Männer, die auf Ziegen starren
(The Men Who Stares at Goats)
USA 2009, 94 Minuten
Regie: Grant Heslov

Drehbuch: Peter Straughan, nach dem Buch von Jon Ronson
Musik: Rolfe Kent
Director of Photography: Robert Elswit
Montage: Tatiana S. Riegel
Produktionsdesign: Sharon Seymour

Darsteller: George Clooney (Lyn Cassidy), Ewan McGregor (Bob Wilton), Jeff Bridges (Bill Django), Kevin Spacey (Larry Hooper), Stephen Lang (Brigadegeneral Dean Hopgood)

"More of this is true than you would believe"

Kritik am Militär ohne Kritik an den Kräften, die sich seiner bedienen, bleibt zumeist flach und verpufft in einer abstrakten Ablehnung des Krieges. Die Kriege nach 1945 unterschieden und unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt. Nach 1933, nach der erbärmlichen Appeasement-Politik, nach dem Überfall der deutschen Gangster an der Macht auf Polen sahen sich die Staaten, die von dieser Kriegsmaschinerie existentiell bedroht waren, gezwungen, gegen die mordende, plündernde und folternde "Wehrmacht" und die ihr nachfolgenden Völkermordkommandos der SS ins Feld zu ziehen. Der zweite Weltkrieg war für die alliierten Mächte und deren Völker eine Zwangsveranstaltung. Die Gangster hatten fast ganz Europa überrannt. Die Kriege nach 1945 waren dagegen im Großen und Ganzen keine Zwangskriege, die aus der Not geboren waren; sie waren bestimmt vom Ost-West- und vom Nord-Süd-Konflikt, und gleichzeitig wurde versucht, sie durch die entsprechenden Ideologien auf beiden Seiten in einem immensen Propagandaaufwand zu legitimieren. Das galt insbesondere für die Kriege in Korea und in Südostasien. Zugleich schälte sich in den Ländern der sog. "Dritten Welt" ein Begriffspaar heraus: das der gerechten oder ungerechten Kriege. Es überlappten sich Legitimationsstrategien zwischen diesen verschiedenen Ideologien. Wer heute entscheiden will, auf welcher Seite er sich in einem Krieg befinde, hat es schwer. Auf welcher Seite soll man im Afghanistan-Krieg stehen? War der Krieg gegen Saddam Hussein ein "gerechter Krieg"?

Solche "Positionen" – für oder wider – einzunehmen, ist zu einer äußerst schwierigen Frage geworden. Wer ist schon für die Taliban oder war für Saddam Hussein? Aber muss man wegen dieser Gegnerschaft gegen Diktatoren und fundamentalistische Ideologien dann auch für einen Kriegseinsatz sein??

Die Kritik an "angezettelten" Kriegen wie dem in Afghanistan oder den beiden im Irak oder auch in Ex-Jugoslawien kontern Kriegsbefürworter regelmäßig mit dem Argument der Verteidigung von Menschenrechten usw. Auch Filme haben es in dieser Hinsicht in ihrer Kritik "am Krieg" oft nicht einfach. Sie stehen einer geballten Macht und einflussreichen Interessengruppen in den Zentren des globalen Kapitalismus gegenüber – vor allem aber Ideologien – gerade auch in der westlichen Welt –, die nichts unversucht lassen, teils durch alte, "renovierte" Feindbild-Beschwörungen (Saddam Hussein – der Satan, der neue Hitler usw.), teils durch neue Feindbilder, die in der Regel auf Ängste aufbauen, Mehrheiten für Kriegseinsätze zu gewinnen. Dabei schreckt man auch vor offensichtlichen Lügen nicht zurück (etwa die sattsam bekannte, aber falsche Behauptung, der irakische Diktator habe ABC-Waffen besessen).

Ein erfolgversprechender Weg der Kritik an modernen Kriegen ist die Satire. Grant Heslov versuchte sich darin. Sein Film, ein Konstrukt, das auf Teilen eines Buches von Jon Ronson beruht, geht einen abstrusen Weg. Ronson selbst behauptete in seinem Buch, die darin geschilderten Vorgängen der parapsychologischen Kriegsführung gründeten auf tatsächlichen Ereignissen der 70er und 80er Jahre im US-Militär. Das kann man nun glauben oder nicht – es spielt keine Rolle.

Denn Heslov geht es nicht um die Frage, ob es solche parapsychologischen Fähigkeiten gibt oder gab.

Er erzählt die Geschichte des Journalisten Bob Wilton, der in einem Interview mit einem ehemaligen Soldaten, Lacey, von diesen Dingen erfährt, Lacey allerdings zunächst für einen Spinner hält. Lacey erzählt ihm auch von Lyn Cassidy, der vor Jahren einer Spezialeinheit beim Militär angehört haben soll, die übernatürliche Kräfte für das Militär nutzbar machen wollte.

Als ein Kollege von Wilton an einem Herzinfarkt stirbt und seine Frau ihn wegen eines anderen verlässt, begibt sich Bob aus Verzweiflung und in der Hoffnung nach Kuwait, von dort aus in den Irak zu kommen, um über den Krieg zu berichten. Aber er bleibt in einer Bar in Kuwait hängen, bekommt keine Einreisegenehmigung – bis er zufällig genau jenen Lyn Cassidy trifft, von dem Lacey ihm erzählt hatte. Der nimmt ihn mit in den Irak.

... Und Lyn erzählt ihm nach und nach die Geschichte der "New Earth Army", der auch der "begnadete" Bill Django und der von Parapsychologie faszinierte Brigadegeneral Hopgood angehört hatten.

Wir sehen die beiden im folgenden durch die Wüste fahren. Und Heslov erzählt parallel und in Rückblenden die Geschichte beider Fahrt durch den Irak und die Geschichte der "New Earth Army".

Was Bob da zu hören bekommt, ist unglaublich: Aus seiner Erfahrung im Vietnam-Krieg habe Bill Django die Lehre gezogen, man müsse durch nicht-letale Waffen Konflikte entscheiden. Sechs Jahre lang habe sich Bill in der Love & Peace-Bewegung aufgehalten, um daraus und dafür zu lernen. Hopgood habe Bill dazu animiert, die "New Earth Army" zu bilden und bei Soldaten entsprechende parapsychologische Fähigkeiten auszubilden. Angeblich habe Lyn es später geschafft, einer Ziege nur durch visuelle Beeinflussung einen Herzinfarkt zu "verschaffen". Er demonstriert dem noch immer ungläubigen Bob, wie er durch rein "visuelle Ästhetik" eine Wolke am Himmel des Irak in lauter kleine Wolken auflösen kann. Er errät, ob Bob Kopf oder Zahl bei einer Münze geworfen hat. Er behauptet, ein Soldat der "New Earth Army" hätte erraten, wo sich Noriega Ende der 80er Jahre in Panama aufgehalten habe.

So hätte sich langsam aber sicher eine Truppe von Yedis herausgebildet – die u.a. die volle Unterstützung Präsident Reagans genossen habe, weil dieser Fan der "Star Wars"-Filme und auch der Parapsychologie gewesen sei.

Doch ein Mann habe die wundervolle Yedi-Armee kaputt gemacht, um selbst Führer zu werden: Larry Hooper. Er habe dafür gesorgt, dass Lyn und Bill kalt gestellt worden seien. Und diesen Mann treffen Lyn und Bob nun plötzlich im Irak wieder ...

"The Men Who Stare at Goats" erzählt einerseits eine Geschichte – die der "New Earth Army" –, ist zweitens eine Art Road Movie durch den Irak mit allerlei abstrusen Situationen – etwa wenn Bob und Lyn zwischen die Fronten zweier konkurrierender Sicherheitsunternehmen geraten –, und drittens und letztlich aber "nur" eine Abfolge meist absurder Szenen, die zum Großteil urkomisch sind. Etwa die folgende: Lyn fordert den zweifelnden Bob auf, ihn zu würgen. Er wolle Bob dann durch "visuelle Ästhetik" beeinflussen. Was tatsächlich passiert ist lediglich, dass Lyn dem gehemmten Bob, der ihm nicht an den Hals will, kurzerhand zu Boden wirft. Oder eine andere Szene: An einer Weggabelung in der irakischen Wüste behauptet Lyn, nur durch Intuition lasse sich jetzt der richtige Weg finden. Er entscheidet, und kurz darauf fahren sie mit ihrem Jeep auf eine Sperrbombe und müssen zu Fuß weiter.

So in etwa ist der ganze Film. Während in den Geschichte, die Lyn Bob erzählt, alles Parapsychologische selbstverständlich als hundertprozentig wahr und wahrhaftig hingestellt wird, erweisen sich Lyns Demonstrationsversuche in der Wüste gegenüber Bob zumeist als hohle Phrasen und in ihrer Lächerlichkeit als äußerst humorvoll.

Dabei bekommen nicht nur die gläubigen Militärs ihr Fett weg, sondern auch jene Love-and-Peace-Jünger und New-Age-"Agenten", die mit allzu naiver Küchenpsychologie und Parapsychologie versuchten, Massen hinter sich zu scharen. Allein – der Glaube ist wichtig – sonst nichts! Und wenn man glaubt, kann man auch durch Wände gehen. Was sich hinter dieser absurden Story verbergen könnte, ist eine subtile Kritik an allen anderen, gängigen Methoden, Menschen für das kriegerische Soldatenleben zu gewinnen. Zweck: Hauptsache, sie schießen, und wenn sie nur mit "visueller Ästhetik" oder dem "berühmten" Echmeyer-Technik den Feind kampfunfähig machen: Man sammelt alle Kräfte in sich – Echmeyer lief dabei puterrot an – und springe in hohem Bogen auf den gegenüberstehenden Feind. Hinter all diesen Techniken, Tricks und Begriffshülsen verbirgt sich letztlich – NICHTS! Außer eben dem Versuch, Menschen für den Krieg zu gewinnen.

Trotz all dieser, vorwiegend sehr witzig und von Clooney, McGregor, Bridges und Spacey fast schon optimal "vorgelebten" Szenenfolgen blieb mir am Schluss ein leicht bitterer Nachgeschmack. So richtig funken wollte diese satirische Kritik am US-Militär dann doch nicht. Irgendwie steht man am Ende des Films ein bisschen unbeholfen im Raum und denkt sich: Ok, war zum Schmunzeln, oft zum Lachen, aber der letzte Pfiff fehlte. Man kann es auch anders formulieren. Der letzte Pfiff fehlt vielleicht, weil solche Filme den letzten Schritt in Richtung Defaitismus nicht wagen und irgendwo doch noch auf Versöhnung, Verständnis oder dergleichen hinaus sind – oder einfach die anfangs geschilderten Schwierigkeiten einer solchen Kritik nicht bewältigen können. Wenn am Schluss mitten in der irakischen Wüste eine Herde Ziegen frei gelassen wird, wird man das Gefühl nicht los, es sei ja nicht so ernst gemeint mit der Kritik. Aber möglicherweise kann man dies den Filmemachern gar nicht vorwerfen.

Nichtsdestotrotz bietet Heslov eineinhalb Stunden gute und humorvolle Unterhaltung.

© Bilder: Kinowelt Filmverleih.
Wertung: 7 von 10 Punkten.

(8. März 2010)