Vergessene Welt – Jurassic Park
(Lost World: The Jurassic Park)
USA 1997, 129 Minuten
Regie: Steven Spielberg

Drehbuch: David Koepp, nach dem Roman von Michael Crichton
Musik: John Williams
Director of Photography: Janusz Kaminski
Montage: Michael Kahn
Produktionsdesign: Rick Carter

Darsteller: Jeff Goldblum (Dr. Ian Malcolm), Julianne Moore (Dr. Sarah Harding), Peter Postlethwaite (Roland Tembo), Arliss Howard (Peter Ludlow), Richard Attenborough (John Hammond), Vince Vaughn (Nick van Owen), Vanessa Lee Chester (Kelly Curtis), Peter Storemare (Dieter Stark), Harvey Jason (Ajay Sidhu), Richard Schiff (Eddie Carr), Thomas F. Duffy (Dr. Robert Burke)

Ein verlorener Film

„Der Mensch und der Saurier“ – eine Idee, die 1993 in „Jurassic Park“ zumindest interessant umgesetzt wurde, scheint andererseits auch zu einer Kategorie von Phantasie zu gehören, die nicht mehr als in einem Film Platz greifen kann. Die Sequels jedenfalls, die „Jurassic Park“ nach sich zog, leiden in fast jeder Hinsicht an Charakterlosigkeit der Figuren, Einfallslosigkeit der Geschichte und fehlender Plausibilität. Mit „Jurassic Park“ ging es Spielbergs dabei ähnlich wie mit dem weißen Hai: Ein Film hätte genügt. Nur der gierige Blick Richtung Box Office scheint solche Sequels zu erzeugen.

Nachdem John Hammonds (Richard Attenborough) Projekt eines Dino-Parks – eben Jurassic Park – kläglich gescheitert ist, befürchtet er, dass windige Geschäftemacher und abenteuerlustige Großwildjäger, die Wind von der Existenz der Saurier auf der Insel Sorna bekommen haben, allen voran sein Neffe Peter Ludlow (Arliss Howard), eine Gefahr für das ungestörte Leben der Tiere in einer natürlichen Umgebung werden können. Hammond bittet den Mathematiker Dr. Ian Malcolm (Jeff Goldblum), sich mit anderen Experten nach Sorna zu begeben, um die Tiere zu schützen. Malcolm hat dazu eigentlich keine Lust; doch Hammonds erzählt ihm, dass Malcolms Freundin, die Paläontologin Sarah Harding (Julianne Moore), sich bereits auf Sorna befindet. Zusammen mit dem Fotografen Nick van Owen (Vince Vaughn) und dem Techniker Eddie Carr (Richard Schiff) tritt Malcolm die Reise nach Sorna an – ohne zu wissen, dass seine kleine Tochter Kelly (Vanessa Lee Chester) sich an Bord versteckt hat.

Bei ihrer Ankunft müssen die Wissenschaftler feststellen, dass Ludlow zusammen mit dem Jäger Roland Tembo (Pete Postlethwaite) und etlichen weiteren Männern ihren Plan verfolgen, Saurier zu fangen, um sie nach San Diego in einen prähistorischen Zoo zu bringen. Die Anwesenheit der Wissenschaftler, Jäger und Geschäftemacher bringt Unruhe in das Leben der Saurier und schon bald müssen die Anwesenden feststellen, dass es dem fleischfressenden Teil der Tiere gleichgültig ist, welcher Herkunft ihre Mahlzeit ist ...

Zweifellos kann man etwas Gutes über diesen Film berichten. Die aufwendige Darstellung der Saurier ist fast besser gelungen als im ersten Teil von „Jurassic Park“. Die Tiere wirken derart echt, dass selbst eine Szene realistisch erscheint, in der einer der Jäger mit einem Motorrad zwischen den Beinen eines der Tiere hindurch rast. In einer anderen Szene reißen zwei Riesenexemplare der Gattung Eddie Carr aus seinem Wagen, um ihn zu verspeisen. Auch hier wurde erfolgreich viel technischer Aufwand getrieben. Aber das war auch schon die einzige gute Meldung.

Die Geschichte, die Spielberg erzählt, strotzt nur so vor nicht überzeugenden Figuren, unplausiblen Handlungsweisen, Farblosigkeit und fehlenden Einfällen, dass man am gesunden Menschenverstand zweifeln muss. Das fängt schon damit an, dass der Grund, warum Malcolm, Harding, van Owen und Carr nach Sorna reisen, völlig abstrus ist. Es handelt sich um Wissenschaftler respektive Fotografen. Was wollen die gegen eine Mafia aus Geschäftemachern und Jägern ausrichten? Letzere wiederum scheinen ohne jegliche Erfahrung bzw. Überlegung nach Sorna gekommen zu sein. Denn sie verhalten sich gegenüber den Sauriern wie dumme Jungens, die das Risiko der avisierten Gefangennahme eines T-Rex nicht kalkulieren können. Unbeholfen und schlimmer als Teenager, die irgendeine Dummheit begehen, bewegen sich Tembo und Ludlow auf der Insel. Ein Bild des Jammers!

Ich kenne Michael Crichtons Roman nicht. Das Drehbuch David Koepps jedenfalls scheint eher die vierte Vorstufe zu einem mittelmäßigen Drehbuch gewesen zu sein. Die gesamte Inszenierung wirkt eher wie eine Art Übung für einen Film denn als fertiger, überzeugender Film selbst. Warum sich beispielsweise die Tochter Malcolms heimlich mit auf die Reise macht, bleibt unerfindlich. Das Geplänkel zwischen ihr und ihrem Vater zu Anfang des Films nach dem Muster: vernachlässigte Tochter versus Vater mit schlechtem Gewissen, gibt dafür nicht viel her. Es bleibt nur eine Erklärung: Das Drehbuch schiebt sie auf Sorna, um die Handlung von A nach B zu bewegen. Julianne Moore kommt die Aufgabe zu, die Saurier nicht nur zu fotografieren, sondern an allen möglichen Stellen des Films die besorgte Mama zu spielen nach dem Motto: Gebt der Saurier-Mama ihr Kleines wieder. Nie habe ich Moore so schlecht spielen gesehen. Warum Jeff Goldblum auf Sorna weilt, bleibt ein Geheimnis. Denn alle anderen machen sowieso, was sie wollen, und seine Einwände und Warnungen verpuffen in den Niederungen eines äußerst schwachen Plots.

Auch die Szenen, die wohl Suspense erzeugen sollen, leiden an der Unfertigkeit der Inszenierung. Als Malcolm, van Owen und Harding am „seidenen Faden“ eines Abgrunds baumeln – ihr geräumiger Wagen hängt dort absturzbereit –, „bemüht“ sich Carr um Rettung. Dieses Bemühen ist derart bemüht, dass einem die Haare zu Berge stehen. Dass Carr dann zur Speise zweier Saurier wird, ist in bezug auf diese missratene Szene eher erleichternd, denn grausam.

Eine andere Szene: Kelly hat Angst. Deshalb bringt sie Carr auf eine Plattform etliche Meter über dem Boden. Warum es da für die Kleine sicher sein soll, bleibt unerfindlich, da es einigen großen Exemplaren der Marke Saurier durchaus gelingen würde, an die Plattform heranzukommen.

Warum es den tollpatschigen Jägern dennoch gelingt, einen Saurier auf ein Schiff zu transportieren, bleibt das Geheimnis Steven Spielbergs. Der Koloss jedenfalls kann sich bei Ankunft im Hafen aus dem Innern des Schiffs befreien – wie sollte es auch anders sein, denn das Drehbuch arbeitet nach dem Prinzip: die Schauspieler werden als Statisten und Katalysatoren für unglaubwürdige Handlungsstränge verpulvert. Man betäubt einen Saurier, schifft ihn ein. Wäre es da nicht logisch, seinen Zustand permanent zu kontrollieren, um gerade zu verhindern, dass der Riese aufwacht, bevor er in sichere Gefilde gebracht worden ist? Aber T-Rex wacht genau in dem Zeitpunkt auf, als das Schiff in den Hafen einläuft, um an Land gehen zu können. Perfekt! Oder doch nicht?

© Bilder: United International Pictures