Hulk
(Hulk)
USA 2003,137 Minuten
Regie: Ang Lee

Drehbuch: James Schamus, John Turman, Michael France, nach den Marvel-Comic-Figuren von Stan Lee und Jack Kirby
Musik: Danny Elfman
Director of Photography: Frederick Elmes
Montage: Tim Squyres
Produktionsdesign: Rick Heinrichs, John Dexter, Greg Papalia, Cheryl Carasik

Darsteller: Eric Bana (Bruce Banner / Krensler), Jennifer Connelly (Betty Ross), Sam Elliott (General Ross), Josh Lucas (Talbot), Nick Nolte (David Banner), Kevin O. Rankin (Harper), Cara Buono (Edith Banner), Paul Kersey (Bruce als Kind), Mike Erwin (Bruce als Teenager), Celia Weston (Mrs. Krensler)

Gelungen!

Comic-Verfilmungen haben es nicht leicht. Und doch hatten Bryan Singer mit „X-Men 2“ (2003) und Sam Raimi mit „Spiderman“ (2002) schon Inszenierungen vorgelegt, die man dem „Genre“ Popcornkino kaum noch subsumieren konnte. Auch Ang Lee („Sinn und Sinnlichkeit“, 1995; „Tiger & Dragon“, 2001) hält sich zum Glück an die Devise: Charaktere und Geschichte sollen im Mittelpunkt stehen. Die visuellen Effekte sind beeindruckend, aber sie stehen nie für sich selbst. Schon der Beginn des Films macht dies deutlich, als man auf eine Fahrt durch farbenfroh gestaltete Zellstrukturen, Blutbahnen usw. geschickt wird. Ang Lee setzt zwar dem Comic ähnliche Bilder in Szene, etwa wenn er Split-Screen-Techniken einsetzt oder Figuren von einem zum anderen Teilbild springen lässt. Aber er versucht erst gar nicht, im Film Comic zu kopieren. Der Einsatz visueller Techniken ist auf die jeweilige Atmosphäre abgestimmt, so, wenn er Betty in einem Café auf einem Militärgelände zeigt, als ihr Vater sie allein lässt und sie Angst bekommt.

Bruce Krensler (Eric Bana) ist, ohne sich dessen zunächst vollauf bewusst zu sein, in die Fußstapfen seines Vaters getreten. Er ist Wissenschaftler und arbeitet mit seiner Kollegin und ehemaligen Geliebten Betty Ross (Jennifer Connelly) am Berkeley Nuclear Biotechnical Institute. Beide experimentieren mit Gammastrahlen. In Rückblenden erfährt man von Bruce Vater, David Banner, der Mitte der 60er Jahre Experimente zur Veränderung des genetischen Codes durchführte. Damals war es Bettys Vater (inzwischen General) Ross (Sam Elliott), der David die Experimente untersagte und ihn feuerte. Bei einem Selbstversuch allerdings veränderte sich in Davids Erbmasse selbst etwas. Und seinem Sohn Bruce vererbte er diese Veränderung. Ein tragisches Ereignis, das der Entlassung Davids folgte, wird zum Trauma von Bruce, dem man als kleinem Jungen erzählt hatte, seine Eltern seien tot, und der dann bei einer Mrs. Krensler (Celia Weston) aufgewachsen war.

Für die Gammastrahlenforschung von Bruce und Betty interessiert sich auch ein Vertreter der Waffenindustrie namens Talbot (Josh Lucas), der mit allen Mitteln die Forschungsergebnisse in schnelles Geld verwandeln will. Bei einem Unfall im Labor wird Bruce von einer hohen Dosis der Strahlung getroffen, als er einen Kollegen schützen will. Wider alle Erwartungen überlebt er nicht nur, sondern ist kerngesund. Die Strahlung hat andere Folgen. Im Zusammenspiel mit den genetischen Veränderungen wird aus Bruce Hulk, ein übergroßes, grünes Etwas mit ungeahnten Kräften, ein Lebewesen, das praktisch unzerstörbar ist. Immer wenn Bruce in Wut gerät, verwandelt er sich in Hulk.

Inzwischen ist David wieder aufgetaucht, der jahrelang vom Militär kalt gestellt worden war, und will offenbar dort seine Arbeit fortsetzen, wo er aufhören musste. Aus Rachegefühlen an denen, die ihm seine Forschung verboten hatten, will er hinter das Geheimnis kommen und mittels enormer körperlicher Kraft Macht erlangen. Er erzählt Bruce, dass er sein Vater ist.

Bruce steht plötzlich zwischen allen Fronten. Seine Ex-Freundin Betty hatte ihn verlassen, weil er seine Gefühle nicht zeigen konnte, seine Vergangenheit macht ihm zu schaffen, weil er nicht weiß bzw. verdrängt hat, was in seiner Kindheit passiert ist, General Ross will ihn vernichten, weil er in Bruce eine ständige Gefahr für die Sicherheit sieht, Talbot will Bruce, weil er hofft, durch ihn ein Mittel zu finden, um Soldaten, die in Kampfhandlungen verletzt werden, wieder zu heilen – ein Riesengeschäft – und Bruce Vater ist größenwahnsinnig geworden. Es beginnt ein Kampf um Leben und Tod, aber auch um die Wahrheit ...

Im Zentrum von „Hulk“ steht nicht der grüne Riese. Im Zentrum stehen die Konflikte zwischen Bruce und seinem Vater und Betty und ihrem Vater, belastende Momente aus der Kindheit. Ross ist kein gefühlloser Militärhaudegen, aber er will gegen den Willen seiner Tochter, die Bruce immer noch liebt, streng nach militärischer Sicherheitsdoktrin Hulk vernichten. Ross will Kontrolle. Ihm ist letztlich gleichgültig, dass Hulk das späte Produkt einer Forschung ist, die keine Grenzen und keine Ethik kennt. Auch wenn Ross dafür gesorgt hat, dass David Banner nicht weiter experimentieren konnte, ist es doch der militärisch-industrielle Komplex, der solche Forschung erst möglich machte.

In dieser Hinsicht ist Ang Lees Interpretation der Geschichte auch eine deutliche Kritik an einer egoistischen und die eigenen Kinder ihrem Schicksal überlassenen Elterngeneration. Das macht der Film nicht nur an vielen Stellen deutlich; dieser Konflikt steht im Mittelpunkt der Geschichte. Die Wut über die Geheimnisse und Traumata der Vergangenheit bekommt in der Figur des Hulk sozusagen eine äußere, mächtige Gestalt. Hulk wird im Film zum Zeichen der Rebellion, der Einforderung von Wahrheit, aber auch Liebe. Wenn der übergroße Hulk Talbot die Knochen bricht oder die genetisch veränderten Hunde Davids, die der auf Betty angesetzt hat, bekämpft, ist dies immer Zeichen von Widerstand gegen Lüge, Gefühllosigkeit und Skrupellosigkeit. Hulk wird zunehmend einsamer, weil niemand außer Betty hinter ihm steht. Und Betty ist angesichts der militärischen Macht ihres Vaters ohnmächtig. Auch die Jagd auf den grünen Riesen ist Ausdruck dieses Verlusts an Zusammenhang. Ross sieht in Hulk nur die Gefahr, nicht, wie sie entstanden ist. (Ein sogar wahrhaftig aktueller Kommentar zu so einigem, was in den USA die letzten Jahre passierte.) Hulk selbst beschränkt sich darauf, sich zu verteidigen – gegen die Militärschläge und gegen die, die ihn profitabel verwerten wollen. Hulk ist zum Schluss der Mitgefühl weckende Einsame auf der Flucht.

Diese Flucht über Canyons und die Golden Gate Bridge wirkt – trotz allen Einsatzes technischer Effekte – nie als Selbstzweck, sondern ist Ausdruck der geschilderten Tragik. Erstaunlich ist auch, dass die auf einem Comic basierende Geschichte über eine Länge von mehr als zwei Stunden im wesentlichen von vier Personen getragen wird, Bruce, Betty, Ross und David, die alle hervorragend besetzt sind.

Vieles an „Hulk“ erinnert an Filme wie „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ oder „Frankenstein“, vor allem aber an den Klassiker „King Kong“, etwa wenn Hulk Betty sanft hochnimmt und in ihr Auto setzt, oder wenn er mit den Hunden kämpft.

Neben „Spiderman“ und „X-Men 2“ ist Ang Lee ein visuell und dramatisch anspruchsvoller Film gelungen, der sich sehen lassen kann. Auch wenn Hulk mitunter etwas „holprig“ in seinen Bewegungen erscheint, überzeugt die CGI-animierte Figur insgesamt doch.