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Uzumaki (Uzumaki) Japan 2000, 90 Minuten Regie: Higuchinsky
Drehbuch: Kengo Kaji, Takao Nitta, Chika Yasuo, Junji Ito (Manga) Musik: Tetsuro Kashibuchi, Keiichi Suzuki Director of Photography: Gen Kobayashi Produktionsdesign: Hiroshi Hayashida
Darsteller: Eriko Hatsune (Kirie Goshima), Fhi Fan (Shuichi Saito), Keiko Takahashi (Yukie Saito, Shuichis Mutter), Ren Osugi (Toshio Saito, Shuichis Vater), Taro Suwa (Yasuo Goshima, Kiries Vater), Masami Horiuchi (Ichiro Tamura, Reporter), Hinako Saeki (Kyoko Sekino, Schülerin), Sadao Abe (Mitsuru Yamaguchi, Schüler), Asumi Miwa (Shiho Ishikawa, Freundin Kiries), Tooru Teduka (Yokota Ikuo, Lehrer), Eun-Kyung Shin (Chie Marayama, Fernsehreporterin), Denden (Futada, Polizist), Tomoo Fukatsu (Norio Katayama, dicker Schüler)
Fluch der Spirale
„Die Engel fliegen in Spiralen, der Teufel nur geradeaus.” (Hildegard von Bingen)
... doch wenn man „Uzumaki”, den japanischen Film des aus der Ukraine stammenden Regisseurs Higuchinsky, gesehen hat, könnte man geradezu gegenteiliger Ansicht werden. Während die Spirale in der europäischen Tradition als Sinnbild des Weges zu Gott und von Gott wieder zu den Menschen gilt, ist sie in „Uzumaki” Symbol des Grauens und des Todes, des Verhängnisses und der Unentrinnbarkeit vor dem Bösen. Die Geschichte, die Higuchinsky erzählt, geht zurück auf eine Horror-Manga-Serie Junji Itos (1).
Wir befinden uns in einer kleinen Gemeinde in Japan. Die traditionellen japanischen Häuser, enge Gassen, oft ungeteert, beherrschen noch das Bild dieses Ortes. Hochhäuser wie in Tokio oder Nagasaki finden sich hier nicht. Der Ort wirkt wie abgeschnitten von der übrigen Welt, eingebettet in einen Talkessel zwischen mittelhohen Bergen. Nahe des Ortes befindet sich ein kleiner See, den die Bewohner den Libellenteich nennen.
Die Schülerin Kirie (Eriko Hatsune) ist seit ihrer Kindheit mit Shuichi (Fhi Fan) befreundet. Die beiden sind unzertrennlich. Und Kiries Freude am Leben wird nur ab und an getrübt durch den Mitschüler Yamaguchi (Sadao Abe), der ihr auflauert, sie erschreckt und ihr nachstellt. Auf dem Heimweg beobachtet Kirie eines Tages Shuichis Vater Toshio (Ren Osugi), der vor einer Mauer hockt und mit der Videokamera eine Schnecke filmt. Toshio reagiert nicht auf Kiries Gruß. Später bemerkt sie, dass Shuichi betrübt ist, fast depressiv wirkt. Und er fragt sie, ob sie mit ihm den Ort verlassen würde.
Dann sieht sie, wie Toshio bei ihrem Vater Yasuo (Taro Suwa), einem Töpfer, einen Teller in Auftrag gibt. Er will, dass der Teller eine Spirale als Muster enthält. Noch immer denkt sich Kirie nichts angesichts dieser Ereignisse, auch nicht, als sich in der Schule ein Schüler vom Geländer einer Wendeltreppe in die Tiefe stürzt und stirbt. Ebensowenig beeindrucken sie die merkwürdigen Andeutungen der leicht arrogant wirkenden Mitschülerin Kyoko (Hinako Saeki) über die angebliche Bedeutung der Spirale. Als Shuichi ihr erzählt, sein Vater benehme sich seit einiger Zeit merkwürdig, sammle alle möglichen Gegenstände mit Spiralen und er und seine Mutter Yukie (Keiko Takahashi) hielten ihn für krank, schüttelt sie nur den Kopf.
Doch bald wird Kirie eines anderen belehrt. Nachdem Shuichi sämtliche spiralförmigen Gegenstände seines Vaters weggeworfen hat, wird Toshio zunächst wütend. Dann aber meint er, er brauche diese Dinge gar nicht, denn er könne am eigenen Körper demonstrieren, wie man sich selbst zur Spirale machen kann. Toshio verdreht die Augen so stark, dass sie hervorquellen. Kirie fällt vor Schreck in Ohnmacht. Und Shuichi und seine Mutter gehen zu einem Arzt, um Hilfe zu erbitten.
Wenig später soll Kirie den von ihrem Vater fertiggestellten Teller Toshio bringen. Niemand scheint im Haus zu sein. Doch als sie in den Schuppen kommt, macht Kirie eine grausame Entdeckung ...
Über einen japanischen Ort legt sich – langsam, aber unaufhaltsam – eine Art Fluch, der sich in der Besessenheit zunächst einiger weniger, dann von immer mehr Menschen manifestiert, die nichts anderes mehr zu kennen scheinen als die Faszination für Gegenstände, die spiralförmig aussehen. Woher dieser Fluch kommt, warum er plötzlich einbricht, ob es eine geheime Kraft ist, die von außen kommt, oder ob es eine innere Macht ist, die sich in den Menschen breit macht, lässt Higuchinsky offen – bis zum Schluss.
Der Clou des Films ist, dass sich hinter der Besessenheit und dem Fluch – wobei man nicht einmal weiß, ob es sich überhaupt um einen Fluch handelt – keine außerirdische Macht (Aliens), der Teufel oder irgendeine andere bekannte respektive sichtbare Gestalt verbirgt. Überall im Ort tauchen Spiralen auf, große Schnecken kriechen das Schulgebäude hoch, eine Schülerin läuft mit einer überdimensionalen Frisur herum, die in Spiralen endet usw. Higuchinsky kommt ohne bluttriefende Szenen aus. Er arbeitet mit einer düsteren Atmosphäre, z.B. auch spiralförmigem Rauch, der aus dem Krematorium steigt, in dem die Opfer verbrannt werden, und in den nahe gelegenen Libellenteich sinkt.
Als ein Reporter (Masami Horiuchi) im Ort auftaucht, um hinter das Geheimnis der Spiralen zu kommen, wird er bei einem Autounfall getötet, bevor er Shuichi mitteilen kann, was er herausgefunden hat. Der Fluch, der sich zum Alptraum für die (noch) Überlebenden entwickelt, entzieht sich jeder Aufklärung, ja es scheint so, als ob die geheimnisvolle Kraft so mächtig ist, dass sie jede Enthüllung ihrer Kraft verhindern kann.
Zu den erschreckendsten Szenen gehören folgende:
Als Toshio mit Frau und Sohn eine Fischsuppe isst, beschwert er sich darüber, dass es zu wenig in Scheiben geschnittene Fischstückchen gibt, die ein Spiralmuster haben. Er beruhigt sich, indem er besessen in seiner Suppenschale rührt, um ein Spiralmuster zu erzeugen.
Eindrücklich ist auch eine Szene, in der Yukie im Krankenhaus liegt und ein Tausendfüßler nachts ihr Bett hochkriecht, um in ihr Ohr einzudringen. In anderen Szenen sieht man Personen, deren eigener Körper zu einer Spirale geformt wird, woran sie sterben.
Higuchinsky arbeitet mit Mitteln, die direkt gegen den Wunsch des Betrachters nach Auflösung des Rätsels gerichtet sind. Der Fluch bleibt unfassbar, unergründbar. Die Handelnden verhalten sich in Gestik, Mimik und Dialogen analog den Figuren in der Manga-Vorlage mal komisch, mal kitschig, auch so, als ob es ein Leben ohne diesen Fluch der Spirale nicht geben würde. Keiner geht weg aus dem Ort. Im Gegenteil: Der Ort rückt ins öffentliche Interesse und zieht die Medien an. Und die Fernsehreporterin (Eun-Kyung Shin), die über die Vorkommnisse berichtet, wird selbst Opfer der Spirale. Die Spirale wird zum Symbol des Todes, im psychischen wie physischen Sinn. Sie „wringt” die Körper ihrer Opfer aus und sie bemächtigt sich ihres Geistes und ihrer Seele.
„Uzumaki” ist eine jener phantastischen und phantasievollen Horror-Alternativen, die ohne bombastische special effects und blutrünstige Szenarien auskommt, eine Abwechslung im Genre, ein Film, den man gern auch zweimal anschaut.
(1) Zu den Mangas Itos vgl. z.B. folgende Website: http://junjiito.trilete.net/?jid=comics
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