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Misery (Misery) USA 1990, 107 Minuten Regie: Rob Reiner
Drehbuch: William Goldman, nach dem Roman von Stephen King Musik: Marc Shaiman Director of Photography: Barry Sonnenfeld Montage: Robert Leighton Produktionsdesign: Norman Garwood, Mark W. Mansbridge, Garrett Lewis
Darsteller: James Caan (Paul Sheldon), Kathy Bates (Annie Wilkes), Richard Farnsworth (J. T. McCain), Frances Sternhagen (Virginia McCain), Lauren Bacall (Marcia Sindell), Graham Jarvis (Libby), Jerry Potter (Pete), Thomas Brunelle (Moderator), June Christopher (Moderatorin), Julie Payne, Archie Hahn, Gregory Snegoff (Reporter), Rob Reiner (Hubschrauber-Pilot), J. T. Walsh (Sherman Douglas), Wendy Bowers (Kellnerin)
Solide in fast jeder Hinsicht
Der Horror ist alltäglich – jedenfalls in vielen Romanen Stephen Kings. Er entspringt, worauf Roger Ebert in seiner Besprechung von „Misery“ zu Recht hingewiesen hat, bei King ganz banalen Situationen. Dabei gelingt es King zumeist, Alltäglichkeit und Schrecken derart dicht „aneinander zu reiben“, dass die Differenz zwischen simplen, eigentlich ungefährlichen Situationen, die wir alle kennen, und Ängsten, Gefahren, Tod und Schmerz zu verschwinden scheint. King spielt mit Erwartungen und erfüllt sie in Momenten, in denen keiner damit rechnet, vice versa. Die Umsetzung solcher literarischer Leistungen auf die Leinwand gelingt nur selten. Mary Lamberts „Friedhof der Kuscheltiere“ (1989), zu dem King selbst das Drehbuch schrieb, ist ein äußerst schwaches Beispiel für die filmische Adaption eines King-Stoffes, während Kubricks „Shining“ (1980) zu den Spitzenreitern in der Filmgeschichte gehört – obwohl King den Film nicht mochte und später eine Mini-Fernsehserie produzierte, die bewusst als (angeblich positives) Gegenstück zu Kubricks Klassiker gedacht war. Man muss allerdings auch berücksichtigen, dass Literatur und Film ganz unterschiedlichen Regeln folgen, so dass der Versuch eines direkten Vergleichs letztlich daran krankt, dass das Verlangen nach einer 1:1-Adaption eines literarischen Stoffes sowieso eine Illusion ist.
Was bleibt, ist vielleicht die Frage nach dem Kontext von Alltag und Schrecken: Ist sie im Roman spannender und besser beantwortet als im Film? 1990 versuchte sich Rob Reiner an Kings „Misery“.
Der Schriftsteller Paul Sheldon (James Caan) schreibt seit Jahren an einer Erfolgsserie. Seine Bücher handeln von einer Frau namens Misery. Geschrieben hat er die auf Publikumsgeschmack und Umsatz ausgelegten Romane irgendwie in einem einsam gelegenen Hotel in Colorado. Jetzt hat er dort einen Roman fertiggestellt, der besserer Qualität sein soll, obwohl seine Verlegerin Marcia Sindell (Lauren Bacall) daran zweifelt, mit diesem neuen Produkt Kasse machen zu können. Misery hat Sheldon sterben lassen. Guter Dinge macht sich Sheldon auf den Weg nach Hause. Dabei verliert er auf der verschneiten Straße die Kontrolle über seinen Wagen, der einen Abhang hinunterstürzt. Sheldon ist schwer verletzt. Niemand würde ihn dort finden, und er hätte jämmerlich erfrieren müssen, wenn ihn nicht die ehemalige Krankenschwester Annie Wilkes (Kathy Bates) aus dem Auto befreit und mit in ihr Haus genommen hätte.
Dort wacht er auf, mit einer ausgekugelten Schulter, einem Arm in der Binde, geschienten Beinen und allerlei Prellungen und Schürfwunden – bewegungsunfähig. Annie entpuppt sich als eine offenbar überaus freundliche Frau, die Sheldon medizinisch versorgt, für ihn kocht und sich als eine fanatische Verehrerin seiner Misery-Romane vorstellt. Annie erzählt Sheldon, das Telefon würde nicht funktionieren. Der Schnee hindere sei daran, Sheldon in die nächste Stadt ins Krankenhaus zu fahren. So müsse er sich ihrer Obhut anvertrauen.
Sheldon wird vermisst. Seine Verlegerin wendet sich an den örtlichen Sheriff McCain (Richard Farnsworth). Aber trotz einiger Ermittlungen findet sich zunächst keine Spur des vermissten Schriftstellers. McCain und seine Frau (Frances Sternhagen) vermuten, dass Sheldon erfroren ist. Als man sein Auto schließlich unter Schnee begraben entdeckt, fällt dem Sheriff auf, dass die Fahrertür mit Gewalt aufgebrochen wurde. Er vermutet, dass irgend jemand Sheldon aus dem Wagen befreit haben muss, hat aber keine Ahnung, wer das gewesen sein könnte.
Inzwischen hat Sheldon aus Dankbarkeit und auf Bitten Annies der Krankenschwester sein Manuskript zum Lesen gegeben. Annie scheint überglücklich. Dann allerdings, als sie erfährt, dass Sheldon Misery hat sterben lassen, reagiert sie überaus wütend, und das erste Mal muss der hilflose Schriftsteller erfahren, dass mit Annie irgend etwas nicht stimmt. Annie ist eine Psychopathin, der er auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Sie zwingt ihn, sein Manuskript selbst zu verbrennen und einen neuen Roman zu schreiben, in dem Misery wieder zum Leben erweckt wird. Sie besorgt Papier, eine Schreibmaschine, verfrachtet Sheldon in einen Rollstuhl und sperrt sein Zimmer ab.
Sheldon bleibt äußerst gefasst; was bleibt ihm anderes übrig. Als Annie wieder einmal in den nahe gelegenen Ort fährt, öffnet er die verschlossene Tür zu seinem Zimmer mit einer Haarnadel, um irgendwo ein Telefon zu finden. Das Telefon jedoch erweist sich als Attrappe. Als Annie merkt, dass Sheldon heimlich das Zimmer verlassen hat, greift sie zum Äußersten. Sie erklärt ihm, nichts könne sie und ihn wieder auseinander bringen, sie liebe ihn. Dann sorgt sie dafür, dass Sheldon nicht mehr aus eigener Kraft aus dem Bett oder dem Rollstuhl aufstehen kann. Als der Sheriff Annie auf die Spur kommt, scheint das Leben Sheldons und McCains keinen Pfifferling mehr wert ...
„Misery“ baut auf drei Komponenten: den hilflosen Schriftsteller, die psychopathische Krankenschwester und die unwissende Umwelt in Gestalt des Sheriffs und seiner Frau. Den McCains kommt dabei leider eine viel zu untergeordnete Rolle zu; sie dienen eher als Statisten, denn als Charaktere mit Tiefgang. Sheldon und Annie stehen absolut im Zentrum des Geschehens. Und James Caan und Kathy Bates machen ihre Sache durchaus gut. Dem Spannungsverhältnis zwischen der fast völligen Hilflosigkeit des Schriftstellers und der scheinbaren Allmacht der Krankenschwester entspricht ihr konkretes Verhalten. Sheldon bleibt auf eine erschreckende Weise „cool“ und gelassen. Er will sich nicht anmerken lassen, dass er Angst hat, aber auch, dass er die Situation für völlig normal hält, um seine Situation nicht weiter zu verschlechtern.
Annie demgegenüber weiß genau, dass Sheldon in Wirklichkeit ganz anders empfindet. Sie ist über weite Strecken nicht nur aus der Situation heraus die Überlegene, sondern auch mental Sheldon im Vorteil. Sie liebt ihn – was auch immer dies für eine merkwürdige Art der Liebe sein mag –, aber sie weiß ganz genau, dass er Wut und Hass gegenüber ihr empfindet. Ihr ist auch bewusst, dass Sheldon die geringste Möglichkeit nutzen wird, um seiner Situation zu entkommen. Als sie bemerkt, dass eine kleine Figur nach ihrer Rückkehr aus dem Ort, in dem sie Papier besorgt hat, anders steht als gewohnt, ist ihr klar, dass Sheldon sein Zimmer verlassen hat. Sie findet die Haarnadel, ein Messer. Sie weiß auch, dass ihre Art von „Liebe“ nur einen Schlusspunkt finden kann: den Tod. Denn ewig wird sie Sheldon nicht vor der Außenwelt verstecken können.
Annie hat aber nur scheinbar alles unter Kontrolle. Sie rechnet nicht damit, dass Sheldon zu den gleichen Mitteln greifen könnte, die sie gegenüber ihm anwendet: List und Gewalt. Als Sheldon in einer Kammer Kapseln findet und abends unter dem Vorwand, er wolle mit Annie die Wiedergeburt seiner Romanfigur feiern, ihr das Pulver in den Wein schüttet, um sie zu betäuben oder umzubringen, stößt Annie das Glas um. In diesem Moment ist nicht klar, ob dies Zufall war oder ob Annie wusste, was Sheldon vor hatte. Annie sitzt am längeren Hebel; Sheldon bleibt nur die Hoffnung, jeden Strohhalm zu ergreifen, um Annie doch noch zu besiegen. Es steht Spitz auf Knopf.
Caan und Bates gelingt eine überwiegend beeindruckende Darstellung der beiden zentralen Figuren. Vor allem vermeidet Kathy Bates Übertreibungen, was angesichts der Figur der Annie durchaus im Bereich des Möglichen läge. Caans Rolle ist in gewisser Weise „einfacher“, doch der u.a. aus „Der Pate“ (erster Teil) bekannte Schauspieler weiß zu überzeugen. Ich kann mich nicht erinnern, inwieweit den anderen Akteuren in Kings Roman größere Aufmerksamkeit geschenkt wird; jedenfalls vermisst man dies im Film.
Rob Reiner hält einige durchaus spannende Momente und Nervenkitzel bereit, und auch der Showdown lässt nicht viel zu wünschen übrig. Insgesamt eine solide, wenn auch nicht weltbewegende Inszenierung.
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