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Thomas Crown ist nicht zu fassen (The Thomas Crown Affair) USA 1968, 102 Minuten (DVD: 98 Minuten) Regie: Norman Jewison
Drehbuch: Alan Trustman Musik: Michel Legrand Director of Photography: Haskell Wexler Montage: Hal Ashby, Byron Brandt, Ralph E. Winters Produktionsdesign: Robert F. Boyle, Edward G. Boyle
Darsteller: Steve McQueen (Thomas Crown), Faye Dunaway (Vicki Anderson), Paul Burke (Det. Lt. Edward Malone), Jack Weston (Erwin Weaver), Biff McGuire (Sandy), Addison Powell (Abe), Astrid Heeren (Gwen), Yaphet Kotto (Carl), Sidney Armus (Arnie), Patrick Horgan (Danny)
Viel Style, wenig Story
Norman Jewison steht für Filme wie „The Cincinnati Kid” (1965), „Die Russen kommen” (1966), „In der Hitze der Nacht” (1967) oder „Anatevka” (1971), zuletzt u.a. „Hurricane” (1999). 1973 brachte er das Musical „Jesus Christ Superstar” als Film in die Kinos. Mit „Thomas Crown ist nicht zu fassen” versuchte Jewison 1968, einen Heist-Plot mit einer Liebesgeschichte zu „kreuzen” – allerdings, wie er selbst einmal sagte, nach dem Motto „victory of style over substance”.
Und so beginnt der Film zunächst durchaus vielversprechend. Ein Mann betritt durch einen Gang ein Zimmer. Grelles Licht schlägt ihm entgegen. Ein anderer Mann sitzt an einem Schreibtisch und will nicht erkannt werden. Erwin Weaver (Jack Weston) wird von dem Unbekannten gefragt, ob er 50.000 Dollar verdienen möchte. Weaver soll ein Auto besorgen und eine Fahrt für ihn machen. Das Geld dafür bekommt er von dem Unbekannten.
Einige andere Männer telefonieren, schauen auf die Uhr, bekommen von dem Unbekannten Anweisungen, stehen an Ecken und beobachten. Für uns ist der Unbekannte schnell ein Bekannter. Es handelt sich um den Millionär Thomas Crown (Steve McQueen), geschieden, allein lebend. Weaver und die anderen Männer sollen eine Bank ausrauben. Mit dem Fernglas kann Crown durch das Fenster seines Büros beobachten, ob der Coup gelingt. Die Bank liegt direkt gegenüber. Der Coup gelingt. 2,6 Mio. Dollar, gut verpackt und nicht notiert, verschwinden in dem Auto, das Weaver zu einem Friedhof fährt, wo er das Geld in einen Abfalleimer verstaut. Crown persönlich holt sich das Geld, fliegt in die Schweiz und zahlt es auf ein Nummerkonto ein.
Det. Malone (Paul Burke) und seine Kollegen finden kaum Spuren und erhalten lediglich vage Beschreibungen der Täter.
Soweit so gut – bzw. schon hier, nach dem Bankraub, zweifelte ich daran, dass Jewison zumindest eine einigermaßen durchdachte Geschichte erzählen würde. Der Bankraub selbst wird durch das Splitscreen-Verfahren und die Art der Kameraführung stilistisch aufgewertet, aber besonders originell ist der Bankraub nun wahrlich nicht. Die Männer setzen ein paar Wachleute schachmatt, blockieren die Aufzüge und warten auf die Angestellten mit den Geldsäcken. Dann setzen sie den Gang im Bankgebäude unter Rauch und hauen in alle Himmelsrichtungen ab. Fertig. Originell ist etwas anderes.
Doch das wäre nicht das Schlimmste. Jetzt führt Jewison so etwas wie einen Joker ins Spiel ein in Gestalt der Versicherungsdetektivin Vicki Anderson (Faye Dunaway). Sie gilt als äußerst clever im Aufdecken von Versicherungsbetrug und Bankraub. Und sie schlussfolgert: 1. Die Täter müssen sich gut in der Bank ausgekannt haben. 2. Sie vermutet, dass man das Geld in die Schweiz gebracht hat, weil dort das Gepäck nicht kontrolliert würde und ein Nummernkonto der sicherste Aufbewahrungsort für gestohlenes Geld sei. 3. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, die Namen der Kunden der Bank mit den Passagieren abzugleichen, die in den letzten Tagen in die Schweiz geflogen seien. So stoßen Anderson und Malone auf Thomas Crown. Vicki hält den Täter für einen gerissenen Mann, doch ihre Schlussfolgerungen deuten eher auf das Gegenteil. Und so ist es auch. Dass Jewison diese Ungereimtheiten zuhauf zugelassen hat, deutet wiederum auf sein übermäßiges Faible, zumindest in diesem Film, für style statt story.
Ein allzu holpriger Plot also. Denn dass der als äußerst intelligent und gerissen vorgestellte Crown ausgerechnet die Bank ausrauben lässt, bei der er selbst Kunde ist, erscheint nicht als besonders clever – selbst wenn man berücksichtigt, dass Crown den Bankraub nicht wegen eigenen Geldmangels durchgeführt hat, sondern als Sport, als Nervenkitzel für sein ansonsten relativ langweiliges Leben. Und es ist aus dem weiteren Geschehen kaum ersichtlich, dass Crown es darauf angelegt hat, erwischt zu werden. Das eben gerade nicht. Dass er dann noch die Spur in die Schweiz legt, ist ebenso unglaubwürdig. Warum versteckt er das Geld nicht eine Zeitlang an einem sicheren Ort, bis Gras über die Sache gewachsen ist? Warum überweist er die Anteile für die Mittäter dann auch noch über das Schweizer Konto an die Chase-Manhattan-Bank, von der auch die Polizei weiß, dass diese Bank enge Geschäftsbeziehungen zu der Schweizer Bank hat? Gerissen ist das jedenfalls nicht. Und last but not least, vice versa: Warum Mrs. Dunaway à la Vicki Anderson ein Schweizer Nummernkonto als einzig möglichen Aufbewahrungsort für das gestohlene Geld vermutet, bleibt ein Geheimnis des Drehbuchs. Oder schaffen alle Bankräuber ihre Beute in die Schweiz? Und weiter: Dass jemand sich in der Bank gut auskennt, heißt noch lange nicht, dass er dort auch Konten haben muss.
Einerseits ist also Crowns Planung des Bankraubs sehr risikoreich, andererseits sind Mrs. Andersons Schlussfolgerungen kaum nachzuvollziehen, weil sie nur einige unter extrem vielen möglichen darstellen.
Durch eine große Anzeige, in der Vicki Anderson demjenigen 25.000 Dollar verspricht, der Hinweise auf die Täter gibt, will sie einen der Täter dazu bringen, sich bei der Polizei zu melden. Dass es dann die Frau Weavers ist, die die Polizei informiert und Weaver daraufhin festgenommen wird, gehört ebenso zu den Ungereimtheiten des Plots wie vieles andere. Dass Weaver so dämlich gewesen sein soll, das Fluchtauto zu behalten, obwohl er das Risiko erkannt haben musste, dass man das Auto und ihn nach dem Bankraub gesehen haben könnte, ist einfach nur unglaubwürdig. So dämlich kann kein Bankräuber sein. Wenn Crown so gerissen ist, hat er dann Weaver nicht wenigstens sagen müssen, er solle den Wagen verschwinden lassen?
Und dann gaukelt Vicki über Mittelsmänner Weaver und seiner Frau, die ihren Mann zur Aussage bewegen will, vor, man habe beider Sohn entführt. Weaver springt darauf an und holt 5.000 Dollar aus seinem Anteil am Bankraub, um seinen Sohn auszulösen und schwupp: hat man ihn. Fragen sich die Beavers nicht, wer die Anzeige aufgegeben hat? Will seine Frau ihn wirklich ans Messer liefern? Und er sich dazu auch noch?
Ganz im Sinne des Mottos Style statt Story geht es weiter: Vicki nimmt bei einer Auktion Kontakt zu Crown auf und sagt ihm offen ins Gesicht, sie halte ihn für den Drahtzieher des Bankraubs. Ihr weiblicher Instinkt sagt ihr zudem, dass die Tatsache, dass Crown Polo spielt, ein weiterer Hinweis auf seine Spielernatur und damit seine Urheberschaft für den Bankraub sei. Da es keine handfesten Beweise gegen Crown gibt, macht sich die Dame von der Versicherungsgesellschaft an den gut aussehenden Finanz-Tycoon heran. Beim Schach kommt man sich näher, als Vicki gerade dabei ist, Crown matt zu setzen. Stilistisch sauber geputzte Blicke beim Schach sollen das Publikum erneut davon überzeugen, dass Stil alles, Story nichts ist. Ein abruptes: „Schach!” von Vicki und ein „Wir spielen etwas anderes” von Crown beenden das Spiel und führen uns – ins Bett. Zumindest visuell. Jetzt scheint – es lebe der Style – nur noch Sex die Szenerie zu beherrschen.
And so on. Vicki, so wird zumindest stark angedeutet, verliebt sich in Crown, der ihr erklärt, er würde einen solchen Bankraub durchaus nochmals wagen. Gleichzeitig steht sie bei Malone in der Pflicht. Und so plätschert das Geschichtchen bis zum Ende – Vicki angeblich zwischen Liebe und Pflicht, Crown angeblich gerissen und irgendwann auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Um nicht missverstanden zu werden: Der Film ist großartig fotografiert – doch reicht das für einen guten Film aus? „The Thomas Crown Affair” ist ein Paradebeispiel für das Misslingen des Grundsatzes „victory of style over substance”. Die magere Story korrespondiert mit zwei mageren Hauptdarstellern. Die angebliche Coolness Steve McQueens und die ebenso angebliche Gerissenheit Faye Dunaways wirken derart aufgesetzt, dass beide Charaktere einfach unglaubwürdig erscheinen. Auch Crown und Anderson sind nicht mehr als Style, stilisierte Kunstfiguren, die etwas vorgeben, etwas vortäuschen, was man dann auch noch für authentisch halten soll. Dieser stilistische Schuss ging daneben. Und nicht einmal auf die Garderobe von Mrs. Dunaway legte man sehr großen Wert. Der Falten werfende Minirock und die hoch gesteckte Frisur passten einfach nicht zu ihr.
Wenn Jewison sagt „In Filmen ist Stil der Inhalt”, so muss man sich doch zumindest fragen: Welcher Stil repräsentiert eigentlich die Liebesgeschichte zwischen den beiden Protagonisten? Hier, in dieser Beziehung zwischen den beiden, ist tatsächlich alles stylish – und gerade das macht ihre Liebesbeziehung so völlig unglaubwürdig, dass man sich nur an den Kopf langen kann. Diese vorgetäuschte Liebe enthält viel Style, aber kein Gefühl – und so wirken die Tränchen, die sich Faye Dunaway am Schluss aus den Augen presst, eher wie das Bedauern, in einem schlechten Film mitgewirkt zu haben, denn als Trauer um den abgehauenen Steve.
Da hilft schließlich auch Michel Legrands wunderschöne Musik, einschließlich „The Windmills of Your Mind”, nichts mehr.
© Bilder: United Artists Screenshots von der DVD
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