Gasoline
(Benzina)
Italien 2001, 90 Minuten
Regie: Monica Stambrini

Drehbuch: Monica Stambrini, Anne Riitta Ciccone, nach einem Roman von Elena Stancanelli
Musik: Massimo Zamboni
Director of Photography: Fabio Cianchetti
Montage: Paola Freddi
Produktionsdesign: Alessandro Rosa

Darsteller: Maya Sansa (Stella), Regina Orioli (Eleonora „Lenni”), Mariella Valentini (Eleonoras Mutter), Luigi Maria Burruano (Padre Gabriele), Chiara Conti (Pippi), Marco Quaglia (Sandro), Pietro Ragusa (Filippo), Osvaldo Livio Alzari (Kassierer in einer Raststätte)

Ohne Saft und Kraft

Etliches ließe sich zitieren, u.a. „Go” (2001), „Thelma & Louise” (1991), „Heavenly Creatures” (1994) oder „Boys don’t Cry” (1999). Monica Stambrini scheut sich auch gar nicht zuzugeben, dass diese Filme Pate standen bei der Inszenierung ihrer Geschichte um zwei junge Frauen, die von einem auf den anderen Tag in enorme Schwierigkeiten geraten. Neu an „Benzina”, einem „statischen Road-Movie”, wie die Regisseurin ihren Film nennt, ist im Vergleich etwa zu „Thelma & Louise” „nur”, dass die beiden Hauptakteurinnen Stella (Maya Sansa) und Lenni (Regina Orioli) lesbisch sind. Eines kann man „Benzina” sicherlich nicht vorwerfen: dass der Film dieses „Thema” ausschlachten würde. Eines an diesem Film ist jedenfalls glaubwürdig: dass sich diese beiden jungen Frauen lieben.

„Benzina” spielt nicht in den schönen Gegenden Italiens, dem Tessin oder der Cinque Terre. Die Handlung spielt auf Autostradas, in Tankstellen, auf Müllhalden und in einer Disco, in der reger Drogenverkauf stattfindet. In diesem düster wirkenden Ambiente lernen wir Stella, eine ruhig und leicht depressiv wirkende junge Frau kennen, die in einer Tankstelle arbeitet, an der sie Lenni kennen lernt, eine unselbständige Frau aus reichem Haus. Die beiden Frauen verlieben sich ineinander und betreiben die Tankstelle gemeinsam.

Eines Tages taucht Lennis Mutter (Mariella Valentini) auf, blond, im schicken Kostüm, mit modischen Schuhen, eine jener reichen Frauen, die es nicht ertragen können, dass ihre Töchter „vom richtigen Weg abkommen”, den natürlich nur sie kennen. Geld und (verbale) Gewalt sind es auch, mit denen Mama ihre Tochter aus der lesbischen Beziehung und der tristen Gegend herausholen will. Eine Ohrfeige und 20 Millionen Lire sollen dazu beitragen. Aber es kommt anders. Stella greift ein, schlägt Lennis Mutter, die mit dem Kopf auf den Tresen aufschlägt und stirbt.

Stella bleibt äußerlich ruhig, wirkt überlegt, schließt alle Türen und beschließt, die Leiche der Mutter verschwinden zu lassen. Sie will nicht ins Gefängnis (im Roman wurde die Mutter übrigens vorsätzlich ermordet). Lenni ist handlungsunfähig, hört plötzlich die Stimme ihrer übermächtigen Mutter, auch später immer wieder, die ihr noch immer dieselben Vorwürfe macht. Stella beschließt, mit Lenni nach Neapel zu fahren, um von dort per Fähre und mit dem Geld nach Tunesien zu entweichen. Vorher allerdings deponiert man die Leiche auf einem Schrottplatz.

Die beiden Frauen haben allerdings noch andere Probleme. Zwei junge, wilde Typen, Sandro (Marco Quaglia) und Filippo (Pietro Ragusa), sowie deren mit der Videokamera bewaffnete Freundin Pippi (Chiara Conti) wollen unbedingt Benzin, dringen von hinten in die Räume der Tankstelle ein – und Stella kann gerade noch verhindern, dass sie die Leiche entdecken. Die jungen Männer verhalten sich schäbig, und Stella zerkratzt ihnen beim Wegfahren das Auto.

Nachdem die Leiche der Mutter auf dem Schrottplatz deponiert ist, treffen Stella und Lenni die drei jungen Leute in einer Raststätte wieder. Sie wollen sich wegen des zerkratzten Autos an den beiden rächen, sehen, dass Stella Geld hat. Zwar können die beiden Frauen entkommen. Doch in der Toilette einer Drogen-Disco tauchen die drei wieder auf ...

Als Stella bemerkt, dass ihr Auto Benzin verliert, beschließt sie, nochmals zur Tankstelle zurückzufahren, um einen anderen Wagen zu holen. Die Leiche der Mutter haben die beiden wieder in den Kofferraum verfrachtet, um sie ans Meer zu bringen. Kurz nachdem sie an der Tankstelle angekommen sind, tauchen die drei Unruhestifter wieder auf, verspritzen literweise Benzin und versuchen, in die Tankstelle einzudringen. Als sie dort die Leiche der Mutter liegen sehen, flüchten sie, werden aber von einem Polizeiauto angehalten. Stella und Lenni setzen sich in den BMW, Lenni zündet sich eine Zigarette an, die beiden Frauen gestehen sich noch einmal ihre Liebe, und Lenni wirft die Zigarette aus dem Fenster. Die Tankstelle explodiert.

Was soll man von dieser Geschichte halten? Monica Stambrini spricht von zwei unschuldigen Frauen, von der eine, Lenni, eine Entwicklung durchmache: Anfangs sei sie handlungsunfähig, aber durch den Tod der Mutter habe sie sich von deren Allmacht befreit und angesichts der Bedrohungen durch die drei Jugendlichen den Mut gefasst, sich zu wehren und ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. Stella dagegen kenne man schon am Anfang des Films.

Ehrlich gesagt, habe ich mich die ganze Zeit über gefragt, was ich mit dieser Geschichte anfangen soll. Ob die beiden Frauen lesbisch sind oder nicht, spielt keine Rolle; sie könnten auch „nur” befreundet sein (wie Thelma und Louise). Dass sie den Unfalltod der Mutter nicht der Polizei melden, bleibt unverständlich, denn zumindest im Film handelt es sich nicht um Mord. Sie hätten der Polizei erzählen können, Lennis Mutter sei bei einer Rangelei mit ihrer Tochter ausgerutscht und unglücklich mit dem Kopf aufgeschlagen. Wer hätte ihnen etwas anderes beweisen können?

Auch ihr weiteres Verhalten nach dem Tod der Mutter lässt einem nur die Haare zu Berge stehen. Sie legen die Mutter in den Kofferraum und verfrachten die Leiche ausgerechnet auf einen Schrottplatz! Erst später wollen sie sie ans Meer bringen. Warum dieses Durcheinander? Stella handelt skrupellos – wieso sollte sie unschuldig sein, wie die Regisseurin behauptet –, denkt an das viele Geld und Tunesien. Lenni hört die Stimme der Mutter, macht aber alles, was Stella will. Anstatt wenigstens so schnell wie möglich zu verschwinden, wandeln die beiden immer wieder auf den Pfaden, auf denen sich auch die drei jungen Leute, die sie belästigen, bewegen. Warum?

Vieles an diesem Drehbuch und an dieser Inszenierung ist gekünstelt, um einen bestimmten Erfolg zu zeitigen. Aber welchen? Geht es um schwache Frauen, um starke Frauen, um erst schwache, dann starke Frauen, um eine starke Frau und um eine, die erst schwach ist, dann stark wird? Das explosive Finale des Films wirkt derart aufgesetzt und zwanghaft gewollt, dass letztlich jegliche Glaubwürdigkeit dieser Geschichte verloren geht. Auch die zwei jungen Männer sind eher Katalysatoren für eine arg gekünstelte Geschichte, denn überzeugende Charaktere, und ihre gemeinsame Freundin mit der Videokamera wirkt derart schwach in ihrer Rolle, die eigentlich keine ist, dass es einen nur grausen kann.

Auch eine Episode, in der Stella und Lenni in einem Moment der Unachtsamkeit einen Pfarrer auf dem Moped anfahren und mitnehmen, ist nichts weiter als Dunst. Im Auto erzählt Padre Gabriele (Luigi Maria Burruano) von der Liebe, genauer der Sinnlosigkeit irdischer Liebe, schenkt beiden eine Kette, die er einmal einer Frau schenken wollte, die er liebte, und verlässt das Auto, als er bei einem Verkehrsunfall als Pfarrer gebraucht wird. Aha!

„Benzina” ist einer jener ver-konstruierten Filme, die vielleicht etwas „Gutes” zeigen wollten, aber kläglich scheitern, weil die Geschichte keine Kraft, die Charaktere keine Persönlichkeit, das Drama keine Homogenität und die Moral keine Moral hat. Schade drum.