O Brother, Where Art Thou
(O Brother, Where Art Thou)
USA, Großbritannien, Frankreich 2000, 106 Minuten
Regie: Joel Coen, Ethan Coen

Drehbuch: Ethan Coen, unter Verwendung von Homers Odyssee
Musik: T-Bone Burnett, Carter Burwell
Director of Photography: Roger Deakins
Montage: Ethan Coen, Joel Coen, Tricia Cooke
Produktionsdesign: Dennis Gassner

Darsteller: George Clooney (Ulysses Everett McGill), John Turturro (Pete Hogwallop), Tim Blake Nelson (Delmar O’Donnel), John Goodman (Big Dan Teague), Holly Hunter (Penny), Chris Thomas King (Tommy Johnson), Charles Durning (Pappy O’Daniel), Del Pentecost (Junior O’Daniel), Michael Badalucco (George Nelson), J. R. Horne und Brian Reddy (O’Daniels Stab), Wayne Duvall (Homer Stokes), Ed Gale (Der kleine Mann), Ray McKinnon (Vernon T. Waldrip), Daniel von Bargen (Sheriff Cooley)

Nette Episoden, aber sonst?

Ich liebe „Fargo” (1996) und ich liebe „The Man Who Wasn’t There” (2001) und „The Big Lebowski” (1998) von Coen & Coen. Mit „Ein unmöglicher Härtefall” (2003) kann ich so ganz und gar nichts anfangen. Und „O Brother Where Art Thou” liegt, wenn ich das so sagen darf, irgendwo dazwischen. Der sozusagen frei nach Motiven aus Homers Odyssee erzählte, sicherlich irgendwo „abgefahrene”, sicherlich irgendwie auch „coole”, an vielen Stellen komische Film, etwa eine Mischung aus Satire und Märchen, Road Movie und Drama – aus intellektuellen Querverweisen und romantischen Momenten zusammen montiert – erzählt die Geschichte, wenn man das so nennen kann, dreier Sträflinge zur Zeit der Depression, die ausbrechen, um, wie Ulysses Everett McGill (George Clooney) den beiden anderen, Pete Hogwallop (John Turturro) und Delmar O’Donnel (Tim Blake), erzählt, einen Schatz  – immerhin 1,2 Mio. Dollar – zu finden, wobei Everett – was sich aber erst viel später herausstellt – primär andere Zwecke verfolgt.

Den Ablauf dieser Geschichte mit Hindernissen rückblickend betrachtend, geht es mir mit dem Film vielleicht ähnlich wie den Lesern mit meinem letzten Satz, der es auf immerhin 91 Wörter und etliche Verschachtelungen per Nebensätzen und Parenthesen bringt: Ich bin etwas konsterniert!

Natürlich werden den drei Flüchtlingen etliche Steine in den holprigen Weg zum Reichtum gelegt. Zunächst werden sie von einem Verwandten Petes an die Polizei verraten, dessen Sohn sie dann jedoch rettet. Sheriff Cooley (Daniel von Bargen) ist ihnen stets nahe. Und auch so einige andere Leute führen nichts Gutes im Schilde.

Man könnte sich darauf einlassen, die teils ulkigen, teils satirischen, teils tragikomischen Bruchstücke der Flucht zum vermeintlichen Schatz zu erzählen. Ich will das unterlassen. Jedenfalls besteht der Film aus vielerlei Fragmenten, die sich in der Summe allerdings nicht zu einem Ganzen zusammenfügen wollen.

Wir treffen auf drei Sirenen beim Bade – kurz danach ist Pete verschwunden und taucht in den Händen des Sheriffs wieder auf –, auf den jungen Tommy Johnson (Chris Thomas King), der seine Seele an den Teufel verkauft und im Gegenzug die Fähigkeit zum Gitarrenspielen erhalten hat (er begleitet fortan die drei Ausbrecher), auf einen „typischen” Südstaaten-Senator namens O’Daniel (Charles Durning), mit fettem Sohn (Del Pentecost) und zwei geschwätzigen Wahlkampf-Managern, der sich gegen einen Konkurrenten namens Homer Stokes (Wayne Duvall) samt kleinem Mann (Ed Gale) zu erwehren hat, auf den Bibelverkäufer Big Dan Teague (John Goodman), der etwas im Schilde führt, auf Everetts Ex-Frau Penny (Holly Hunter) samt sieben Kindern, die den Wahlkampfleiter  Stokes, Waldrip (Ray McKinnon), ehelichen will, und last but not least auf eine Ku-Kux-Klan-Versammlung, auf der ein Schwarzer getötet werden soll.

All diese Geschichtchen und Episoden und die teilweise skurrilen Figuren bewegen sich in einer „typischen” Südstaaten-Atmosphäre mit entsprechend blendend gefilmten Landschaftsaufnahmen und einer ebenso eingängigen Bluegrass-Musik. Wunderschön ist beispielsweise zu Anfang des Films eine Szene, in der die vier Männer als „Soggy Mountain Boys” in einer Radiostation einen Song auf Schallplatte aufnehmen, der später zu einem Hit im Staate Mississippi werden soll. Zwar erfahren wir einiges über Everett, doch insgesamt fehlt es dem Film an einer subtilen Charakterisierung seiner Figuren. Clooney, Nelson und Turturro sind so gesehen lediglich die Figuren, die uns zu bestimmten anderen Personen führen, die allerdings auch nur episodisch gezeigt, jedoch kaum vorgestellt werden.

Man könnte auch sagen: Die Coens reichen uns in Ansätzen verschiedene Personen, angefangene Geschichten, die nicht zu Ende erzählt werden, Bezüge zur Odyssee, einen Familienstreit, und vor allem eine Verknüpfung dieser Bezüge, Assoziationen, intellektuellen Hinweise und so weiter, die rein äußerlich bleibt. Wo will man hin, was will man aussagen, was eigentlich erzählen? Wie ein Flickenteppich mit allerdings etlichen Löchern, wie ein Mosaik, zu dessen Gesamtschau dann eben doch etliche wichtige Steinchen fehlen, erscheint „O Brother Where Art Thou”. Auch der blinde Seher, zu Anfang des Films auf einer Eisenbahnstrecke, darf nicht fehlen. Ebensowenig der skrupellose Sheriff mit dunkler Brille, die dämlichen, aber gefährlichen Klan-„Mumifizierten” und so weiter und so fort.

„O Brother Where Art Thou” ist weder eine Persiflage auf Südstaaten-Dramen mit durchgehend satirischem Unterton, noch ein „echter” Road-Movie etwa à la David Lynchs „Straight Story”, noch eine dem klassischen Drama oder Homers Odyssee sich nähernde mythologische Erzählung. Ich habe den Verdacht, der Film sollte von allem etwas haben, aber letztlich hat er bei mir – nach zweimaligem Anschauen – einen irgendwie doch unbefriedigenden Eindruck hinterlassen. Ich gebe zu, dass einzelne Szenen – etwa die Klan-Szene, die Musikaufnahme, der Auftritt der vier Männer bei einer Wahlkampfveranstaltung u.a. – durchaus humorvoll und zum Teil spannend inszeniert sind. Aber letztlich wäre es meinem Empfinden nach eben doch befriedigender gewesen, eine wirkliche Geschichte mit Zusammenhang mit wirklichen Charakteren, die als solche erkennbar sind, zu erzählen, als sich mit fragmentarischen Anklängen und lose zusammengeflickten Szenen, die kein Ganzes ergeben, zu begnügen.

Dass die Ehekrise Everett McGills das Band sein soll, das die verschiedenen Geschichten letztlich zusammenhält, mag sein. Nur ist diese Geschichte einfach zu dürftig, um einem mehr als 100 Minuten dauernden Film ein tragfähiges Fundament zu geben.

© Bilder: United International Pictures