Sherlock Holmes
USA 2009, 128 Minuten
Regie: Guy Ritchie

Drehbuch: Michael Robert Johnson, Anthony Peckham, Simon Kinberg, Lionel Wigram, Michael Robert Johnson
Musik: Hans Zimmer
Director of Photography: Philippe Rousselot
Montage: James Herbert
Produktionsdesign: Sarah Greenwood

Darsteller: Robert Downey Jr. (Sherlock Holmes), Jude Law (Dr. John Watson), Rachel McAdams (Irene Adler), Mark Strong (Lord Blackwood), Eddie Marsan (Inspektor Lestrade), Robert Maillet (Dredger), Geraldine James (Mrs. Hudson), Kelly Reilly (Mary Morstan), William Houston (Constable Clark), Hans Matheson (Lord Coward), James Fox (Sir Thomas), William Hope (Botschafter Standish), Clive Russell (Captain Tanner)

Gothic Look + Action

Schon wieder .... ! Nach zahlreichen filmischen Adaptionen des Holmes-Stoffes (1908, 1911, 1916, 1922 mit John Barrymore, 1934, 1939 mit Basil Rathbone, 1951, 1968,1981 mit Frank Langella, 1982 und 1995 sowie TV-Serien 1954, 1965 mit Peter Cushing, 1967 und 1984) greift nun Guy Ritchie ("RocknRolla", 2008) auf den allzu bekannten und beliebten Stoff zu und beschäftigte allein fünf Drehbuchautoren für eine Story, die mit Arthur Conan Doyles Geschichten kaum noch etwas zu tun hat. Auch die beiden Hauptfiguren Holmes und Dr. Watson scheinen fast nur noch den Namen mit Conan Doyles Charakteren gemein zu haben – gemein, oder?

Nicht ganz so gemein, wie man vielleicht denkt. Denn die angeblich so typischen Erkennungsmerkmale Hut und Mantel, die man aus Holmes-Verfilmungen kennt, tauchen in den Romanen gar nicht auf. Und auch die "rein geistige" Arbeit, die man Holmes in vielen Filmen als alleiniges Vermögen seiner Arbeit angedeihen ließ, wird durch die Romane widerlegt. Auch bei Conan Doyle, wie in Ritchies Film, ist Holmes durchaus auch körperlich voll auf der Höhe, nämlich Boxer. Dieses körperliche Element spielt in der Neuverfilmung allerdings eine zentrale Rolle. Die von manchen ausgemachte leicht homoerotische Beziehung zwischen Watson und Holmes spielt beim Sehen des Films nur eine Rolle, wenn man sie unbedingt sehen will. Die beiden sind einfach dicke Freunde. Und Watson Ansinnen, die schöne Mary Morstan zu ehelichen, spricht eine andere Sprache – auch wenn Holmes eifersüchtig darauf reagiert. Das ist wohl eher seinem eitlen, arroganten und leicht verrückten und egozentrischen Charakter zu verdanken als irgendeiner homoerotischen Neigung.

Und die Geschichte?

In buchstäblich letzter Sekunde verhindern Holmes und Watson den Ritualmord an einer Frau und stellen den Täter, das Mitglied des Oberhauses Lord Blackwood (schön und leise böse: Mark Strong). Der wird für fünf derartige Morde zum Tode verurteilt. Kurz vor seiner Hinrichtung lässt er Holmes ausrichten, er wolle ihn noch einmal sprechen. Blackwood verkündet dem Meisterdetektiv, sein Tod sei erst der Anfang einer neuen Welt; denn er selbst sei nur ein Mittel für einen höheren Zweck. Drei weitere Morde werde es nach seiner Hinrichtung geben.

Holmes nimmt dies zunächst nicht ernst und hält Blackwood für einen Verrückten. Doch als nach dessen Tod am Galgen tatsächlich weitere Morde geschehen, sieht die Sache für ihn anders aus. Nicht nur das: Ein alter Mann behauptet, er sei Zeuge von Blackwoods Wiederauferstehung gewesen. Im Sarg des vermeintlich Gehenkten findet man einen rothaarigen, zwergwüchsigen Mann.

Zugleich taucht eine alte Liebe von Holmes bei diesem wieder auf. Die Meisterdiebin Irene Adler. Sie beauftragt Holmes damit, einen Mann namens Reordan zu finden. Holmes verfolgt Irene und entdeckt, dass ein geheimnisvoller Mann deren Auftraggeber ist. Und er entdeckt zusammen mit Watson, dass eben derselbe Reordan die Person ist, die er für Irene suchen sollte. In Reordans Wohnung finden Holmes und Watson allerlei chemische Substanzen und Versuchsanordnungen, werden aber von drei düsteren Gestalten entdeckt, die offenbar alle Spuren in der Wohnung beseitigen wollen.

Inspektor Lestrade von Scotland Yard fürchtet Panik, als sich herumspricht, Blackwood würde angeblich noch leben. Und eine mysteriöse Vereinigung namens "Tempel der vier Orden" zitiert Holmes in sein Hauptquartier, um ihn zu bitten, den angeblich noch lebenden Blackwood zu finden. Holmes erkennt schnell, dass Blackwood der Sohn des Vorsitzenden des Ordens, Sir Thomas, war (oder ist). Angeblich sorgt der Orden seit langer Zeit dafür, dass es in England und im Empire immer mit rechten Dingen zugeht. Sir Thomas erzählt Holmes, dass man den Orden und seinen Glauben an Magie auch für Böses missbrauchen könne. Kurz danach findet man Sir Thomas tot in der Badewanne, ein weiteres Mitglied des Ordens, Standish, geht in Flammen auf – und die Prophezeiung Blackwoods hat sich erfüllt.

Aber Holmes wäre nicht Holmes, käme er nicht hinter die Geheimnisse dieser merkwürdigen Vorgänge ...

Um eine solche Geschichte einigermaßen glaubhaft und spannend auf die Leinwand zu bringen, bedarf es einiger Anstrengungen. Da wäre zunächst einmal das düstere, fast schon Gothic-artige, an Gotham-City erinnernde, und durchweg überzeugende Design, in dem London erscheint. Hierzu passen denn auch etliche Figuren wie etwa der für Blackwood arbeitende "Riese" Dredger und einige andere skurrile Gestalten. Überraschend für mich war auch die durchaus passende Musik Hans Zimmers, dessen Score zu vielen anderen Filmen mich meistens nervte.

Aber auch die Hauptfiguren des Films, Watson und Holmes, werden von Robert Downey Jr. und Jude Law in einer fast neuartigen, interessanten Art und Weise gespielt. Die sarkastischen, manchmal auch zynischen Wortgefechte und die Streitereien zwischen den beiden, die nichtsdestotrotz ihrer Freundschaft keinen Abbruch tun, evozieren so manche humorvolle Einlage – zumal der Film insgesamt unterschwellig als Komödie durchaus durchgehen kann. Man merkt den beiden Hauptdarstellern jedenfalls an, dass die Arbeit Spaß gemacht haben muss.

De Film hat Tempo, auch durch die teils rasanten Zwischenschnitte, die vor allem bei kurzen Rückblicken eingesetzt werden, etwa wenn Holmes Watson oder anderen erzählt, was er kurz zuvor gemacht hat. Trotz einiger weniger Längen in der Mitte des Films ist das Tempo insgesamt schnell und richtig gewählt. Zahlreiche Rätsel summieren sich bis kurz vor Schluss, als Holmes erst gegenüber Watson und Irene, dann gegenüber seinem Widerpart allesamt auflöst.

Holmes und Watson, in früheren Filmen eher älteren Semesters und körperlich kaum gefordert, entwickelt Ritchie in diesem Streifen zu wahren Action-Helden, so dass der Einsatz der grauen Zellen und der der Fäuste und etlicher anderer Körperteile gleichwertig nebeneinander stehen. Besonders eindrücklich in dieser Hinsicht ist eine Szene, in der die beiden Freunde mit Dredger um Leben und Tod kämpfen, und dabei ein unfertiges Schiff vom Stapel läuft und im Hafen versinkt. Auch eine Szene gegen Schluss auf der noch unfertigen Tower-Bridge zeugt von der "Action-Lastigkeit" des Films.

Ein in vielem anderer, aber eben doch nicht gänzlich anderer Sherlock-Holms-Film also, den Guy Ritchie produziert hat. Hinzu kommt eine Verschwörungsgeschichte, bei der man lang nicht weiß, ob es sich um Mystery im wahrsten Sinn des Wortes handelt – also übernatürlicher Krimskrams usw. – oder ob hinter alldem erklärbare Phänomene stehen. Der Bösewicht Blackwood ähnelt eher einem Bond-Bösewicht, der die Welt beherrschen will, denn einer Figur aus Conan Doyles Romanen. Und mancher Liebhaber seiner Romane wird diesen Film vielleicht eher verschmähen, als zu erkennen, dass Ritchie eine zumeist spannende und vielleicht auch zeitgemäße Adaption des Stoffes gelungen ist.

Ich mag die alten Krimihelden, ob Sherlock Holmes und Watson, Hercule Poirot oder Miss Marple – und war sehr skeptisch, ob es noch irgendeinen vernünftigen Grund für einen neuen Holmes-Film geben könnte. Ich ließ mich überraschen. Und ich war überrascht. Ritchies Adaption wird sicherlich nicht einer der Filme des Jahres. Aber allemal habe ich mich spannend unterhalten gefühlt, und der eine oder andere Lacher über diese nicht allzu ernste Adaption war auch dabei.

Was will man mehr?

Wertung: 8 von 10 Punkten.
© Bilder: Warner Brothers.

(28. Januar 2010)