In the Mood for Love (Fa yeung nin wa) Hongkong, Frankreich, Thailand 2000, 98 Minuten Regie: Kar Wai Wong
Drehbuch: Kar Wai Wong Musik: Mike Galasso, Shigeru Umebayashi Director of Photography: Christopher Doyle, Pin Bing Lee Montage: William Chang Produktionsdesign: William Chang
Darsteller: Maggie Cheung (Mrs. Chan, nee Su Li-zhen), Tony Leung Chiu Wai (Chow Mo-wan), Ping Lam Siu (Ah Ping), Rebecca Pan (Frau Suen), Lai Chen (Herr Ho), Roy Cheung (Stimme von Mr. Cahn), Chi-ang Chi (Amah)
Eine Frau und ein Mann
Nat King Coles spanische Lieder „Quizas, Quizas, Quizas“, „Te Quiero Dijiste“ und „Aquellos Ojos Verdes“ mischen sich mit Umebayashi Shigerus „Yumeji's Theme“. Die eigentümliche Mixtur aus dieser Musik, dem Hongkong des Jahres 1962, der Enge der durch chinesische Einwanderer und Flüchtlinge zusätzlich frequentierten Millionenstadt unter britischer Hoheit und den überwältigenden Bildern von Christopher Doyle und Pin Bing Lee verleihen der Liebesgeschichte, oder vielleicht besser: der Geschichte über Liebe von Kar Wai Wong, der zuvor durch „Die verlorene Zeit“ (1994), „Fallen Angels“ und Chungking Express“ (1995) und „Happy Together“ (1997) bekannt wurde, eine Atmosphäre, die man vielleicht nur mit Claude Lelouchs „Ein Mann und eine Frau“ (1966) vergleichen könnte, obwohl beide Filme ganz unterschiedlichen Kulturkreisen und Zeiten entstammen.
Ein Mann und eine Frau – das sind Su Li-zhen und Chow Mo-wan, gespielt von den nicht nur in Asien bekannten Schauspielern Maggie Cheung und Tony Leung Chiu-Wai. Beide sind verheiratet und treffen bei der Wohnungssuche aufeinander. Während Su Li-then ein Zimmer in der Wohnung von Frau Suen (Rebecca Pan) anmietet, zieht Chow Mo-wan in ein Zimmer der benachbarten Wohnung. Sie arbeitet als Sekretärin für Herrn Ho (Lai Chen), er ist Journalist. Beiden gemeinsam ist die Liebe zu Martial-Arts-Geschichten, beiden gemeinsam sind Ehepartner, die dauernd abwesend sind: Su Li-zhens Mann auf wochenlangen Geschäftsreisen, Chow Mo-wans Frau in Nachtschichten. Beide sind nie zu sehen, nur zu hören. Beiden gemeinsam ist auch, dass ihre Partner sie betrügen. Ihr Mann und seine Frau haben ein Verhältnis miteinander.
Langsam nähern sich Su Li-zhen und Chow Mo-Wan, dann wieder laufen sie auf der Treppe aneinander vorbei, grüßen sich nur flüchtig. Im nächsten Moment sitzt sie in seinem Zimmer – er schreibt gerade an einer eigenen Martial-Art-Geschichte – und beide warten, dass die Vermieter-Familien ihr Kartenspiel beenden und leise werden. Beide wissen von der Beziehung ihrer Partner miteinander. Beide sind enttäuscht. Aber beide finden auch Gefallen aneinander – nur aus bitterer Enttäuschung wegen des Verhaltens ihrer Partner? Oder verlieben sich Si Li-zhen und Chow Mo-wan ineinander? Geteiltes Leid ist halbes Leid, oder: wahre Liebe?
Su und Chow sprechen miteinander, sie gehen miteinander essen, sie erzählen sich, was sie bewegt, sinnieren darüber, ob man nicht lieber allein leben sollte – und künden damit schon von einer neuen Zeit der sozialen Diffusion. Sie empfinden füreinander in diesem beengten Leben zwischen fürsorglichen, aber auch neugierigen und sozial kontrollierenden Nachbarn und ihrer Arbeit, die beide im Grunde nicht sonderlich interessiert. Irgendwann duzen sie sich. Irgendwann wächst in beiden der Wunsch, miteinander zu schlafen. Aber man will ja nicht so sein wie die eigenen Partner. Die soziale Kontrolle ist stark und präsent, kommt gleichzeitig aber auf „freundlichen Sohlen“ daher – vermittelt über gemeinsames Essen, Kartenspiel und allein schon die räumliche Enge in den Wohnungen des Hauses. Nur hinter den verschlossenen Türen beider Zimmer könnte etwas passiert sein, etwas geschehen, was Wong jedoch wohlweislich nicht zeigt (die einzige Szene, in der es zwischen Su und Chow zu Intimität kam, wurde herausgeschnitten, kurz bevor der Film in die Kinos kam). Die Kamera zeigt nicht, was unter diesen Verhältnissen sanktioniert ist, aber sie lässt es erahnen.
Auch die beiden Ehepartner der beiden bleiben unsichtbar. Sie sind zugleich das Verbotene und das Gewünschte, Tabu wie Sehnsucht, Tradition wie Moderne. In ihnen doppelt sich Negatives – der Betrug am anderen – mit Positivem – dem Wunsch Su Li-zhens und Chow Mo-wans nach „wahrer“ Liebe, nach Zuneigung in einer Gesellschaft, in der immer stärker mit Traditionen gebrochen wird, erst heimlich, dann ganz offen, und die sich zum räuberischen Kapitalismus hin zu entwickeln sucht. Das zwanghafte Festhalten an nicht hinterfragten Traditionen hier und das Ausbrechen einzelner aus diesem Überkommenen dort sind doppeldeutig. Wong verweigert die pauschale Verurteilung des einen wie des anderen. Wenn Chow Mo-wan sich am Ende des Films in Angkor Wat in Kambodscha an einer Säule festhält und de Gaulle bei einem Besuch in Indochina gezeigt wird, dann ist dies auch die Frage nach der positiven Bedeutung der Tradition einerseits und Skepsis gegenüber dem, was da kommen mag, andererseits.
Die Wunschmaschinen der beiden Hauptfiguren produzieren ständig, sind permanent am Arbeiten, spucken aus, was sie wollen, ersehnen – um es sogleich wieder zu verstecken, einzumauern. Zugleich scheinen sie zu erfühlen, das ihre Zuneigung und ihre Wünsche weder in der traditionellen, stark hierarchisierten sozialen Pyramide mit starken Kontrollmechanismen, noch in der durch den wuchernden Kapitalismus auseinander driftenden Gemeinschaft von Vereinzelten, die hin- und hergerissen werden, fixiert werden können. Ihre fast absolute Unschuld in dieser Hinsicht, ihr reines Fühlen füreinander jenseits von erstickender Konvention und zweifelhafter Erneuerung verbleibt einer Spannung ausgesetzt, an der beides zerbrechen muss. Zwischen zwei Sätzen des Films zerreibt sich ein Paar zwischen Angst und Stolz, Konvention und „modernem“ Leben: „Alles wird ewig so bleiben, wie es ist“, lautet der eine. „Diese Ära ist vorüber. Nichts, was ihr angehört, existiert künftig noch“, lautet der andere. Die Liebe zwischen Su Li-zhen und Chow Mo-wan ist zugleich ewig und unmöglich. Sie ist unerfülltes Programm und Erfüllung zugleich, weil derartige Wunschproduktion in der Regel nie endet und beide erfahren haben, um was es letztlich geht.
Die Braun-, Rot- und Gelbtöne dieses film noir „sättigen“ die Geschichte um zwei Personen während eines sozialen, kulturellen und ökonomischen Umbruchs und verleihen dem Film tatsächlich das, was der englische Titel verspricht: „In the Mood for Love.“ „Fa yeung nin wa“ ist ein sattes, zugleich sanftes und gewalttätiges Stimmungsbild dieser Epoche wie in seinen Grundlinien fast jeder Epoche des radikalen oder schleichenden, aber unaufhaltsam scheinenden Umbruchs. Wong stellt letztlich auch die Frage nach Individuellem und Kollektivem in den Körpern, die die Wünsche produzieren, nach dem bis dato unaufgelösten Rätsel unserer eigenen Verortung in der Moderne.
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