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Frida (Frida) USA, Kanada 2002, 118 Minuten Regie: Julie Taymor
Drehbuch: Diane Lake, Gregory Nava, Clancy Sigal, Anna Thomas, nach der Biografie von Hayden Herrera Musik: Elliot Goldenthal Director of Photography: Rodrigo Prieto Montage: Françoise Bonnot Produktionsdesign: Felipe Fernandez Del Paso, Bernardo Trujillo
Darsteller: Salma Hayek (Frida Kahlo), Alfred Molina (Diego Rivera), Mía Maestro (Cristina Kahlo), Geoffrey Rush (Leo Trotzki), Edward Norton (Nelson Rockefeller), Antonio Banderas (David Siqueiros), Alejandro Usigli (Professor), Ashley Judd (Tina Modotti), Roger Rees (Guillermo Kahlo), Valeria Golino (Lupe Marín), Patricia Reyes Spindola (Matilda Kahlo), Diego Luna (Alejandro), Saffron Burrows (Gracie), Margarita Sanz (Natalia Trotzki), Anthony Alvarez (Trotzkis Leibwächter), Chavela Vargas (Tod), Lila Downs (Tango-Sängerin), Ehécatl Chávez (betrunkener Mann), Julian Sedgwick (Reporter)
Leid, Leidenschaft und Leidenschaften
Dem Leben eines Künstlers oder einer Künstlerin in einem Film gerecht zu werden, ist sicherlich keine ganz einfache Angelegenheit. Ed Harris versuchte sich an der Biografie von Jackson Pollock – meinem Gefühl nach sehr gut, weil er auf allzu Lebensgeschichtliches im Sinne von an biografischen Daten orientierter Handlung verzichtete und zudem eine eigenständige Interpretation der Person Pollocks vorlegte. Salma Hayek lag Frida Kahlo (1907-1954) sehr am Herzen, und das merkt man dem von Julie Taymor („Titus“, 1999) inszenierten Film mit den knalligen, farbigen, lebensfrohen Bildern Rodrigo Pietros und dem oft faszinierenden Schnitt Françoise Bonnots deutlich an. Technisch ist an „Frida“ sicherlich nicht viel auszusetzen.
„Man hielt mich für eine Surrealistin. Das ist nicht richtig. Ich habe niemals Träume gemalt. Was ich dargestellt habe, war meine Wirklichkeit.“ (Frida Kahlo)
Das Leben einer Malerin wie Frida Kahlo in einem Film einzufangen, ist sicherlich ein Ding der Unmöglichkeit. Und so verzichtet Julie Taymor weitgehend auf so etwas wie eine möglichst präzise Nachzeichnung. Sie rahmt den Film in eine Anfangs- und Schlussszene, in der Frida Kahlo 1953 krank an ihr Bett gefesselt ist – und das ausgerechnet an dem Tag, an dem zum ersten Mal ihre Bilder in ihrer Heimat gezeigt werden. Sie darf das Bett nicht verlassen, und deshalb lässt sie sich im Bett zu der Ausstellung transportieren.
Taymor schildert das Leben der Kahlo ausgehend von einem Busunglück im Jahr 1925, bei dem Frida (Salma Hayek) – 18 Jahre alt – schwer verletzt wird, u.a. an der Wirbelsäule, Beinbrüche ausgerechnet am rechten Bein, das schon durch Kinderlähmung lädiert war. Um die Schmerzen zu bekämpfen und sich Mut zu machen, in der Hoffnung, irgendwann wieder laufen zu können, malt Frida im Bett, gefangen im Gipskorsett. Wir lernen ihre Schwester Christina (Mía Maestro), die unter ihrem aggressiven Mann zu leiden hat, und ihre Eltern kennen, den liebevollen Vater Guillermo (Roger Rees) und die streng religiöse Mutter Matilda (Patricia Reyes Spindola). Ihre Eltern verkaufen einen Großteil ihres Habes, um Frida die best mögliche Behandlung zukommen zu lassen. Ihr Vater, ein Fotograf, lässt ihr eine spezielle Staffelei bauen und hängt einen Spiegel an ihr Bett, so dass sich Frida selbst malen kann.
Als Frida wieder laufen kann, sucht sie den wohlbeleibten, über Mexiko hinaus bekannten Maler Diego Rivera (Alfred Molina) auf, der ihre Bilder begutachten soll. Diego ist fasziniert von der Kunst Fridas und von Frida selbst. Die beiden werden ein Paar, heiraten, obwohl Frida weiß, dass Diego nicht von anderen Frauen lassen kann, und Diego selbst sie diesbezüglich auch vor sich warnt. Auf die Frage, ob sie von ihm Treue verlange, antwortet sie: „Loyalität.“ Lupe Marín (Valeria Golino), die noch bei Diego im Haus wohnt, war seine zweite Ehefrau, die er unglücklich gemacht hat. Fridas Mutter war gegen die Heirat mit dem 21 Jahre älteren gottlosen, übergewichtigen Maler, dessen Freundeskreis ihr zudem nicht passte: linke Intellektuelle, darunter die Fotografin Tina Modotti (Ashley Judd) und der Maler David Siqueiros (Antonio Banderas), ein feuriger Stalin-Anhänger, mit dem Diego des öfteren Streit hat. Nach anfänglichen Reibereien werden Frida und Lupe gute, ja sehr gute Freundinnen.
Diego ist Kommunist, aber kein Stalinist. Auch Frida ist politisch links orientiert. Trotzdem wird Diego 1930 ins Museum of Modern Art nach New York eingeladen, lernt Nelson Rockefeller (Edward Norton) kennen und gelangt zu internationaler Berühmtheit. Allerdings lässt Rockefeller eine Wandbemalung Diegos wieder abreißen, weil Diego darauf bestanden hatte, Lenin auf der Wand zu porträtieren. Eine Schwangerschaft Fridas während der Reise durch die Staaten lässt beide für kurze Zeit hoffen, doch Frida erleidet eine Fehlgeburt, ein weiteres äußerst einschneidendes Erlebnis für die junge Malerin, die in der Folgezeit mit Diego in Künstlerkreisen zum Mittelpunkt des Interesses wird. In dieser Zeit entstehen Bilder von Frida wie „Henry Ford Hospital“, „Selbstportrait an der Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten“ (beide 1932) und „Da hängt mein Kleid“ (1933). (1)
Frida kann die ständigen Affären Diegos nicht mehr verkraften, obwohl sie selbst schon in ihrer Jugend sowohl zu Männern wie Frauen etliche sexuelle Beziehungen hatte. Später wird sie eine kurze Affäre mit Trotzki (Geoffrey Rush) haben, der sich vor Stalins Schergen bis zu seiner Ermordung in Mexiko versteckte, und in Paris zu Josephine Baker.
Trotz allem Leid, der zeitweisen Trennung von Diego, nachdem der ausgerechnet Fridas zu diesem Zeitpunkt verzweifelte Schwester verführt hatte, und den weiterhin bestehenden Schmerzen als Folge des Unfalls halten zwei Dinge Fridas Leben zusammen: das Malen und – trotz allem – die Liebe zu Diego. Der allerdings will sich nun von Frida scheiden lassen, nach Kalifornien gehen. Es entstehen u.a. die Bilder „Die beiden Fridas“ (1939), „Selbstbildnis mit abgeschnittenem Haar“ (1940), „Der Traum oder das Bett“ (1940) und „Verwundeter Tisch“ (1940). Die Ermordung Trotzkis bringt Diego und Frida wieder zusammen: Beide werden verdächtigt, daran beteiligt zu sein.
Diego macht Frida erneut einen Heiratsantrag, und nun beginnt für beide die glücklichste Zeit. Frida sammelt in ihrem „Blauen Haus“ nicht nur Kunstgegenstände, kauft Tiere, sie malt auch ihre bekanntesten Bilder: „Die gebrochene Säule“ (1944), „Mir bleibt nicht die geringste Hoffnung“ (1945) oder „Moses“ (1945).
Frida hat unter ihren Krankheiten – u.a. muss ihr wegen Wundbrands das rechte Bein amputiert werden – immer stärker zu leiden. In der Nacht des 13. Juli 1945 schenkt sie Diego – ungefähr zwei Wochen vor ihrem 25. Hochzeitstag – einen Ring zu diesem Ereignis. Ein paar Stunden später stirbt sie im Schlaf. (2)
„Sie hätte so viele Gründe gehabt, Schwäche zu zeigen und zu resignieren. Aber sie schien gestärkt aus diesen Leiden zu kommen. Ihre Kräfte waren unerschöpflich. Ihre Willenskraft, ihre Intelligenz und ihre physischen Kräfte schienen mit ihrem Leiden zu wachsen. Bis wenige Monate vor ihrem Tod war sie ununterbrochen tätig. Dabei von seltener Heiterkeit und positiver Einstellung – ein Beispiel von Arbeitsbesessenheit und Vitalität. [...] Sie hätte wirklich Gründe zu klagen und zu weinen gehabt. Statt dessen zeigte sie eine tiefe Liebe zur Arbeit und zum Leben.“ (Lola Alvarez Bravo) (3)
Julie Taymor fokussiert das Leben Frida Kahlos auf Diskrepanzen: die zwischen der bis zum Tod fast ungebrochenen Vitalität und Lebensfreude der Malerin und ihrem langsamen, aber unaufhaltsamen körperlichen Verfall hier, die in ihrer Beziehung zu Diego Rivera dort. Der Film konzentriert sich auf dieses Kräftefeld von Anziehung und Abstoßung zwischen seelischer und geistiger Lebendigkeit und physischer Schwäche, zwischen Liebe und bitterem Zerwürfnis, und er zeigt auch, wie für die Kahlo die Malerei zum einzigen Instrument wurde, diese permanenten Zerreißproben ihres Lebens zu meistern. Taymor lässt Bilder in Realität und Realität in Bilder übergehen. Sie montiert Collagen, die wie am Schneidetisch geordnete und durch Zauberhand bewegte Zeitungsausschnitte wirken, über die Ankunft der beiden in New York. Sie taucht ihren Film in blaue und rote Farbe, lässt Salma Hayeks Frida Diego als King Kong phantasieren, der zum Schluss, als Rockefeller die von Diego bemalte Wand einreißen lässt, vom Empire State Building fällt – das alles nicht in Tragik, sondern durchaus mit dem entsprechenden Humor.
Während der erste Teil von „Frida“ noch Ruhe im Sturm mit sich bringt, das heißt, der Rasanz, der Verve im Leben der Kahlo sozusagen eine dramaturgische „Bremse“ verschafft, so dass man mit Frida aufatmen, lachen, weinen, trauern und sich freuen kann, packt Taymor in den zweiten Teil alles herein, was vermeintlich noch fehlt. Der Europa-Aufenthalt zeigt Salma Hayek in einer Sekunden-Sequenz nackt mit Josephine Baker. Die Begegnung mit Leo Trotzki verkommt zu einer Episode, der das „Auch-noch-hinein-müssen“-Prinzip zugrunde liegt. Diese Sequenzen wirken hastig, oberflächlich, sie sagen über das Leben der Kahlo und Riveras kaum etwas aus. Geoffrey Rush als Trotzki war für mich eine Enttäuschung, weniger wegen Rush selbst, sondern aufgrund der holzschnittartigen Eile, mit der das Drehbuch die Figur in den Film einfügt. Zudem wird Trotzki als Menschenfreund interpretiert, der er sicherlich nicht war (mal lese nur seine von Skrupellosigkeit geprägten Meinungen über die russischen Bauern).
Auch die politischen Beziehungen Fridas und Diegos werden eher oberflächlich gestreift. Eine Szene ist für diese Art des „Hineinpackens“ symptomatisch: ein Streit zwischen Diego und dem Maler und Stalinisten Siqueiros, in der in formelhaften Dialogen darüber gestritten wird, ob Stalin ein Verbrecher ist oder der große Revolutionär. Schwenkende rote Fahnen und Arbeiterdemonstrationen ergänzen diesen Hang zur Vervollständigung biografischer Details, was dem Film selbst allerdings nur schadet, weil man mit ihnen nichts anfangen kann. Ruhelosigkeit prägt diese Teile des Films, und erst ganz zum Schluss kehrt Taymor zurück zu Frida Kahlo.
„Frida“ ist keine Biografie, nicht einmal eine biografische Annäherung, eher der über weite Strecken – trotz der genannten Mängel – gelungene Versuch, ein eigenes Bild der Kahlo zu entfachen. Salma Hayek gelingt dies auch zumeist überzeugend, Alfred Molina noch besser. Beide haben wunderschöne und zugleich tragische Szenen in „Frida“ – etwa als sie sich näher kennen lernen, als Frida mit ihrer Fehlgeburt fertig werden muss und darauf besteht, dass man ihr totes Kind, den Embryo in einem Glas vor dem Bett aufstellt, damit sie es malen kann – für mich eine der am meisten berührenden Szenen in „Frida“. Salma Hayek gelingt es, die Dynamik und vor allem die Kraft zu demonstrieren, mit der Frida über alle seelischen wie körperlichen Hindernisse hinweg immer wieder vorwärts geht, nicht ruhelos, sondern im Sinne eines unbändigen, leidenschaftlichen Lebenswillens. Es ist schade, dass die zeitweise Ruhelosigkeit der Dramaturgie und der leichte Hang zur biografischen Vervollständigung dieser Grundtendenz des Films immer mal wieder etwas nimmt. Weniger wäre mal wieder mehr gewesen.
(1) Ihre Bilder sind z.B. in dem Band Frida Kahlo: Die Gemälde, 272 Seiten, 1997, veröffentlicht. (2) Näheres zu Frida Kahlo in: Hayden Herrera: Frida Kahlo. Ein leidenschaftliches Leben, Droemer und Knaur 2003 (Neuauflage) (3) zitiert nach: Erika Billeter (Hg.): Einsame Begegnungen. Lola Alvarez fotografiert Frida Kahlo, Bern 1992, S. 11 f.
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