The Honeymoon Killers
(The Honeymoon Killers)
USA 1970, 108 Minuten
Regie: Leonard Kastle

Drehbuch: Leonard Kastle
Musik: Gustav Mahler
Director of Photography: Oliver Wood
Montage: Richard Brophy

Darsteller: Shirley Stoler (Martha Beck), Tony Lo Bianco (Raymond Fernandez), Mary Jane Higby (Janet Fay), Doris Roberts (Bunny), Kip McArdle (Delphine Downing), Marilyn Chris (Myrtle Young), Dortha Duckworth (Mutter), Barbara Cason (Evelyn Long), Ann Harris (Doris), Mary Breen (Rainelle Downing)

Eine Blutspur ...

Sie ist fett, rabiat, einsam und verzweifelt. Eine riskante Mischung. Martha (Shirley Stoler) ist nicht hässlich; sie hat ein hübsches Gesicht. Sie arbeitet als Krankenschwester in einem Hospital – und sie übt ihre Stellung als Stationsschwester oder Oberschwester mit aller Strenge aus. Martha ist ein gepanzerter Mensch. Hinter diesem Panzer befindet sich alles, was verletzlich sein kann. Sie lebt mit ihrer Mutter (Dortha Duckworth) schon lange in einer gemeinsamen Wohnung. Die Mutter klammert und ist unausstehlich – wie fast jeder in diesem (einzigen) Film des Komponisten Leonard Kastle, der bei seiner Uraufführung das Publikum und einen Teil der Filmkritik schockte und teil- und zeitweise für nicht jugendfrei erklärt wurde. Was so schockte, waren weniger nur die wenigen Szenen, in denen Morde gezeigt werden. Es war eher die Inszenierung insgesamt, in deren Kontext  diese Morde standen, die entsetzte – heute angesichts veränderter Sehgewohnheiten kaum noch nachvollziehbar.

Kastle erzählt die Geschichte eines wirklichen Mörderpaares, das Ende der 40er Jahre in betrügerischer Absicht einige Städte der USA heimsuchte und seine Opfer skrupellos ermordete. 1951 wurden beide auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.

Martha lernt über einen Kontaktservice – würde man heute sagen –, den „Aunt Carrie’s Friendship Club”, bei dem sie ihre Freundin Bunny (Doris Roberts) heimlich angemeldet hat, um ihr einen Mann zu beschaffen, den Betrüger und Heiratsschwindler Ray (Tony Lo Bianco) kennen, einen dieser gut aussehenden, mit berechnendem Charme ausgestatteten, permanenten Lügner, der (unter wechselnden Namen) Frauen allen Alters zum Schein heiratet und dann nach Strich und Faden ausnimmt. Durch einen Trick – sie würde sich das Leben nehmen, wenn Ray, dessen Schwindelei Martha entlarvt hat, nicht zu ihr zurückkehre – bindet sie Ray wieder an sich. Ray kehrt zurück – vor allem allerdings aus einem Grund: er fürchtet, Martha könne ihn bei der Polizei verpfeifen. Und nun geschieht etwas, womit Ray nicht gerechnet hat. Martha will künftig mit ihm zusammen das lukrative Geschäft betreiben. Sie gibt sich als Rays Schwester aus – und beide stürzen sich auf ihr erstes Opfer, eine ältliche Lehrerin namens Doris (Ann Harris), und kassieren. Das zweite Opfer ist die schwangere Myrtle (Marilyn Chris), die wegen ihrer konservativen Familie einen offiziellen Vater für ihr Kind sucht (den biologischen hat sie davon gejagt) – und dafür bereit ist, 4.000 Dollar zu zahlen. Doch Myrtle will plötzlich mehr – nämlich Ray als Liebhaber. Sie wird das erste Opfer der beiden Betrüger. An den Giftpillen, die ihr Martha verabreicht, stirbt Myrtle jämmerlich in einem Bus.

Schon bei ihrem dritten Opfer, der attraktiven Evelyn (Barbara Cason), wird deutlich, vor welchem Problem Ray mit Martha steht: Sie ist über alle Maßen eifersüchtig – und Ray will, wenigstens kurzfristig, bis er an das Geld seiner Opfer gelangt ist, auch seinen (sexuellen) Spaß) mit ihnen haben – obwohl er Martha, die vorgibt, Ray zu lieben, immer wieder beteuert, er habe nichts mit den Frauen, die er ausnimmt.

Janet (Mary Jane Higby), die über 60 Jahre alt ist, fällt als nächstes auf Ray und Martha herein. 10.000 Dollar und wertvoller Schmuck winken dem Gaunerpaar. Als Janet Zweifel kommen, ob es Ray ehrlich mit ihr meint, ist auch sie des Todes ...

Der in Schwarz-Weiß gedrehte Film gehöre in die Kategorie der B-Movies, liest man in Rezensionen. Und tatsächlich könnte man nach den ersten Szenen (Martha im Krankenhaus und daheim, bevor sie Ray kennenlernt) diesen Eindruck gewinnen. Die Inszenierung ist geradezu „schlicht”. Kastle, der auch das Drehbuch schrieb, macht kein Federlesen um die Geschichte der beiden. Er inszeniert ohne Schnörkel und Nebenschauplätze, fokussiert die Inszenierung ganz auf die beiden Betrüger und Mörder und deren Opfer. Die Dialoge sind ebenso „schlicht”, nicht im Sinne von simpel oder plakativ, sondern im Sinne von direkt und schnörkellos. Man sagt, was man will, oder was man vorgeben will (gegenüber den Opfern). Die betrügerische Masche von Martha und Ray wird radikal offen gelegt.

Doch, um zurück auf die Einschätzung als B-Movie zu kommen, würde ich den Film eher als einen durchaus intelligenten, direkten, d.h. auf den Punkt gebrachten, Thriller bezeichnen, als pulp fiction im besten Sinne. Das liegt vor allem auch an der glänzenden Darstellung von Stoler und Lo Bianco und auch der Opfer-Darstellerinnen. Es hat aber auch mit der Charakterisierung der Figuren selbst zu tun. Die in amerikanischer Massenfilmware oft allzu hohle und triviale Visualisierung von „Gut” und „Böse” findet sich in „The Honeymoon Killers” nämlich nicht. Selbst die blasse Gegenüberstellung von „Täter” und „Opfer” ist hier äußerst schwierig.

Kastle zeigt uns nämlich nicht nur ein skrupelloses Betrügerpärchen, das gewissenlos mordet. Er zeigt uns auch Opfer, denen gegenüber irgendeine Form von Mitgefühl nur schwer zu empfinden ist. Das beginnt schon mit der ältlichen Lehrerin Doris, die vor Dummheit und Ignoranz nur so strotzt (stelle ich mir sie als Lehrerin vor, hätte ich auch Mordgedanken – etwa wenn sie in der Badewanne sitzt und nacheinander „Im Frühtau zu Berge” und „Glory Halleluja” singt). Auch die schwangere Evelyn ist alles andere als sympathisch: Sie kichert auf unangenehme Weise, ist im Grunde genauso hinterhältig wie ihre beiden Mörder. Die ältliche Janet ist erzkatholisch, geizig und arrogant. Und das letzte Opfer von Martha und Ray ist nicht nur Gesundheitsfanatikerin im schlechteren Sinne, sondern auch noch extreme Patriotin.

So sind weder Täter, noch Opfer Sympathieträger im engeren Sinn. Und ich muss zugeben, dass mir so mancher Mord in dem Film eher als Erleichterung erschien, denn als Widerwärtigkeit. Doch diese Spur von Befriedigung ist nur die eine Seite der Geschichte. Die andere ist die Maßlosigkeit und der extreme und brutale Egoismus vor allem Marthas, die den Mord als Mittel im Zusammenhang mit den Betrügereien erst in Rays Heiratsschwindlerleben bringt – bis Ray selbst an diesen Morden ein morbides Vergnügen findet.

Vor allem die Ermordung eines etwa sechsjährigen Mädchens, Tochter eines ihrer Opfer, gibt einem den Rest, was die Einschätzung von Martha und Ray betrifft.

Kastle schildert hier seine eigene Einschätzung, man kann sagen: der amerikanischen Gesellschaft oder zumindest eines erheblichen Teils derselben: eine blutleere, von egoistischen Interessen, Betrug, Verrat, Kalkül und Mord gezeichnete Gesellschaft, in der jedes positive Gefühl wie Liebe nur Mittel zum Zweck ist – und damit eben keine Liebe oder Zuneigung. Weil Martha von Ray immer wieder betrogen wird, obwohl er stets beteuert, mit beider Opfer keine sexuellen Beziehungen zu haben, ist sie letztlich bereit, beider Leben durch Verrat ein Ende zu setzen. In diesem letzten Akt der Geschichte steckt vielleicht die einzige ehrliche Handlung: die Anerkennung des Scheiterns beider. Auch wenn für Martha nicht die Opfer, die sie getötet hat, der Grund für den Verrat sind, sondern das Scheitern einer ehrlichen Beziehung zu Ray, so liegt in diesem Verrat doch in gewisser Weise die Anerkennung der Tatsache, dass der Betrug als Lebensweise beider der Grund für ihr Scheitern war. Diese Spur eines Verstehens produziert am Schluss des Films eine Spur von Sympathie für diese Frau, die freiwillig in den Tod geht.

Dass der Tod der einzige Ausweg für beide ist, ist nicht nur ein Schein oder gar die „falsche Alternative”. Der Tod ist für die skrupellosen Täter genauso wie für die leichtgläubigen, ja teilweise dummen, exaltierten oder arroganten Opfer der einzige Weg aus ihrer jeweiligen Lebensweise. Täter und Opfer sind mit dem Tod von Martha und Ray auf dem elektrischen Stuhl endgültig aufeinander bezogen, d.h. sie gehören derselben gesellschaftlichen Sphäre an. Für solche Opfer gibt es nur solche Täter – vice versa. Die Kälte der Beziehungen zwischen beiden, kaschiert durch den Betrug, offenbart so eben auch einen Blick in die Gesellschaft, die durch eine widerwärtige, kleinbürgerliche, kleinkarierte und beschränkte Art zu leben charakterisiert ist. Das einzige Verbindungsglied – wie sollte das nach allem anders sein – zwischen Tätern und Opfern ist: das Geld oder der geldliche Vorteil. Vorhang!

© Bilder: McOne.
Screenshots von der DVD.

(18. Dezember 2007)