Göttliche Intervention – Eine Chronik von Liebe und Schmerz (Yadon ilaheyya ) Frankreich, Palästina 2002, 92 Minuten Regie: Elia Suleiman
Drehbuch: Elia Suleiman Director of Photography: Marc-André Batigne Montage: Véronique Lange Produktionsdesign: Miguel Markin, Denis Renault
Darsteller: Elia Suleiman (E. S.), Manal Khader (Die Frau), Mayef Fahoum Daher (Der Vater), George Ibrahim (Weihnachtsmann), Menashi Noy (Soldat am Grenzübergang), Jamel Daher (Jamal), Amer Daher (Auni), George Khleifi (Nachbar in Jerusalem), Nazira Suleiman (Die Mutter)
Misslungene Satire
Den Wahnsinn des Lebens in der Normalität des Besatzungszustandes, des Krieges, der permanenten Kontrolle zu visualisieren – das war wohl die Absicht des in Nazareth geborenen Regisseurs Elia Suleiman mit seinem Film „Göttliche Intervention“. Suleiman erzählt im strengen Sinn keine Geschichte, der Film hat keine durchgehende Handlung, sondern besteht aus einzelnen, scheinbar nicht zusammenhängenden kurzen oder längeren Szenen, die zum größten Teil die Absurdität des Lebens im permanenten Ausnahmezustand in den palästinensischen Gebieten wiedergeben sollen.
Nazareth. Ein älterer Mann (Mayef Fahoum Daher) will den Wahnsinn dieses Lebens durchbrechen. Man sieht ihn mehrfach neben seinem Auto stehen, rauchen, dann einsteigen und wegfahren, über alle, die er unterwegs trifft, schimpft er. Der Mann ist der Vater von E. S. (Elia Suleiman), ein Mann, der dem Alltag nicht mehr gewachsen ist, leidet, und schließlich mit Krebs im Krankenhaus landet. Sein Sohn E. S. spricht kein Wort, trifft sich am israelischen Grenzübergang nach Ramallah mit einer jungen Frau (Manal Khader). Die beiden lieben sich, doch die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit zwingt sie, am Grenzübergang zu verharren. Sie sprechen kein Wort miteinander, sind sprachlos geworden, selbst in ihrer Zuneigung, die sich nur dadurch zum Ausdruck bringen lässt, dass sie sich anschauen und Händchen halten. Ihre Intimität ist keine mehr, kann nicht mehr vor anderen verborgen bleiben unter den Bedingungen der Besatzung, der Kontrolle, der Schikane.
Suleiman zeigt Alltagssituationen, die fast mechanisch ablaufen, als Ausdruck der Verzweiflung von Menschen, die keine Luft mehr zum Atmen, zum Durchatmen haben. Ein Weihnachtsmann flüchtet vor Jugendlichen durch die Umgebung von Nazareth. Ein Mann trägt seinen Müll aus dem Haus und wirft ihn der Nachbarin jeden Tag in den Garten. Als die sich beschwert und den Müll auf die Straße wirft, tut der Mann so, als wenn die Nachbarin etwas falsch gemacht hätte. Ein junger Kerl spielt in einer engen Gasse Fußball. Aus Versehen kickt er den Ball auf das Flachdach eines Mannes, der den Ball ohne zu zögern mit einem Messer zerstört. Ältere Männer schauen diesem Treiben wortlos und offenbar ohne Emotion zu.
E. S. sitzt mit seiner Geliebten im Auto. Eines Tages füllt er einen Luftballon mit dem Konterfei Arafats mit Gas, öffnet das Schiebedach und lässt den Ballon aufsteigen. Der treibt über den Grenzübergang. Die israelischen Soldaten sind empört, dass ein Luftballon ohne Kontrolle die Grenze überfliegt, rufen den Vorgesetzten an, was sie tun sollen.
Eine Gruppe israelischer Soldaten übt in einem Steinbruch Schießen. Da taucht plötzlich eine palästinensische Kämpferin auf und stellt sich ihnen entgegen. Wie eine Comic-Figur à la Lara Croft weicht sie den Kugeln der Soldaten aus, tötet einen nach dem anderen, saust durch die Luft, vernichtet einen Hubschrauber und nur der Ausbilder der Soldaten bleibt am Leben.
Suleimans „Göttliche Intervention“ kann ein einigen Stellen dem Anspruch des Regisseurs durchaus gerecht werden, die Absurdität des Lebens unter dem Besatzungsstatus zu zeigen. Insgesamt jedoch wirken die meisten Szenarios arg gekünstelt, teilweise trivial und wenig überzeugend. Nur ansatzweise gelingt es Suleiman, das Normale als absurd und die absurden Reaktionen seiner Figuren als normal in bezug auf diese absurde Situation des permanenten Ausnahmezustands zu zeigen. Typisch ist etwa eine Szene, in der ein Mann auf den Bus wartet und ein anderer aus dem Haus kommt und ihm sagt, der Bus fahre nicht. Das geschieht mehrfach, in der letzten dieser Szenen sagt der Mann aus dem Haus nichts mehr, sondern winkt fast enttäuscht mit den Händen ab und geht wieder ins Haus. Solche Szenen wirken arg gewollt und überdeutlich, und das Lachen will nicht so recht in einem hoch kommen. Ebenso plakativ wirkt eine Szene, in der ein israelischer Soldat die in ihren Autos wartenden Palästinenser sinnlos mit vorgehaltener Maschinenpistole zum Aussteigen zwingt und uns überdeutlich demonstriert wird, wie schikanös israelische Soldaten sein können. Wussten wir das nicht schon? In einer weiteren Szene sitzt E. S. in seinem Auto, hält an einer Ampel, in dem Auto neben ihm sitzt ein israelischer Nationalist. E. S. versucht ihn, durch Blicke und laute Musik zu provozieren. Solche arg plakativen Szenen wirken eher peinlich, denn satirisch.
„Göttliche Intervention“ will eine Satire sein; doch dieses Versprechen kann Suleiman nur bedingt einlösen.
© Bilder: Alamode Film
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