auf Fred MacMurray – im Film „Frau ohne Gewissen“ von Billy Wilder aus dem Jahre 1944. Im Fernsehen spiegelt sich eine junge Frau, die den Film anschaut. Die Stanwyck schießt daneben und erklärt MacMurray, sie habe ihn nie geliebt, nur jetzt im letzten Augenblick. Black Tie (Eriq Ebouaney) ist ein Gangster wie aus dem Bilderbuch. Er nähert sich der jungen Frau, Laure (Rebecca Romijn-Stamos), vergewissert sich ihrer kommenden Rolle bei dem geplanten Diamantenraub auf den Filmfestspielen von Cannes 2001. Eine deftige Ohrfeige soll Laure Beine machen. Das Problem: Die Diamanten sind nicht nur bewacht. Sie hängen einem Modell (Rie Rasmussen) am Körper, sozusagen als erotische Ersatzkleidung. Laure zieht die junge Frau in eine moderne, geradezu schicke Damentoilette und beginnt sie zu verführen. Veronica – so heißt das attraktive Modell – ist alles andere als abgeneigt. Und während Laure der Verführten nach und nach die wertvolle Pracht vom Körper knüpft und auf den Boden sinken lässt, tauscht Black Tie die Diamanten gegen Kopien aus Glas und anderem Plunder. Doch der Coup fliegt auf. Black Tie wird angeschossen und „darf“ später ins Gefängnis. Laure allerdings entkommt mit der wertwollen Beute. Glück im Unglück hat Laure auch weiterhin, denn sie wird von einem Ehepaar aufgenommen und kommt unverhoffter Weise zu einem Flugticket für die USA.

Ein vielversprechender Anfang im Film von Brian de Palma („Die Unbestechlichen“, 1987; „Carlitos Way“, 1993; „Mission Impossible“, 1996; „Spiel auf Zeit“, 1998). Das was jedoch folgt, ist eine mittlere Katastrophe und zudem extrem langweilig. Doch zuerst noch kurz zur weiteren Handlung.

Im Flugzeug lernt Laure den Amerikaner Watts (Peter Coyote) kennen, wird dessen Frau und kehrt sieben Jahre später nach Frankreich zurück, weil ihr Mann inzwischen zum US-Botschafter ernannt wurde. Pech für Laure. Sie versucht alles, um unerkannt zu bleiben. Doch der Papparazzo Nicolas Bardo (Antonio Banderas) lichtet sie ab, und bald hängt ihr Bild an allen möglichen Werbeflächen. Schnell hat Laure Black Tie, der inzwischen aus dem Gefängnis entlassen wurde, im Nacken, aber auch Bardo verfolgt die femme fatale auf Schritt und Tritt. So muss sie sich etwas einfallen lassen, um zu entkommen. Sie täuscht eine Entführung vor, bei der Bardo als Tatverdächtiger da steht, und erpresst gleichzeitig ihren Mann, dem sie weismacht, der Entführer verlange 10 Mio. Dollar Lösegeld. Allerdings kommt alles etwas anders, und zum Schluss überrascht de Palma mit einer Wendung sein Publikum:

Der „Clou“: Laure hat dies alles in der Badewanne geträumt, sozusagen „vor-geträumt“. Sie lag in der Badewanne des Ehepaares, das sie aufgenommen hatte, und war eingeschlafen. Da erschien ihr im Schlaf eine junge Frau, der das Ticket in die USA gehörte und die sich wegen des Verlusts von Mann und Kind umbringen wollte. Laure schaute heimlich zu, wie Lily sich erschoss, und nahm das Ticket an sich. Dann der Traum (siehe oben). Dann wacht sie in der Badewanne auf. Die junge Frau kommt tatsächlich und will sich erschießen. Nach kurzem Überlegen greift Laure nun ein, erzählt Lily, sie solle nach New York fliegen, sie lerne im Flugzeug den Mann ihres Lebens kennen (Laure geht davon aus, dass ihr Traum eine Vision war). Laure gibt ihr einen Teil des Geldes aus dem Verkauf der gestohlenen Diamanten. Black Tie und Co. sterben beim Versuch, der beiden Frauen habhaft zu werden. Und Laure lernt Nicolas, den Papparazzo kennen und wahrscheinlich lieben. Ende.

De Palma selbst meinte zu seinem Film, es gehe um Obsession (femme fatale), um Wahrheit und Täuschung, um die Lügen, die das Kino verbreitet, also um Wahrnehmung und darum, wie Bilder trügen können. Was er – der auch das Drehbuch schrieb – inszenierte, ist an tödlicher Langeweile und miserablen schauspielerischen Leistungen kaum zu überbieten. Der Zuschauer wird bis zur Badewannen-Szene kurz vor Schluss zwar ordentlich hinters Licht geführt, doch mit was für einer banalen, nichtssagenden und klischeebeladenen Geschichte? Rebecca Romijn-Stamos, die Roger Ebert – begeistert von „Femme Fatale“ – mir unverständlich als Hitchcock-Blondine charakterisierte, ist alles andere als eine femme fatale. Ihre Versuche in diese Richtung können über die Unfähigkeit der Aktrice kaum hinwegtäuschen. Ähnliches gilt für Banderas, der sich hilflos durch die Handlung müht und von dem ich inzwischen behaupten würde, dass er nicht mehr als ein mittelmäßiger Mime ist. Die abgeschmackten Dialoge tun ein übriges, um der simplen Kriminalstory so ziemlich alles an inhaltlicher Qualität zu nehmen.

Es mag sein, dass es de Palma um die Darstellung des Zusammenhangs von Wahrheit, Lüge, Täuschung und Kino ging. „Femme Fatale“ ist in dieser Hinsicht jedoch weder als Satire oder Komödie, noch als ernsthaftes Drama um diese Themen zu begreifen. Der vielversprechende Anfang – die Verführungsszene – ist so ziemlich der einzige interessante Aspekt des Streifens. Danach passiert im Grunde nichts mehr, was irgendwie Bedeutung hätte. Zu gewollt, konstruiert und trivial kommt de Palma mit seinen Täuschungsmanövern in bezug auf Wahrnehmungsmechanismen seinem Publikum entgegen. Besser gesagt: Er stößt uns vor den Kopf. Die Handlung wird von einer derart großen Anzahl von Zufällen, glücklichen Wendungen, Dummheiten der Figuren und ähnlichem gesteuert, dass sie nicht ernst genommen werden kann. Die Figuren selbst sind entweder Statisten – wie Peter Coyote –, Abziehbilder gängiger Charaktere des Kriminalfilms – wie Ebouaney – und des film noir – wie Romijn-Stamos – oder schlicht unglaubwürdig – wie Banderas Fotograf. Da nützt es auch nichts, dass Romijn-Stamos einen Strip hinlegt, der zwar vielleicht ganz nett anzusehen ist, aber nicht davon zeugt, dass alle Männer in den Bann dieser Frau gezogen werden.

Der anfängliche Bezug zu „Frau ohne Gewissen“, einem Wilder-Klassiker, wirkt nach Sicht von „Femme Fatale“ geradezu grotesk. Mit keinem der Protagonisten kann man wirklich warm werden. Zu mechanisch gebärden sich vor allem Banderas und Romijn-Stamos als Marionetten des Drehbuchs, anstatt ihren Figuren Leben einzuhauchen. Banderas wirkt ab und zu, als wenn er gar nicht in den Film gehöre, träumt sozusagen vor sich hin.

Wahrnehmung? Täuschung? Lüge? „Femme Fatale“ ist eine Katastrophe, geradezu ein Gegenstück zu großartigen Beispielen des film noir und der Tradition des femme-fatale-Films. Man vergleiche zum Beispiel „Die letzte Verführung“ (1994) von John Dahl mit Linda Fiorentino.

Während ich mich ärgerte, als ich den Film sah, musste ich unweigerlich an Pam Griers Jackie Brown denken, etwa schon die Anfangsszene, als sie im Flughafen die langen Wege zurücklegt. Tarantino schuf in diesem Film mit einfachsten Mitteln eine Atmosphäre der Sympathie, der Attraktion, der Begeisterung für diese Frau, die – wenn auch vielleicht keine ausgesprochene femme fatale – sich zum Schluss hin noch steigerte. Brian de Palma hat sich und uns jedenfalls mit „Femme Fatale“ keinen Gefallen getan. Ein plumper, trivialer, überflüssiger Film.