Shakespeare in Love (Shakespeare in Love) USA 1998, 122 Minuten Regie: John Madden
Drehbuch: Marc Norman, Tom Stoppard Musik: Stephen Warbeck Director of Photography: Richard Greatrex Montage: David Gamble Produktionsdesign: Martin Childs, Steven Lawrence, Jill Quertier
Darsteller: Gwyneth Paltrow (Viola de Lesseps), Joseph Fiennes (William Shakespeare), Geoffrey Rush (Philip Henslowe), Tom Wilkinson (Hugh Fennyman), Steve O’Donnell (Lambert), Tim McMullen (Frees), Steven Beard (Makepeace), Antony Sher (Dr. Moth), Patrick Barlow (Will Kempe), Martin Clunes (Richard Burbage), Sandra Reinton (Rosaline), Simon Callow (Mr. Tilney), Judi Dench (Königin Elizabeth I.), Colin Firth (Lord Wessex), Rupert Everett (Christopher Marlowe), Ben Affleck (Ned Alleyn), Jill Baker (Lady de Lesseps), Nicholas Le Prevost (Sir Robert de Lesseps), Imelda Staunton (Amme Violas)
Romeo und Julia mal anders
Eine der wohl bezauberndsten Szenen in John Maddens „Shakespeare in Love“ zeigt den Dramatiker und Komödienschreiber William Shakespeare (Joseph Fiennes) hinter der Bühne während einer Aufführung von „Romeo und Julia“, als seine geliebte Viola de Lesseps (Gwyneth Paltrow) zu seinem Erstaunen auftritt – als Frau, was zur damaligen Zeit verboten war. Sie spielt und schaut zu ihm, er schaut ihr in die Augen – eine Szene für unverbesserliche Romantiker, und damit auch für mich. Der Oberhofzensor Mr. Tilney (Simon Callow) sorgte dafür, ein Theater notfalls zu schließen, wenn Frauenrollen nicht von verkleideten Männern, sondern von Frauen gespielt wurden. Die Schauspielerzunft war Ende des 16. Jahrhunderts nicht gerade eine angesehene Gesellschaft. Vor den Theatern warnten gottesfürchtige Zeitgenossen (oder solche, die sich dafür hielten) nicht selten vor der vermeintlichen Gefahr der Verrohung, der Unmoral etc.
Madden („Corellis Mandoline“, 2001) inszenierte die Geschichte über die Liebe zwischen Shakespeare und Viola als Mischung aus Drama und Komödie entlang der Entstehung des Stücks „Romeo und Julia“. „Shakespeare in Love“ ist ein süßes Bonbon, ein gut schmeckendes, ein Kleinod im Genre der Komödie, mit viel Verve und guten respektive gut aufgelegten Mimen.
Shakespeare hat keine Lust und keine Ideen. Er arbeitet an einem Stück mit dem Titel „Romeo und Ethel, die Piratentochter“. Doch ihm fehlt es an Inspiration, und so begibt er sich zu einem Prediger. Auch das nützt wenig, bis er auf die Tochter aus reichem Hause Viola de Lesseps trifft. Die ist regelmäßige Besucherin des Rose Theater, das dem ständig auf Suche nach Geldgebern befindlichen Mr. Henslowe (Geoffrey Rush) gehört. Einer dieser Geldgeber ist der begüterte Hugh Fennyman (Tom Wilkinson), der Henslowe im Nacken sitzt wegen etlicher Vorschüsse, die der von ihm erhalten hat. Henslowe wird langsam nervös, weil Shakespeare nichts zustande bringt. Zudem hat Henslowe Konkurrenz: Der Besitzer des Curtain Theater, Richard Burbage (Martin Clunes), der den zur Zeit wesentlich erfolgreicheren Autor Christopher Marlowe (Rupert Everett) engagiert hat, möchte auch gerne Shakespeare für seine Bühne gewinnen.
Währenddessen hat sich Viola entschlossen, als Mann verkleidet am Rose Theatre als Schauspieler(in) ihr Glück zu versuchen. Als Shakespeare den vermeintlichen jungen Mann bei einem Vorsprechen beobachtet, ist er begeistert und folgt „ihm“. Als er von einem Bootsmann erfährt, es handle sich um Viola, gibt es für den Dichter kein Zurück mehr. Die beiden verlieben sich ineinander, aber ihre Liebe muss geheim bleiben: eine Adlige und ein Komödiant – undenkbar! Und zu Violas Entsetzen haben sich ihre Eltern (Jill Baker, Nicholas Le Prevost) entschlossen, sie mit dem in Geldnöten befindlichen Lord Wessex (Colin Firth) zu verheiraten. In zwei Wochen soll die Hochzeit sein, und Königin Elisabeth (Judi Dench) hat ihre Einwilligung bereits erteilt. Sich gegen Vater und Königin aufzulehnen, wäre für Viola undenkbar.
Inzwischen hat Shakespeare wieder Mut gefasst. Aus einem Piratenstück wird unversehens eine tragische Liebesgeschichte: „Romeo und Julia“, die in Verona spielt. Und Viola spielt den liebenden Romeo, als Mann verkleidet. Nur William und ihre Amme (Imelda Staunton), die Viola in allen brenzligen Situationen schützt, wissen von der Verkleidung.
Henslowe beobachtet mit Sorge, wie sich aus dem ursprünglich geplanten Piratenstück eine dramatische Liebesgeschichte entwickelt. Mit Unterstützung des Schauspielers Ned Alleyn (Ben Affleck) bekommt „Romeo und Julia“ langsam aber sicher Hand und Fuß.
Nur, was wird aus den beiden Liebenden William und Viola?
Mit wirklich sicherer Hand führte John Madden seine Schauspieler-Crew durch ein doppeltes, ein paralleles Spiel. Hier die Geschichte von Romeo und Julia, dort von William und Viola – und Parallelen tun sich immer wieder auf zwischen diesen beiden Geschichten. Besonders Geoffrey Rush, aber auch Joseph Fiennes in der männlichen Hauptrolle und Tom Wilkinson als Geldgeber, dem eine kleine Rolle als Apotheker in dem Stück gegeben wird, erweisen sich als muntere und humorvolle Zeitgenossen. Gwyneth Paltrow scheint die Rolle der liebenden und angesichts der Heirat mit einem gefühllosen, geldgierigen Lord verzweifelten Tochter aus gutem Haus auf den Leib geschnitten. Judi Dench als Queen Elisabeth I., die über so einiges genau Bescheid zu wissen scheint, tut ein übriges für das Gelingen dieses Films. Als Viola bei einem Empfang kurz vor der Hochzeit mit der Königin spricht, sagt letztere ihrem (gehörnten) zukünftigen Ehemann ins Gesicht: „Sie sind ein Dummkopf von Lord; sie wurde gepflückt, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe, aber nicht durch Sie. Nur eine Frau kann das erkennen.“
Colin Firth spielt den Gehörnten, der nichts besseres verdient hat, einen verarmten Adligen, der seine Plantage in Virginia auf Vordermann bringen will und daher die Heirat mit einer Tochter aus reichem Haus benötigt, routiniert und sehenswert.
„Shakespeare in Love“ glänzt jedoch auch durch seine Rasanz, Lebendigkeit, seine gute Mischung aus Komödie, manchmal sogar Screwball-Komödie, Drama, ohne ins Melodramatische zu verfallen, durch die Maskeraden, die wunderschöne Ausstattung, und nicht zuletzt dadurch, dass ein Eindruck von den Verwicklungen zu Shakespeares Zeit vermittelt wird, der der Wirklichkeit wahrscheinlich sehr nahe kommt. Zu den Parallelen zwischen den beiden Liebesgeschichten gehört auch eine Szene, in der William an einem Gerüst den Balkon vor Violas Zimmer erklimmt und oben der erschreckten und schreienden Amme begegnet, die ins Zimmer zurück rennt, während der arme Poet rückwärts hinunter stürzt – also eine Szene, die der in „Romeo und Julia“ nachempfunden ist, wenn auch auf humorvolle Weise. Glänzend sind auch die Szenen während der Aufführung von „Romeo und Julia“ vor einer Unmenge von Menschen im Rose Theater.
Alles in allem also eine amüsante, kurzweilige, vom Spaß, den die Schauspieler gehabt haben müssen, einem exzellenten Drehbuch und viel Energie bestimmte romantische, aber nicht romantisierende Komödie, bei der man zudem Einblick in ein echtes Stück Shakespeare erhält. What else do you want?
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