Gefahr in Frisco (Thieve’s Highway) USA 1949, 94 Minuten /DVD: 90 Minuten) Regie: Jules Dassin
Drehbuch: A. I. Bezzerides, nach dessen Roman „Thieve’s Market” Musik: Alfred Newman Director of Photography: Norbert Brodine Montage: Nick De Maggio Produktionsdesign: Thomas Little, Fred, J. Rode
Darsteller: Richard Conte (Nico „Nick” Garcos), Valentina Cortese (Rica), Lee J. Cobb (Mike Figlia), Barbara Lawrence (Polly Faber), Jack Oakie (Slob), Millard Mitchell (Ed Prentiss), Joseph Pevney (Pete), Morris Carnovsky (Yanko Garcos), Tamara Shayne (Parthena Garcos), Kasia Orzazewski (Mrs. Polansky), Norbert Schiller (Mr. Polansky), Hope Emerson (Midge)
Betrug !
Bevor der durch Filme wie „Rififi“ (1956) bekannt gewordene Jules Dassin, Sohn russischer Einwanderer jüdischer Abstammung, in Connecticut geboren, 1940 nach Hollywood ging, erlernte er das Schauspielerhandwerk und arbeitete für das Radio. Schon sein erster Film machte Dassin als Vertreter eines „harten“ Realismus bekannt. In „Zelle R 17“ (1947) zeichnete er ein brutal-realistisches Bild von einer Gefängnisrevolte mit Burt Lancaster in der Hauptrolle. Auch „Die nackte Stadt“ (1948) hielt sich an diese dem italienischen Neorealismus sehr verwandte Art der Inszenierung, wirkte fast dokumentarisch und schilderte die Arbeit einer Mordkommission.
„Gefahr in Frisco” war der letzte von Dassin in den USA gedrehte Film. Er wie viele anderer seiner Kollegen wurden in der McCarthy-Ära durch den Ausschuss gegen „unamerikanische Aktivitäten” denunziert, seine Arbeit im Filmgeschäft unmöglich gemacht, so dass Dassin nach Europa ging.
In dem 1949 gedrehten „Thieve's Highway“ schildert Dassin das Leben mehr oder weniger um ihre Existenz kämpfender Obsthändler und -farmer, die von den Großhändlern in San Francisco abhängig sind. Dassin erzählt die Geschichte von Nick Garcos (Richard Conte), der, als er aus dem Krieg zurückkehrt, mit Entsetzen feststellen muss, dass sein Vater (Morris Carnovsky) – angeblich bei einem Autounfall während der Arbeit – beide Beine verloren hat. Sein Vater erzählt, er habe mit dem Großhändler Mike Figlia (Lee J. Cobb) ein Geschäft abschließen wollen, sei von ihm zum Trinken eingeladen worden und dann auf der Rückfahrt wohl verunglückt. An Details könne er sich nicht mehr erinnern. Von dem Geld fehlt jede Spur.
Nick hat Figlia sofort im Verdacht, seinen Vater übers Ohr gehauen zu haben und für dessen Unfall verantwortlich zu sein. Er beschließt, nach San Francisco zu fahren, um Figlia zur Rede zu stellen. Allerdings hat sein Vater den Lkw an einen Nachbarn verkauft. Und der, Ed Prentiss (Millard Mitchell), will den Lkw nicht zurückgeben, obwohl er ihn noch nicht bezahlt hat. Nick lässt sich auf einen Vorschlag Eds ein: Beide laden den Lkw und einen weiteren, den Nick kaufen soll, mit Äpfeln voll, um sie in San Francisco zu verkaufen.
Auf der Fahrt rettet Ed Nick das Leben, als der – von der Straße abgekommen – vergeblich versucht, einen Reifen zu wechseln und dabei eingeklemmt wird. Nick und Ed fahren weiter, wobei Ed allerdings jetzt Schwierigkeiten mit seinem Lkw hat. Nick kommt, völlig erschöpft, in San Francisco an, während Ed noch mindestens einen halben Tag zurückliegt. Auf dem Großmarkt trifft er das erste Mal auf den bei allen anderen Händlern als Gauner verschrieenen Figlia. Ohne dass Nick es merkt, lässt Figlia von seinen Handlangern einen Reifen von Nicks Lkw zerstechen. Figlia will Nicks Ladung in Kommission verkaufen, dabei ordentlich verdienen und Nick lediglich 3 ½ statt 6 ½ Dollar pro Kiste zahlen. Zugleich besticht Figlia mit 50 Dollar die Prostituierte Rica (Valentina Cortese), Nick mit nach Hause zu nehmen, damit Figlia in Ruhe die Äpfel verkaufen kann.
Da sich Rica allerdings in Nick verliebt, erzählt sie ihm von dem geplanten Betrug, und Nick stellt Figlia zur Rede. Unter diesem Druck zahlt Figlia die gesamten Einnahmen aus dem Apfelverkauf an Nick. Allerdings hat Nick nicht mit dem Ausmaß an Skrupellosigkeit Figlias gerechnet. Denn der beauftragt seine Leute, Nick zu überfallen und ihm das Geld wieder abzunehmen ...
Wie in seinen anderen Filmen schildert Dassin ein überaus realistisches Bild der Verhältnisse. Er engagierte u.a. Arbeiter des Großmarktes in San Francisco für den Film und drehte am Originalschauplatz. Aber auch die Schauspieler tragen dazu bei, die Atmosphäre ohne die ansonsten oft üblichen Klischees und Ausschmückungen realistisch erscheinen zu lassen. Lee J. Cobb, der für etliche negative Charakterdarstellungen bekannt ist, spielt Figlia als gerissenen, skrupellosen Geschäftemacher – aber ohne alle Übertreibung oder theatralische Überzeichnungen. Ähnliches gilt für Richard Conte, Valentina Cortese und Millard Mitchell. Lediglich Barbara Lawrence in der Rolle der Polly Faber – der Verlobten Nicks – neigt in ihrer Darstellung zu leichter Überzeichnung.
Hinzu kommt die ausgezeichnete Kameraarbeit von Norbert Brodine, der in den 40er Jahren zu den bedeutendsten Experten seines Fachs gehörte und sich vor allem durch seine Art von Außenaufnahmen einen Namen gemacht hatte. Nur eine Szene des Films ist gefälscht. Als man auf einer Obstplantage Apfelbäume vor der Ernte aufnehmen wollte, stellte man fest, dass bereits alle Äpfel in Kisten verpackt waren. Alle, einschließlich der Schauspieler, halfen mit, die Äpfel an zehn Bäumen mit Drähten zu befestigen, um die Szene zu drehen.
Der Film wird getragen von der Spannung zwischen den unterschiedlichen Charakteren Nicks und Figlias, aber vor allem auch von der sehr nüchtern dargestellten Liebesgeschichte zwischen Nick und Rica, der Prostituierten. Während Rica anfangs Nick noch hintergeht, indem sie sich von Figlia bestechen lässt, spürt sie zunehmend Zuneigung zu ihm und merkt, dass auch Nick sie mag. Als Nick seine Verlobte anruft, sie solle doch nach San Francisco kommen und mit ihm das gute Geschäft zu feiern, glaubt er noch, Polly bald heiraten zu können. Als sich jedoch herausstellt, dass Nick inzwischen des Geldes beraubt wurde, greift die inzwischen in Frisco angekommene Polly zu ihrem Koffer und fährt zurück. Nick muss erkennen, dass sie ihn offenbar nur wegen des Geldes heiraten wollte.
Demgegenüber stellt er fest, dass Rica ihn zwar betrogen hatte, jetzt aber fest zu ihm hält. Diese Darstellung der Liebesgeschichte ist derart nüchtern, unromantisch und in sich stimmig und realistisch inszeniert, dass es einem zunächst die Sprache verschlägt. Und doch führt diese Inszenierung eben gerade dazu, dass sie glaubwürdig wirkt. Dass Rica Prostituierte ist, spielt für die Handlung keinerlei Bedeutung. Dass sie charakterlich – trotz ihres bisherigen Lebens zwischen Prostitution und Gaunerei – ein grundehrlicher Mensch ist, hat dagegen entscheidende Bedeutung. Auch für Nick spielt es keine Rolle, dass sie bislang als Hure arbeitete. Für einen Film der 40er Jahre eine durchaus gewagte Darstellung der Verhältnisse.
Auch die anderen Personen – Ed, Slob (Jack Oakie) und Pete (Joseph Pevney), die Ed hinterher fahren – tragen zur Nüchternheit und Realismus der Handlung bei. Selbst das Happyend und die Rache an Figlia sprengen nicht den Rahmen dieser Realistik. Dassin schildert das Leben der Obsthändler und -farmer als hartes Leben, ohne Schnörkel. Und so gehört „Thieve’s Highway” zu jener Sorte von film noir, die man im heutigen Kino manchmal sehnlichst vermisst.
© Bilder: 20th Century Fox Screenshots von der DVD
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