Schiffsmeldungen
(The Shipping News)
USA 2001, 111 Minuten
Regie: Lasse Hallström

Drehbuch: Robert Nelson Jacobs, nach dem Roman von E. Annie Proulx
Musik: Christopher Young
Director of Photography: Oliver Stapleton
Montage: Andrew Mondshein
Produktionsdesign: David Gropman

Darsteller: Kevin Spacey (Quoyle), Julianne Moore (Wavey Prowse), Judi Dench (Agnis Hamm), Cate Blanchett (Petal Bear), Pete Postlethwaite (Tert X. Card), Rhys Ifans (Beaufield Nutbeem), Gordon Pinsent (Billy Pretty), Scott Glenn (Jack Buggit), Alyssa, Kaitlyn und Jeanetta Gainer (Bunny Quoyle)

Nicht ganz gelungene Romanverfilmung

Nach „Chocolat“ (2000) wagte sich Lasse Hallström an eine weitere Literaturverfilmung, den Bestseller „Schiffsmeldungen“ von Annie Proulx, und beschäftigte neben Kevin Spacey eine Reihe von Stars: neben Cate Blanchett, davor in „Heaven“, Judi Dench („Chocolat“, 2000, „Iris“, 2001) und Julianne Moore („Evolution“, 2001; „Hannibal“, 2001).

Quoyle (Kevin Spacey) ist das, was man einen entscheidungsgehemmten und widerstandsunfähigen Menschen nennen könnte, der in seinem Leben nichts zu Weg gebracht hat, in einer Druckerei beschäftigt ist, dem die Arbeit aber nicht zusagt. Als Kind hatte ihn sein Vater ins Wasser gestoßen, um ihn dazu zu zwingen, schwimmen zu lernen. Dabei wäre er fast ertrunken. Quoyle ist aus der Art geschlagen. Fast naiv geht er durchs Leben, lässt alles auf sich zukommen, trifft die falschen Leute und verliebt sich ausgerechnet in die Nymphomanin und Lebefrau Petal (Cate Blanchett), die nichts weiter als viel Vergnügen, viel Geld und viele Männer zu suchen scheint. Jahrelang – inzwischen ist da die gemeinsame Tochter Bunny – betrügt Petal Quoyle immer wieder. Er kann nicht anders, als sie gewähren zu lassen.

Aber es kommt noch schlimmer. Petal greift sich Bunny, fährt mit ihr weg, um sie verkaufen. Kurze Zeit später meldet die Polizei Quoyle, dass Petal bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, Bunny aber unversehrt gefunden wurde. Da taucht Quoyles Tante Agnis Hamm (Judi Dench) auf. Sie sieht, dass Quoyle am Ende ist, und benötigt nicht sehr viel Überredungskunst, um ihn dazu zu bewegen, mit ihr und Bunny nach Neufundland umzuziehen, in die Heimat der Quoyles, wo schon vor Jahrhunderten die Vorfahren beider gelebt haben. Sie ziehen in ein verfallenes, seit Jahren unbewohntes Haus, in dem Agnis geboren wurde, das mit Stahlseilen an einem Ort befestigt ist, fast ungeschützt dem Wind und dem rauen Klima Neufundlands ausgeliefert.

Agnis packt zu, renoviert das Haus von oben bis unten, und versucht – wie andere Einwohner des Ortes auch –, Quoyle aus seiner Lethargie zu holen. Schließlich nimmt er einen Job als kleiner Journalist bei der Tageszeitung an, um die Kolumne „Schiffsmeldungen“ zu füllen, in der er über Boote, ihre Besitzer und ihre Geschichten schreiben soll. Quoyle lernt die allein stehende Mutter Wavey Prowse (Julianne Moore) kennen, die zusammen mit ihrem kleinen Sohn lebt. Sie erzählt Quoyle, ihr Mann sei vor vier Jahren auf See ertrunken. Wavey arbeitet als Leiterin eines Kindergartens. Ihr erster Kontakt mit Quoyle ist ein Desaster, denn er hat es nicht gelernt, mit anderen in einer vernünftigen Weise umzugehen, zu sprechen.

Dann stellt sich heraus, dass Quoyle ein Feeling fürs Schreiben hat. Ein Bericht über eines der anliegenden Boote und seine Besitzer kommt bei der Einwohnerschaft, die die Zeitung vor allem zum Einwickeln von Fisch benutzen, wie Wavey ihm erzählt, gut an.

Allein die Quoyle nicht bekannte Familiengeschichte, einige Geheimnisse und Verbrechen, auch im Leben von Agnis und auch Wavey, scheinen den leisen Aufschwung im Leben Quoyles wieder zunichte zu machen. Und die Freundschaft zu Wavey wird ebenfalls auf eine harte Probe gestellt ...

Hallströms Film lässt erahnen, mit welcher Intensität Annie Proulx nicht nur ihre Figuren und deren Mentalität, sondern auch die karge, unwirtliche, aber dennoch faszinierende Landschaft Neufundlands beschrieben haben muss. Leider lässt es der Film manchmal nur erahnen. Ich habe die Vermutung, dass die filmische Umsetzung des Romans Hallström erhebliche Probleme gemacht hat. Denn vieles in dem Streifen ist teils angedeutet, teils auch daneben gegangen.

Zu letzterem zählten für mich z.B. die Anfangssequenzen, besonders die Darstellung der Petal Bear als männerverschlingender Vamp. Cate Blanchett, diesmal mit schwarzen Haaren und in engen Jeans (und so gar nicht wie in „Heaven“ oder „Der Herr der Ringe“), spielt diese Frau in einer mir nicht besonders überzeugend wirkenden Überzeichnung. Im Kontrast zu der Figur Quoyles mag das vielleicht im Roman differenziert beschrieben worden sein, im Film wirkt es eher wie ein allzu oft gesehenes Abziehbild.

Eine weitere Ahnung über den Roman, den ich nicht kenne: Die Geschichte handelt von der behutsamen, mit allerlei Hindernissen belasteten Annäherung eines in seiner eigenen Welt lebenden Menschen an so etwas wie Glück und Gefühl für Glück, das heißt, ein Gefühl dafür, sein Leben in die Hand zu nehmen. Im Film geht alles ziemlich reibungslos über die Bühne. Sicher: Sowohl Kevin Spacey als auch Judi Dench leisten hervorragende Arbeit. Aber allein die Tatsache, dass im Roman Quoyle ein dicker Mann ist, während Kevin Spacey doch eher zur „Marke attraktiv“ gehört, lässt Zugeständnisse an einen vermeintlichen oder tatsächlichen Publikumsgeschmack vermuten, die der Umsetzung der Vorlage nicht zuträglich waren.

Die Familiengeschichte der Quoyles enthält über das normale Maß hinaus tragische Ereignisse, von denen Quoyle keine Ahnung hatte, bis er auf Neufundland davon erfährt. Doch Kevin Spacey meistert all dies in fast schon beunruhigend ruhiger Weise. Hinzu tritt, dass Quoyles grundlegende Verlorenheit in der Welt, seine Haltlosigkeit, seine Unfähigkeit zu handeln, seine tiefen Verletzungen, mit denen er nicht zurecht kommt, die er irgendwo in seinem Inneren ablegt und sammelt wie Fundstücke, mit denen er nichts anfangen kann, in Konfrontation mit dieser düsteren Familiengeschichte im Film eher beiläufig verknüpft ist, als kämen jetzt noch ein paar Fundstücke dazu. Auch die gestörte Kommunikation mit anderen, vor allem mit Wavey, löst Hallström allzu schnell und an Konflikten arm durch ein paar Entschuldigungen und verständnisvolle Blicke auf.

Eine letzte Ahnung: Es heißt im Film, einige der Neufundländer besäßen die Fähigkeit, mit zwei Gesichtern zu sehen, einem normalen und einem hellseherischen. Bunny hat offenbar diese Fähigkeit; sie sieht voraus, wie das alte, frisch renovierte Haus vom Sturm aus den Angeln gehoben wird. Auch dies passiert im Film eher beiläufig. Doch diese Mischung aus Realität und Mysterium, aus dem schwierigen Versuch, dem Verlorensein zu entgehen und der Magie, die im Roman wohl eine zentrale Rolle spielen muss (man möge mich korrigieren), ist auf eine allzu leichte Art in Szene gesetzt.

Trotz alledem fasziniert der Streifen, nicht nur durch die mimischen Fähigkeiten von Judi Dench, Julianne Moore und Kevin Spacey. Auch die anderen Rollen, etwa die der Kollegen von Quoyle (Rhys Ifans, Gordon Pinsent, Pete Postlethwaite, Scott Glenn), sind gut besetzt. Das Gastspiel von Cate Blanchett allerdings hat mir gar nicht gefallen.

Die Handlung selbst hat durchaus ihre humorvollen und überzeugenden Seiten. Es fehlt ihr eher an dem, was man den „letzten Durchbruch“ nennen könnte, das allerdings an manchmal entscheidenden Stellen.

Man weiß um die Schwierigkeiten der Verfilmung von Romanen, insbesondere dann, wenn die Vorlagen – was ich hier vermute – sich vor allem durch intensive und dichte Beschreibungen auszeichnen und weniger „dialogfreudig“ sind. „The Shipping News“ lässt zumindest die Vermutung zu, wie ein verlorener Mann wie Quoyle sich seiner Bürde entledigen kann, nicht ohne die Hilfe der rauen, aber dennoch herzlichen Einwohner eines Nestes, in dem Tragik und Glück ihren eigenen Gesetzen zu folgen scheinen.

© Bilder: Concorde Filmverleih