Okay
(Okay)
Dänemark 2002, 93 Minuten
Regie: Jesper W. Nielsen

Drehbuch: Kim Fupz Aakeson
Musik: Halfdan E, Jesper Winge Leisner, Nikolaj Steen
Director of Photography: Erik Zappon
Montage: Morten Giese
Produktionsdesign: Peter de Neergaard

Darsteller: Paprika Steen (Nete), Troels Lyby (Kristian), Ole Ernst (Netes Vater), Nicolaj Kopernikus (Martin, Netes Bruder), Molly Blixt Egelind (Katrine, Tochter), Laura Drasbæk (Tanja, Studentin), Trine Dyrholm (Trisse), Lotte Andersen (Janni), Jesper Christensen (Læge, Arzt), Henrik Prip (Netes Chef)

Okay? Ja, wirklich okay

Dogma is out. Die letzten Filme sind abgedreht. Aber der dänische Film ist deshalb nicht am Ende. Jesper W. Nielsen drehte 2002 eine Mischung aus Komödie und Drama, in der vor allem Paprika Steen zu glänzen vermag. Die Dänin war zuletzt in dem Dogma-Film „Open Hearts“ (2002) zu sehen, bot auch dort eine gute Leistung, auch wenn mir der Film insgesamt überhaupt nicht gefallen hat. „Okay“ steht abseits von Dogma, aber mitten drin im (dänischen) Leben.

Nete (Paprika Steen) hat es als Zentrum einer ziemlich schwierigen Familie nicht gerade leicht. Zentrum ist sie, weil sie alles auf die Reihe bekommen will und muss. Denn ihr Mann Kristian (Troels Lyby) ist ein eher ruhiger Zeitgenosse, konfliktscheu und ängstlich, wenn es darum geht, seine Romane an einen Verlag zu schicken. Er fürchtet, sie mit dem üblichen „Tut-mir-leid“-Begleitschreiben zurückzubekommen. Während er mit ein paar Vorlesungsstunden an der Universität nur wenig Geld nach Hause bringt, arbeitet Nete auf dem Sozialamt und muss Anträge genehmigen und wenn nötig ablehnen. Beider Tochter Katrine (Molly Blixt Egelind) ist im flotten und schwierigen Teenie-Alter, will ihre Zahnspange loswerden und hat heimlich einen Freund. Nete versucht, die Kontrolle zu behalten.

Das alles ist schon schwierig genug. Doch dann wird ihr Vater (Ole Ernst), zu dem Nete kein besonders herzliches Verhältnis hat, sterbenskrank. Læge (Jesper Christensen), der Arzt im Krankenhaus, bescheinigt ihm Leukämie, will sich aber nicht festlegen, wie lange Vater noch zu leben hat. Drei Wochen .. vielleicht. Vielleicht auch mehr. Nete beschließt, ihren Vater zu sich nach Hause zu holen; er soll nicht allein sein, wenn er stirbt. Das allerdings bringt in das Leben der Familie weitere Unordnung. Denn Vater, der ständig raucht und den ganzen Tag vor dem Fernsehen hockt, soll in Kristians Arbeitszimmer einquartiert werden.

Als wäre dies noch nicht genug, beginnt Kristian eine Affäre mit einer 22-jährigen Studentin. Tanja (Laura Drasbæk) ist schön, sexy und weiß, was sie will. Der unsichere Kristian liegt bald bei der jungen Frau im Bett und tut alles, damit Nete keinen Wind davon bekommt.

Nete hat derweil noch ein anderes Problem. Ihr Bruder Martin (Nicolaj Kopernikus) hat mit Vater seit ca. acht Jahren nicht mehr geredet. Damals war es zu einem heftigen Streit gekommen, weil Vater nicht akzeptieren konnte, dass Martin schwul ist. Inzwischen ist Martin Besitzer einer Bar und hat ganz andere Probleme, als sich mit seinem Vater auszusöhnen. Zwei Lesben, Trisse (Trine Dyrholm) und Janni (Lotte Andersen),wollen ein Kind. Martin soll den Samen liefern, der einer der beiden dann die Freuden des Mutterdaseins bescheren soll. Und Martin ist sich unsicher, ob er sich offiziell als Vater des gewünschten Kindes ausgeben soll oder nicht.

Inzwischen hat Vater drei Wochen überstanden, es geht ihm besser, auch wenn alle wissen, dass er sterben wird. Nete kommt hinter die Affäre Kristians und Katrine hat sich mit ihrem Großvater verschworen, um die Zahnspange endlich los zu werden. Nete scheint am Ende ihrer Kräfte ...

Flott, frech und zuweilen äußerst komisch inszenierte Nielsen sein Familiendrama um Beziehungen und Versöhnung, Liebe und Hass. Und ganz im Zentrum steht eine Frau, der ihr Vater vorwirft, sie sei wie ihre Mutter: unerträglich, sie müsse sich in alles einmischen und allen vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. Ein bisschen war ist das schon. Aber Nete gehört nicht zu den Menschen, die keine Einsicht haben können. Sie ist flexibel, und gerade Krisen sind für sie Anlass genug nachzudenken und zu handeln, einzusehen und umzudisponieren.

Family live. So ließe sich dieser Film umschreiben. Nielsen gelingt es, die Konflikte als Ausdruck von emotionalen Hemmnissen auf eine Weise zu schildern, die nie künstlich und überstrapaziert wirkt. Kristian treibt sich selbst in die Arme Tanjas, weil er unfähig ist, das Chaos um ihn herum in den Griff zu bekommen. Er liebt Nete, aber das dem so ist, stellt er erst richtig fest, als sie ihn schnurstracks aus der Wohnung wirft. Vater ist ein alter Griesgram, still, dickköpfig, aber mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Als er erkennt, dass seine Tochter eben nicht so ist wie ihre Mutter, erzählt er ihr – ausgerechnet vor dem Grab der Mutter –, dass er einmal eine Affäre mit einer anderen Frau hatte. Der fast schon zärtliche, wenn auch angesichts des Ortes etwas bizarre Hinweis bringt Nete dazu zu verstehen. Martin, der seinen Vater bei dem Streit vor Jahren als Faschist beschimpft hatte, weil der Schwule nicht akzeptieren könne, und Vater bringt Nete an einen Tisch, damit sie sich aussprechen. Das allerdings klappt nicht, weil beide merken, dass Nete dies inszeniert hat. Erst später, fast zu spät wechseln beide Worte und Blicke miteinander, die einer Versöhnung nahe kommen.

Die Besetzung des Films ist optimal. Nicht nur Paprika Steen, auch die anderen können überzeugen. Dazu gehört auch der Krankenhausarzt, gespielt von Jesper Christensen, der sich scheut zu sagen, wie lange Vater noch zu leben hat. Er will verhindern, dass er durch eine derart selbstbewusste Frau wie Nete später zur Verantwortung gezogen wird, falls seine Prognose falsch sein sollte. Nicolaj Kopernikus als schwuler Martin quält sich mit Vaterfreuden. Soll er oder soll er nicht? Soll er auch offiziell als Vater in Erscheinung treten oder nicht? Ole Ernst als Vater gefiel mir neben Paprika Steen am besten. Der alte Mann, der mit seinem Leben abgeschlossen hat, dem nur noch seine Blumen Sorgen zu bereiten scheinen, entwickelt sich bis zu seinem Tod zu einem Vater, der seinen beiden Kindern und seiner Enkelin wieder nahe kommt.

Insgesamt ein rasanter, komischer Film, der abseits vom sonstigen Mainstream eine Art Erholung darstellt. Auch das Happyend wirkt angesichts der Realistik der Handlung nicht aufgesetzt. Insgesamt also: Okay!