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Kap der Angst (auch: Ein Köder für die Bestie) (Cape Fear) USA 1962, 105 Minuten (DVD: 102 Minuten) Regie: J. Lee Thompson
Drehbuch: James R. Webb, nach dem Roman „The Executioners“ von John D. MacDonald Musik: Bernard Herrmann Director of Photography: Sam Leavitt Montage: George Tomasini Produktionsdesign: Robert F. Boyle, Alexander Golitzen, Oliver Emert
Darsteller: Gregory Peck (Sam Bowden), Robert Mitchum (Max Cady), Polly Bergen (Peggy Bowden), Lori Martin (Nancy Bowden), Martin Balsam (Polizeichef Dutton), Jack Kruschen (Dave Grafton), Telly Savalas (Charles Sievers), Barrie Chase (Diane Taylor)
Schleichender Terror
Es funktioniert alles, vielleicht nicht perfekt, aber dennoch läuft es wie geschmiert. Eine Gemeinschaft scheint im Gleichgewicht. Das, was aus den Fugen gerät, wird wieder repariert. Wer die Regeln missachtet, wird bestraft. Und dennoch herrscht auch Gnade; es wird verziehen, wenn es nötig und angebracht ist. James R. Webbs Roman „The Executioners” und auch Thompsons „Cape Fear” zeigen eine vorbildliche amerikanische Gemeinschaft, ein Musterbeispiel des Zusammenlebens, des sozialen Miteinanders. In diesen Frieden bricht etwas herein, deutlich, aggressiv und dennoch lange unfassbar und ungreifbar; ein Etwas, das sich, indem es sich formal an die Regeln dieser Gemeinschaft hält, die es sehr gut kennt, und doch diese Regeln außer Kraft setzen will und außer Kraft setzt. Etwas in seiner ganzen Ausprägung scheinbar diametral dieser funktionierenden Gemeinschaft Konträres. Fast scheint es so, als habe dieses Etwas absolut nichts mit dieser Gemeinschaft zu tun, als käme es von außen, als sei es etwas absolut Fremdes. Dieses Fremde steckt in einem Mann namens Max Cady (Robert Mitchum).
Cady saß acht Jahre im Zuchthaus. Nun taucht er auf in dieser Gemeinschaft einer vielleicht mittelgroßen Stadt des Südens (der Film wurde in Savannah, Georgia, gedreht), geht in ein Gerichtsgebäude und beobachtet einen Prozess, der dort gerade stattfindet. Schnell wird klar, dass es ihm nicht um diesen Prozess geht, sondern um einen der Beteiligten, den Rechtsanwalt Sam Bowden (Gregory Peck), der gegen Cady acht Jahre zuvor als entscheidender Belastungszeuge aufgetreten war. Cady hatte eine Frau misshandelt, Bowden hatte dies beobachtet und aufgrund seiner Aussage wurde Cady verurteilt.
Von Anfang an wird auch klar, dass es Cady um Rache geht. Doch es ist nicht die Rache des Hinterhalts, der Heimtücke, des nächtlichen Mordes durch einen Schuss aus dem Dunkel der Nacht, die den Täter unerkannt lässt. Es ist nicht jene Rache, deren Träger sich versteckt und bedeckt hält.
Cady tritt ganz offen auf, stellt Bowden, als der mit dem Auto nach Hause fahren will. Cady weiß Bescheid über Bowden, der eine Frau, Peggy (Polly Bergen), und eine Tochter, Nancy (Lori Martin), hat. Die Familie wohnt in einem dieser schicken Häuser des Südens mit großem Garten, einem dieser Häuser, in denen man sich wohl fühlt, eine Stätte der Ruhe und des Friedens, der Erholung und des Glücks.
Cady droht nicht direkt. Er nennt Namen, die Namen Nancy und Peggy, und dass er beide bald kennen lernen werde, dass sich er und Bowden immer wieder treffen würden usw. Und er vermittelt damit Bowden deutlich, aber ohne dass der ihm etwas anhaben kann, seine Absichten. Der mit Bowden befreundete Polizeichef Dutton (Martin Balsam) sieht nur geringe Chancen, Cady los zu werden. Er lädt ihn vor, fragt ihn aus, überprüft seine Vermögensverhältnisse. Aber all das nützt nichts. Cady ist gut vorbereitet. Er hat das Haus seines Vaters verkauft, das Geld auf einer Bank hier in der Stadt deponiert. Dutton muss ihn laufen lassen, kann ihn nicht aus der Stadt weisen.
Und jetzt beginnt das, was man gemeinhin Psychoterror nennt. Dieser Begriff aber kann das, was jetzt passiert, nur fade beschreiben. Der Hund der Bowdens wird vergiftet im Garten gefunden. Als die Familie mit der Segelyacht ein Wochenende verleben will, steht Cady ganz in der Nähe – und Bowden lässt sich dazu hinreißen, ihm ins Gesicht zu schlagen. Ein von Cady beauftragter zwielichtiger Anwalt fordert Dutton und Bowden auf, Cady in Ruhe zu lassen.
Cady versteht sein Spiel – ein Spiel auf Leben und Tod.
Er passt Nancy, die wie ihre Mutter inzwischen natürlich weiß, was hier gespielt wird, ohne zu ahnen, was Cady wirklich vor hat, an der Schule ab. Voller panischer Angst flüchtet Nancy in das Gebäude zurück, findet einen Ausgang und läuft vor ein Auto. Bowden beauftragt auf den Rat Duttons hin den Privatdetektiv Sievers (Telly Savalas), Cady zu beobachten, um Beweise gegen ihn zu bekommen. Und Cady demonstriert seine Gefährlichkeit, als er eine Frau namens Diane (Barrie Chase), die er in einer Bar aufgegabelt hat, brutal misshandelt – ohne sich dabei allerdings von der Polizei und Sievers erwischen zu lassen. Und Diane, voller Angst, packt ihre Koffer und ist nicht bereit, gegen Cady auszusagen. Genau darauf hatte Cady spekuliert: Bowden zu zeigen, wozu er in der Lage ist, ohne dass man gegen ihn vorgehen kann.
Die Situation spitzt sich zu, als Bowden dem Rat Sievers folgt, Cady durch drei Männer zusammenschlagen zu lassen und einer dieser Schläger durch die Polizei gefasst wird und die Sache damit herauskommt. Für Bowden eine missliche Situation – eigentlich müsste Dutton ihn festnehmen –, und er sieht nur noch eine Möglichkeit, Cady dingfest zu machen: er will ihm eine Falle stellen ...
„Cape Fear” – 1991 erneut in Szene gesetzt von Martin Scorsese mit Nick Nolte als Bowden und Robert de Niro als Cady – ist nicht nur ein äußerst spannender, nervenzerfetzender Thriller, in dem die Gefahr für eine funktionierende Gemeinschaft durch einen Mann wie Cady immer größer wird. Der Film Thompsons („Die Kanonen von Navarone“, 1961) – auch heute noch sehenswert und im Vergleich zu Scorseses Adaption des Stoffes eine Inszenierung, die mir mehr Spaß gemacht hat – zeigt, man könnte sagen: gnadenlos, wie ein Mann, der keine Skrupel kennt, zielstrebig und ohne sich davon abhalten zu lassen eine Familie nicht nur unter Psychoterror setzt, sondern versucht, sie im wahrsten Sinn des Wortes klein zu machen.
Während Scorsese die Geschichte insofern abwandelte, als Bowden im Prozess gegen Cady ein Beweisstück unterschlagen hatte, das Cady möglicherweise entlastet hätte, so dass dieser Film eine andere Ausgangsbasis hatte, lässt Thompson Bowden als Mann mit blütenreiner Weste erscheinen und Cady als Psychopathen, der seinem Leben nur noch ein Ziel abgewinnen kann: Rache. Die Welt ist hier noch „in Ordnung”, Gut und Böse noch lupenrein getrennt. Und erst durch den Fehler Bowdens, Schläger auf Cady anzusetzen, bekommt diese haarscharfe Scheidung von Gut und Böse einen Hauch von Zweifel. Trotzdem bleibt auch dies im Rahmen, denn es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, auf wessen Seite man steht – ganz anders als die Sympathieverteilung bei Scorseses Interpretation des Stoffes, bei der die Antipathie gegen das Heuchlerische Bowdens korrespondiert mit der Sympathie für einen gewissen Gerechtigkeitssinn Cadys.
Trotzdem hat Thompsons Adaption des Stoffes auch seine enormen Vorteile. Er konfrontiert nicht nur Bowden und seine Familie, sondern auch uns mit der Frage, wie man sich gegen einen derartigen Terror schützen kann. Die Ausnahmesituation lässt Bowden zu einer Praxis greifen, die seinem Charakter und seinen Überzeugungen diametral entgegengesetzt ist. Er lässt Cady zusammenschlagen. Und auch die Umstände, die mit der Falle verbunden sind, die Bowden am Schluss Cady stellen will, implizieren immer die Möglichkeit, dass Bowden Cady bereits in einer Situation töten, könnte, in der Cady Mutter und Tochter Bowden (noch) nichts getan hat.
Cady steht dabei nicht nur für einen Mann, der unaufhaltsam seinen Racheplänen folgt. Er steht für eine Situation des Terrors, der permanenten Terrors, der sich wie ein Spinnengewebe über eine alles in allem funktionierende Gemeinschaft legt. Damit gewinnt die Geschichte eine durchaus auch aktuelle Bedeutung, v.a. in Bezug auf die Frage, wie man einer vergleichbaren Situation selbst begegnen würde.
Die Inszenierung der Geschichte selbst beinhaltet eine mit dem zunehmenden Terror Cadys analoge Steigerung der Spannung bis zum Showdown am Cape Fear, in der Dunkelheit, in einem von Gewässern und Sümpfen, Sträuchern und Bäumen unüberschaubaren Gelände. Der eigentliche „Star” dieses Films ist weniger Gregory Peck. Es ist Robert Mitchum, der Cady mittels Gestik und vor allem Mimik eine im wahrsten Sinn fürchterliche Gestalt verleiht – wohl eine der besten Rollen dieses exzellenten Darstellers. Mitchums Blick würde – jenseits aller Gestik und jenseits aller Dialoge – schon ausreichen, um den ganzen Hass und den brutalen Willen Cadys völlig überzeugend auszudrücken. Hinzu kommt aber Cadys Zynismus, besonders deutlich bei den Szenen im Polizeipräsidium und vor allem bei einem Zusammentreffen Cadys mit Bowden in einer Bar, als Bowden ihm Geld anbieten will, damit Cady verschwindet.
Am Schluss des Films wird der Name Max Cady quasi zu einem Sinnbild des Terrors und der Brutalität. Mitchum spielt diesen Cady als einen Mann, der letztlich nur noch mit jenen Aliens vergleichbar ist, die in diversen Sciencefiction gewissenlos die Erde terrorisieren. Nur dadurch, könnte man sagen, dass Cady (im Unterschied zu diesen Alien-Bedrohungen) allein operiert, lässt er Bowden am Schluss des Films die Alternative, ihn zu töten oder ihn festzunehmen, um lebenslang im Gefängnis zu schmachten. Was aber, wenn zwei Dutzend Cadys eine Stadt terrorisieren würden? Wie würden die ehrbaren Einwohner reagieren?
Neben Mitchum überzeugt Gregory Peck in einer seiner Standardrollen – dem rechtschaffenen Amerikaner, vergleichbar vielen Rollen, die etwa Henry Ford in jenen Jahren und früher gespielt hat. Auch die supporting parts – Martin Balsam, Telly Savalas (mit Haaren und ohne Lolly), Peggy Bowden und vor allem auch Lori Martin und Barrie Chase – sind gut besetzt.
„Cape Fear“ hat summa summarum Hitchcock-Qualität. Und dazu bei trugen sicherlich auch Bernard Hermann (Musik) und George Tomasini (Montage), die beide oft für Hitchcock gearbeitet hatten.
© Bilder: Universal Pictures. Screenshots von der DVD.
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