Rollerball (1975)
Rollerball (2002)




Rollerball
(Rollerball)
USA 1975, 129 Minuten
Regie: Norman Jewison

Drehbuch: William Harrison
Musik: Tomaso Albinoni, Johann Sebastian Bach, Dimitri Schostakovich, Pjotr Ilyich Tchaikovsky
Director of Photography: Douglas Slocombe
Montage: Antony Gibbs
Produktionsdesign: John Box, Robert W. Laing

Darsteller: James Caan (Jonathan E.), John Houseman (Bartholomew), Maud Adams (Ella), John Beck (Moonpie), Moses Gunn (Cletus), Pamela Hensley (Mackie), Barbara Trentham (Daphne), Shane Rimmer (Rusty, Trainer), Burt Kwouk (japanischer Arzt), Nancy Bleier (Frau in der Bibliothek), Robert Ito (Ausbilder Houston-Team), Ralph Richardson (Wissenschaftler in der Bibliothek)

Against Corporate Identity

Watergate und Vietnam, die „Ölkrise“ und die 68er-Bewegung – das alles war noch so nah, als Norman Jewison („In der Hitze der Nacht“, 1968; „Hurricane“, 2000) 1975 „Rollerball“ drehte. Die amerikanische Gesellschaft stand vor einem Scherbenhaufen, ohne dass das wirklich jemand zugeben wollte. Man wälzte sich in „Vergangenheitsbewältigung“ der speziellen Art: man blickte „einfach“ in die Zukunft. William Harrisons Geschichte einer nicht allzu fernen zukünftigen Gesellschaft zeichnet unsere Welt als eine von einer Handvoll mächtiger Konzerne beherrschte, repräsentiert durch Rollerball, einen „Sport“, in dem es mehr als hart zur Sache geht.

Jonathan E. (James Caan) ist der Held dieses Sports, einer Mischung aus Motorradsport, Pinball und Skating, gespielt in einer Arena vor tosendem Publikum, weltweit übertragen durch die Medien. Nicht nur Jonathan, alle Menschen dieser Welt sind „versorgt“; der Konsum ist zum Lebensinhalt geworden. Alles erinnert an eine moderne Variante von Brot und Spiele. Frauen werden den Spielern „zugeteilt“, sind zur Ware verkommen. Mackie (Pamela Hensley) wurde Jonathan einst zugeteilt, dann ihm auf Befehl eines der Konzernchefs, Bartholomew (John Houseman), wieder weggenommen, ersetzt durch Daphne (Barbara Trentham) und Ella (Maud Adams).

Jonathan spielt „sein“ Spiel. Als Skater neben den Motorradfahrern des Houston-Teams greift er nach der Kugel, die in eine Art Tor geworfen werden muss, das sich am Rand der Arena befindet. Fouls sind an der Tagesordnung, und nur schwere Fouls werden bestraft. Gegner werden vom Motorrad geholt, umgeworfen, verprügelt. Noch wachen Schiedsrichter darüber, dass die Spiele nicht völlig ausarten. Als Moonpie (John Beck) zum Houston-Team stößt, scheint die Mannschaft unschlagbar.

Dann allerdings passiert etwas Merkwürdiges. Bartholomew fordert Jonathan auf, sich aus dem Sport zurückzuziehen. Gründe nennt er ihm nicht. Teamchef Rusty (Shane Rimmer) ist Jonathan keine Hilfe, um gegen diese Entscheidung zu protestieren. Protest gibt es in dieser Gesellschaft der Gleichgültigkeit, des ewig Gleichen, sowieso nicht. Man hat zu akzeptieren, was die Konzerne entscheiden. Man folgt. Die Frage irgendeines Widerspruchs taucht erst gar nicht auf. Nur Jonathan will nicht verstehen, warum er als Champion des Rollerballs aufgeben soll. Er forscht nach, begibt sich in eine von Computern gesteuerte Bibliothek des „Weltwissens“, will wissen, wie die Konzerne zu ihren Entscheidungen kommen. Aber er findet nichts.

Jonathan E. spielt weiter – gegen die Anweisungen von Bartholomew, der inzwischen in Absprache mit den anderen mächtigen Konzernen entschieden hat, dass bei einem Spiel in Japan Regeln außer Kraft gesetzt werden: Fouls werden nicht mehr bestraft, die Spielzeit wird nicht begrenzt. Die Folgen dieser Anweisung sind offensichtlich: Es wird gespielt, bis nur noch einer übrig bleibt. Jonathan E. spielt mit – ein Spiel auf Leben und Tod.

Die Welt, die Jewison uns zeigt, unterscheidet sich in ihrem Äußeren kaum von unserer Realität. Man ist nicht anders gekleidet, die Städte sind wie unsere Städte, alles scheint unsere Welt zu sein. Man spürt deutlich die Verzweiflung, Hilflosigkeit und Enttäuschung einer Zeit, die in der Inszenierung in eine Welt der Ignoranz, des kalten Machtdenkens und der Skrupellosigkeit mündet. Jonathan E. erscheint als jemand, der dies spürt, der die Selbstverständlichkeit eines gleichgültigen, beliebigen Lebens, das eher einem Dahinvegetieren gleicht, in Frage stellt. Jewison und Harrison setzen dieser korporierten, im wahrsten Sinn des Wortes „un-ethischen“ Welt das Individuum entgegen, das seine Individualität erkennt, sich aber nur wehren kann, indem es das Spiel weiterhin mitspielt. Jonathan bleibt nur der einsame Weg durch das Spiel, um es als einziger zu gewinnen.

Das alles bedeutet nicht die Predigt eines obskuren und oberflächlichen, fast möchte man sagen egozentrischen Individualismus, wie sie in so vielen Filmen späterer Jahre gepflegt wurde. Jonathan E. ist eher jemand, der ein zunächst nur unbestimmbares Gefühl dafür hat, dass in dieser, auch seiner Welt etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Er entdeckt die ethischen Momente der Menschheitsgeschichte wieder, über die Rebellion – und kann dies trotz allem nur, indem er sich den Regeln der Konzerne für das regellose Spiel aussetzt: ein bedrückendes Finale steht am Ende des Films.



Rollerball
(Rollerball)
USA 2002, 93 Minuten
Regie: John McTiernan

Drehbuch: John Pogue, Larry Ferguson
Musik: Eric Serra
Director of Photography: Steve Mason
Montage: John Wright
Produktionsdesign: Dennis Bradford, Norman Garwood

Darsteller: Chris Klein (Jonathan Cross), Jean Reno (Petrovich), LL Cool J (Marcus Ridley), Rebecca Romijn-Stamos (Aurora), Oleg Taktarov (Denekin), Naveen Andrews (Sanjay), David Hemblen (Serokin), Janet Wright (Coach Olga), Andrew Bryniarski (Halloran), Kata Dobó (Katya)

Dummdreistes Spektakel

Wieder einmal wagte sich ein Regisseur, John McTiernan („Last Action Hero“, 1993; „The Thomas Crown Affair“, 1999), an ein Remake, dem gleichnamigen Films „Rollerball“ von Norman Jewison aus dem Jahre 1975. Doch während Jewison sein Actionspiel mit sozialkritischen Untertönen versehen hatte, bleibt in dem Remake zum Schluss nichts weiter übrig als ein Debakel in jeder Hinsicht – und das trotz Jean Reno („Die purpurnen Flüsse“, 2000; „Just Visiting“, 2001) und Chris Klein („American Pie“, 1999; „American Pie 2“, 2001).

Ein Skateboard-Rennen durch die Straßen von San Francisco wird Jonathan Cross (Chris Klein) beinahe zum Verhängnis: Nicht nur, dass die Polizei sich an seine Fersen heftet. Nur knapp entgeht er einem Aufprall mit einem Auto. Sein alter Freund Marcus Ridley (LL Cool J) hievt ihn in sein Auto und versucht ihn zu überreden, mit ihm in Kasachstan Rollerball zu fahren. Zunächst will Cross nicht, das sei doch nur Zirkus. Als er dann jedoch vor seiner Wohnung Streifenwagen sieht, willigt er ein.

Ein paar Monate später ist er in Kasachstan der Held des Publikums. In einer Mischung aus Spiel, Aggression und gefährlichen Fahrten in der Arena sammelt Cross einen Punkt für seine Mannschaft nach dem anderen. Cross, Ridley und die anderen im Team stehen bei Petrovich (Jean Reno) unter Vertrag. Und der kennt keinen Spaß, außer wenn er ihm Geld bringt. Für Petrovich, schon in Zeiten der Sowjetunion mächtig und einflussreich, zählt nur eines: Die Quote, also die Einnahmen müssen stimmen. Er kennt keine Skrupel, die Regeln des Spiels selbst zu bestimmen und bei fallender Quote auch während des Spiels zu intervenieren. Als erstes lässt er den Helmgurt eines Spielers anschneiden, damit dieser bei einer wütenden Attacke eines Gegners blutig zu Boden geworfen wird. Cross ist entsetzt und beschwert sich bei Petrovich, der so tut, als wisse er von nichts. Doch der treibt es auf die Spitze. Nächstes Opfer für die Quote soll die „Schwarze Witwe“ sein, Aurora (Rebecca Romijn-Stamos), mit der Cross heimlich ein Verhältnis begonnen hat. Ein Spieler des anderen Teams dreht an ihrem Motorrad den Benzinhahn auf. Nur knapp entgeht sie dem Tod.

Cross und Ridley beschließen, nach Russland zu fliehen. Doch sie haben nicht mit dem Einfluss von Petrovich gerechnet. Ein Spiel auf Leben und Tod beginnt ...

Regisseur McTiernan drehte einen lauten, hektischen Streifen. Er gönnt dem Zuschauer kaum ein Aufatmen. Die Figuren rasen – nicht nur in der Arena – wie durch eine invisible hand angetrieben durch das Zelluloid, als ob der Teufel hinter ihnen her wer. Da ist nur gar kein Teufel, denn der Film lebt vor allem nach dem Motto: Chaos um des Chaos willen. Die Rollerball-Jagden wurden so hektisch geschnitten, dass das Auge kaum in der Lage ist, irgendeiner Handlung zu folgen. Das ist allerdings nicht so wichtig, denn die Handlung kann man abheften unter: platte Schwarz-Weiß-Malerei, die mit Realitäten nun überhaupt nichts mehr zu tun hat. Die Rollerball-Spiele wirken nur wirr, unterstrichen durch lärmende Musik – ein einziges Chaos.

Aber noch schlimmer: Das, was einem da an kruppstahlharten Jungs und Mädels präsentiert wird, die wie charakterlose Masken durch den Film hetzen, an dummen Minenarbeitern, die ausgerechnet bei Minenbesitzer Petrovich in die Arena steigen, um sich abzureagieren, an einem nach dem Klischee vom Apparatschik mit nicht mehr als zwei Strichen gezeichneten Petrovich, der so skrupellos, böse und intrigant ist, dass er nicht von dieser Welt sein kann, ist schlicht nicht mehr als dramaturgischer wie inhaltlicher Dilettantismus.

Der Stümperei setzt das Ende der Geschichte noch die Krone auf, als die schon fast als Untermenschen dargestellten kasachischen Arbeiter ausgerechnet von dem aus dem Zentrum des Kapitalismus stammenden Jonathan Cross von Petrovichs Macht befreit werden.

Was soll man von einem Jean Reno halten, der nicht einmal eine schlechte Karikatur eines wirklichen Menschen spielt, sondern ein ideologisch verzerrtes Abziehbild aus der Klamottenkiste des Kalten Krieges? Chris Klein als unbedarfter, oberflächlicher und dümmlicher Boy aus San Francisco, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, passt in diese filmische Katastrophe exzellent hinein. Über die anderen Mimen lohnt sich kein Wort.

Es ist schon erstaunlich, dass solche Filme noch möglich sind. Sie beweisen etwas, wofür allerdings kein solches Spektakel notwendig gewesen wäre. Wenn einem nichts mehr einfällt, zaubert man die Schwarz-Weiß-Klischees von anno dazumal einfach mal wieder hervor. Während auf der ex-einen Seite „die Kapitalisten“ an der Misere der Welt ordentlich schuld waren und nur die „Weltrevolution“ Abhilfe zu schaffen versprach und gleichzeitig der Parteiapparat von der Inszenierung dieser Ideologie lebte, drehte man auf der ex-anderen Seite den Verblendungs-Spieß einfach herum. Aus dem „bösen imperialistischen Machthaber“ wird der gleichermaßen schreckliche Teufel des Apparatschiks, von dem man die dumpfe Masse befreien muss. So billig kommt dieser Film daher und verpackt das alles in Rollerball.

Eine inhaltliche und dramaturgische Katastrophe, die nur die Bewertung „katastrophal“ verdient hat.


 

Rollerball 1975-Plakat
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