Klute (Klute) USA 1971, 114 Minuten Regie: Alan J. Pakula
Drehbuch: Andy Lewis, Dave Lewis Musik: Michael Small Director of Photography: Gordon Willis Montage: Carl Lerner Produktionsdesign: George Jenkins, John Mortenson
Darsteller: Jane Fonda (Bree Daniels), Donald Sutherland (John Klute), Charles Cioffi (Peter Cable), Roy Scheider (Frank Ligourin), Dorothy Tristan (Arlyn Page), Nathan George (Trask), Vivian Nathan (Psychologin), Morris Strassberg (Mr. Goldfarb), Betty Murray (Holly Gruneman), Robert Milli (Tom Gruneman)
Bree, Klute und ein Mörder
„I love inhibitions because they're so nice to get rid of.” (Bree)
Alan J. Pakula (1928-1998) wurden bekannt durch Filme wie „Die Unbestechlichen” (1976) über den Watergate-Skandal, „Sophies Entscheidung” (1982) oder „Die Akte” (1993). Sein Erstlingswerk als Regisseur dagegen – „The Sterile Cuckoo” von 1969 – ist hierzulande kaum bekannt, und fast vergessen scheint auch sein zweiter Film „Klute” aus dem Jahr 1971.
„Klute” erzählt eine Liebesgeschichte. „Klute” ist aber auch ein Thriller. Klute (Donald Sutherland) ist ein ruhiger, zurückhaltender, beherrschter Privatdetektiv. Klute weiß aber, was er will. Klute ist eigensinnig, aber leise. Der Film beginnt mit einem Essen. Am Tisch sitzen neben Klute die Familie Gruneman, der Chef Tom Grunemans (Robert Milli), Peter Cable (Charles Cioffi), und einige andere Gäste. Kurze Zeit später ist Tom Gruneman spurlos verschwunden. Die Polizei tappt im Dunkeln, sein Chef und seine Frau wissen auch nicht, wo er sein könnte. Der einzige Hinweis auf Gruneman ist ein obszöner Brief an ein Callgirl in New York, das von der Polizei vernommen wird – ohne erkennbaren Hinweis auf den Verbleib Grunemans.
Ein halbes Jahr später schlägt Cable vor, Klute solle angesichts der Erfolglosigkeit der Polizei nach New York fliegen, um Gruneman zu suchen. Klute nimmt Kontakt mit dem Callgirl auf – der einzige Anhaltspunkt für ihn. Doch Bree Daniels (Jane Fonda) ist weder erfreut über das Auftauchen Klutes, noch scheint sie irgend etwas über den Verbleib des Verschwundenen zu wissen.
Da Klute aber beharrlich an Bree dran bleibt, stößt er auf ihren ehemaligen Zuhälter Frank Ligourin (Roy Scheider), der zu der Zeit, als Tom in New York war, drei Callgirls „beschäftigte”: Bree, die inzwischen auf eigene Rechnung arbeitet, eine weitere Frau, die tot sei, und die drogensüchtige Arlyn Page (Dorothy Tristan). Ligourin erinnert sich an einem Mann, der Spaß an Gewalt gehabt habe. Ob es Gruneman gewesen sei, wisse er nicht.
Kurz darauf, nachdem Klute und Bree Kontakt zu Arlyn aufgenommen hatten, ist Arlyn tot. Die Polizei fischt ihre Leiche aus dem Wasser. Das einzige, an was sich Arlyn erinnern konnte, war, dass der Mann, der auch sie damals geschlagen hatte, älter gewesen sei als Tom Gruneman. Ist Gruneman tot? Klute will im Bekanntenkreis Grunemans nach dem Täter suchen ...
Im Verlauf der Handlung ist relativ schnell klar, wer der gewalttätige Mann ist, der für die Morde verantwortlich ist. Aber das ist nicht entscheidend. „Klute” lebt von zweierlei: Zum einen von einer düsteren Handlung, verstärkt durch die in dieser Hinsicht die Spannungselemente unterstützende Musik von Michael Small. Die bis fast zum Schluss bestehende Ungewissheit für Klute und Bree, wer hinter dem Verschwinden Grunemans und den Morden stecken könnte, lässt Bree in eine gefährliche Situation geraten, weil der Täter sie und Klute beobachtet und ihr schließlich auflauert. Zum anderen aber erzählt Klute eine von beiden Hauptdarstellern exzellent getragene Liebesgeschichte.
Jane Fonda spielt eine Prostituierte, die sowohl Stammkunden, als auch Gelegenheitsfreier hat. Gleichzeitig versucht sie erfolglos, als Schauspielerin oder Model anzukommen. Bree geht in eine Psychotherapie, ist aber enttäuscht von ihrer Psychologin (Vivian Nathan). Trotzdem erzählt sie ihr, als Callgirl sei sie, die sich so erfolglos bei Theatern bewerbe, die beste Schauspielerin, die man sich vorstellen könne. Sie verdiene nicht nur Geld, sondern habe „die Sache” auch vollständig im Griff. Sie vermittle ihren Kunden, deren Bedürfnisse vollauf zu befriedigen, ohne dass diese merken würden, dass sie die Kontrolle habe. Das verschaffe ihr eine hohes Maß auch an Selbstkontrolle. Hasst Bree die Männer? Es scheint fast so.
Sie glaubt, auch mit Klute so verfahren zu können. Klute hat sich im selben Haus eingemietet wie Bree, und eines Tages kommt sie zu ihm in die Wohnung, behauptet, sie habe Angst, verführt Klute – nur um ihm zu demonstrieren, dass sie jeden Mann schafft, auch ihn. Voller Stolz und Verachtung verlässt sie sein Zimmer.
Doch in Klute hat sich Bree geirrt. Klute merkt sehr schnell, dass Bree ihr fehlendes Selbstbewusstsein durch aggressives Verhalten und Tricks zu kaschieren versucht. Er lässt sich davon wenig beeindrucken. Und er verliebt sich in Bree, ohne dies zunächst nach außen preiszugeben. Er kümmert sich um Bree, bleibt gelassen, zurückhaltend und beherrscht. Und genau dies bringt Brees Gefühle völlig durcheinander. Sie will keine stinknormale Beziehung in einem stinknormalen Familienleben, irgendwo in einem stinknormalen Kaff, erzählt sie ihrer Psychologin. Sie will, um es anders auszudrücken, ihre durch Äußerlichkeiten verdeckte Unsicherheit beibehalten; sie ist daran gewöhnt – und am Schluss kapituliert sie gegenüber Klute. Aber diese Kapitulation ist kein Nachteil für Bree, sondern eine Chance. Pakula inszeniert diese Liebesgeschichte ohne Klischees oder theatralische Effekthascherei. Jane Fonda und Donald Sutherland unterstützen ihn in dieser Hinsicht hervorragend.
Die Verzahnung dieser komplizierten, aber durchaus von Pakula logisch aufgebauten Liebesgeschichte mit dem Mordfall, verbunden durch die düstere Atmosphäre der Handlung, macht den ganzen Reiz dieser Geschichte aus. Jane Fonda ist hier in einer ihrer besten Rollen zu sehen, Donald Sutherland ein ihr ebenbürtiger, zu der personellen Konstellation exzellent passender Partner. Pakula gelingt es, die Aufklärung des Falles und die Aufklärung der Beziehung zwischen Klute und Bree parallel zu entwickeln: Langsam, aber stetig kommt Licht in beide Handlungsstränge.
Da Pakula – trotz der Szenen bei der Psychologin – auf jede Form von Psychologisierung der Geschichte verzichtet, wirkt die Liebesgeschichte eben auch glaubwürdig. Ansonsten verzichtet Pakula ebenfalls auf übermäßige Effekte. Ein Tonband reicht, ein Tonband, das ab und an eingeblendet wird und auf dem die Stimme Brees während einer „Sitzung” mit einem Freier zu hören ist.
© Bilder: Turner Home Entertainment
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