Lord of Illusions (Lord of Illusions) USA 1995, 119 Minuten (Director’s Cut) Regie: Clive Barker
Drehbuch: Clive Barker Musik: Simon Boswell Director of Photography: Ronn Schmidt Montage: Alan Baumgarten Produktionsdesign: Steve Hardie
Darsteller: Scott Bakula (Harry D’Amour), Kevin J. O’Connor (Philip Swann), Famke Janssen (Dorothea), Daniel von Bargen (Nix), Vincent Schiavelli (Vinovich), Barry Sherman (Butterfield), Sheila Tousey (Jennifer Desiderio), Joel Swetow (Valentin), Joseph Latimore (Caspar Quaid), Susan Traylor (Maureen Pimm), Ashley Lyn Cafagna (die junge Dorothea), J. Trevor Edmond (der junge Butterfield), Billy McComb (Walter Wilder), Lorin Stewart (Billy Who)
What the Hell ... ?
Clive Barker wurde bekannt durch seine Filme „Hellraiser“ (1987) und „Cabal – die Brut der Nacht“ (1990). In seinem 1995 gedrehten „Lord of Illusions“ versuchte sich Barker an einer Mischung aus Charles-Manson-Horror und Detektivgeschichte à la Philip Marlowe. Der New Yorker Privatdetektiv Harry D’Amour (Scott Bakula) soll einer geheimnisvollen Sekte in Los Angeles auf die Spur kommen. Das heißt, eigentlich bekommt er nur von einer gewissen Dorothea (Famke Janssen) den Auftrag, ihren Mann zu schützen, den bekannten Illusionisten Philip Swann (Kevin J. O’Connor), dessen Sicherheit sie gefährdet sieht.
Swann und Dorothea sind verheiratet. Er liebt sie, sie hat ihn nur aus Dankbarkeit geheiratet. Warum? Beide gehörten in ihrer Jugend einer Sekte in der Wüste an, die von dem sadistischen Sektenguru Nix (Daniel von Bargen) geführt wurde, der die u.a. Fähigkeit hatte, sich in die Gedanken anderer einzunisten und äußerst realistische (virtuelle) Illusionen zu erzeugen. Nix, eine Mischung aus Psychopath und Illusionist, ausgestattet mit übernatürlichen Fähigkeiten und einem starken Hang zu Zerstörung und Selbstzerstörung, wollte die junge Dorothea (Ashely Lyn Cafagna) zwingen, Swann zu ihm zurückzubringen, der vor den brutalen Machenschaften des Guru geflohen war. Swann konnte Nix überwinden und ihm eine eiserne Maske mit tödlichen Stiften auf den Kopf setzen. Dorothea gab Nix den Rest. Sie verbuddelten den vermeintlich Toten irgendwo in der Wüste.
Von alldem das weiß Harry nichts, als er 13 Jahre später seine Ermittlungen aufnimmt. Als Swann bei einer seiner Vorführungen vor Publikum gefesselt unter einer Reihe von Schwertern, die an der Decke angebracht sind, sein neues Zauberkunststück präsentieren will – er will zeigen, wie er den nach und nach herunterfallenden Schwertern ausweicht –, wird er tödlich getroffen. Harrys Auftrag scheint sich erledigt zu haben. Swanns Assistent Valentin (Joel Swetow) bietet ihm eine hübsche Summe Geld, damit er aus Los Angeles wieder verschwindet.
Doch Harrys Spürnase sagt ihm, dass im Club der toten und lebenden Illusionisten noch einiges faul ist. Er bleibt und nimmt über den Zauberer Walter Wilder (Billy McComb) Kontakt zum Kreis der Illusionisten auf. Dort war Swann nicht besonders beliebt. Harrys besonderes Interesse weckt Hollywoods Magic Castle, in dem er Geheimnisse vermutet, über die die Illusionisten nicht gerne sprechen. Zudem erzählt ihm Dorothea endlich von ihrer und Swanns Vergangenheit. Er muss zusehen, wie sich Jennifer, die auch zum Kreis um Nix gehörte, in der Psychiatrie aus Angst vor Nix Rückkehr vor ein Auto wirft. Und er ist den Angriffen eines gewissen Butterfield (Barry Sherman) ausgesetzt, der offenbar zu einem Kreis von Nix-Anhängern gehört, die sehnlichst auf die Rückkehr des Meisters warten ...
Barker entpuppt sich in „Lord of Illusion“ als Master of special effects – das kann man jedenfalls behaupten. Die Schwertszene, bei der Swann (angeblich) stirbt, ist nur der Anfang einer Reihe von ansehnlichen adrenalintreibenden Sequenzen. Körper fliegen oder schweben durch die Luft, Gesichter verzerren sich zu offenen Wunden, aus Körpern werden Skelette oder sie lösen sich in Nichts auf. Nix – nachdem er aus seinem Grab ausgebuddelt wurde – ist eine wahrhaft erschreckende Figur, der man sicherlich nicht auf der Straße begegnen will. Und der Showdown lässt kaum etwas zu wünschen übrig.
Allein, die Geschichte hat doch einige logische Hänger. Beispiele: Harry bricht in das Magic Castle ein und findet ein Buch, in dem alle Geheimnisse der Illusionisten-Gilde vermerkt sind. Er nimmt es mit. Doch was hat dieser Vorgang mit der weiteren Geschichte zu tun? Nichts. Eine völlig unnötige Szene, zumal Harry bereits so gut wie alles weiß. Es gibt einige Anhänger von Nix, die nichts besseres zu tun haben, als auf dessen Rückkehr zu warten. Warum? OK, Charles Manson. Aber die psychotischen Anhänger von Nix waten durch den Film wie menschliche Maschinen, die sich nichts sehnlicher wünschen, als ihrem Guru die Füße zu küssen, der allerdings wiederum nichts anderes beabsichtigt, als sie in einem Loch mit Treibsand verschwinden zu lassen. Also nichts à la Manson.
Nix selbst hat übernatürliche Kräfte. Er liegt 13 Jahre in der Erde verbuddelt – und lebt weiter. Er hat enorme Kräfte. Wieso konnte er sich dann aber nicht selbst aus der Erde ausgraben? In der Anfangssequenz schwingt Nix einen Affen und wirft ihn Richtung Dorothea. Woher, verdammt noch mal, hat Nix einen Affen? Und warum – what the hell ... – einen Affen? Nix hat nicht nur enorme Kräfte, er scheint sämtliche normalerweise tödlichen Angriffe überleben zu können – göttliche Kräfte, er scheint der Satan persönlich zu sein und fährt mehrmals zur Hölle, um wieder zurückzukehren. So einer lässt sich nicht töten. Aber wozu braucht er dann überhaupt Anhänger, die er dann sowieso in die ewigen Jagdgründe schickt? Warum ist er so erpicht auf Swann – um ihn zu töten, um ihn zu seinem Stellvertreter zu machen – what the hell, Mr. Barker, tell me the truth!
Die Handlung fußt auf der Konfrontation eines Privatdetektivs, der lernen muss, dass es noch andere Dinge zwischen Himmel und Erde (oder Hölle) gibt, als ihn sein Instinkt bisher gelehrt hat, und dem Dreieck Dorothea-Swann-Valentin, Leuten, die offensichtlich etwas verbergen. Valentin hat den Tod von Swann nur vorgetäuscht, um Swann in Sicherheit zu bringen. What the hell ...! Wenn Nix übernatürliche Fähigkeiten besitzt, wird er das etwa nicht herausbekommen? Und wozu wurde dann überhaupt ein Privatdetektiv angeheuert, den man anfangs zudem noch im Ungewissen lässt? Dorothea erzählt Harry, dass sie Swann nicht aus Liebe geheiratet habe. Kurze Zeit später liegen Harry und Dorothea im Bett. What the hell ...! Auch einer der vielen Drehbuch-Tricks, um die Geschichte voranzutreiben, hier nach dem Muster: der edle Ritter rettet die schöne Frau aus den Klauen ... usw.
Andererseits, auch wenn Scott Bakula bei weitem kein Humphrey Bogart und Clive Barker kein Raymond Chandler ist – und unter diesem Gesichtspunkt die Mischung aus Manson und Marlowe nicht so richtig funktionieren will –, gibt Bakula doch sein Bestes, um dem etwas dünnen Charakter des private eye etwas abzugewinnen. Ähnliches gilt für Famke Janssen. Am Schluss allerdings siegt – auch wenn er in der Hölle verschwindet – nur einer: Daniel von Bargen als Nix mit vermanschtem Gesicht und Kutte. „Lord of Illusions“ ist nicht gerade ein Meisterwerk des Genres, aber trotz aller Mängel ansehnlicher als manch anderes aus der Zunft der Schrecklichen.
© Bilder: United International Pictures
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