Viva Zapata!
(Viva Zapata!)
USA 1952, 113 Minuten (DVD: 109 Minuten)
Regie: Elia Kazan

Drehbuch: John Steinbeck
Musik: Alex North
Director of Photography: Joseph MacDonald
Montage: Barbara McLean
Produktionsdesign: Leland Fuller, Lyle R. Wheeler, Claude E. Carpenter, Thomas Little

Darsteller: Marlon Brando (Emiliano Zapata), Jean Peters (Josefa Zapata), Anthony Quinn (Eufemio Zapata), Joseph Wiseman (Fernando), Arnold Moss (Don Nacio), Alan Reed (Pancho Villa), Margo (Soldadera), Harold Gordon (Madero), Lou Gilbert (Pablo), Mildred Dunnock (Señora Espejo), Frank Silvera (General Huerta), Florenz Ames (Señor Espejo), Fay Roope (Präsident Diaz)

Die Legende von der Gerechtigkeit

Kein geringerer als der große John Steinbeck schrieb Elia Kazan 1952 das Drehbuch zu der Geschichte und den in Mexiko auch heute noch verehrten Emiliano Zapata, einen Volkshelden der mexikanischen Revolution zwischen 1911 und etwa 1926. Auch wenn „Viva Zapata!” gemessen an den historischen Fakten nicht immer korrekt sein mochte, so ist Kazans Film doch ein Meisterwerk der Filmkunst geworden, vom Aufbau her vergleichbar mit einer klassischen Tragödie: Wir haben einen herausragenden tragischen Helden, wir erleben Verrat, Brudermord, das, was wir heute Dogmatisierung oder Ideologisierung nennen würden, und last but not least das tragische Ende eines Helden.

Angesiedelt ist die Geschichte Zapatas in den Wirren der mexikanischen Revolution im Kampf der verschiedenen politischen Lager – dem Großbürgertum und Großgrundbesitzern, die sich unter dem diktatorisch regierenden Präsidenten Diaz zusammengeschlossen hatten, der aufkommenden (zumeist sozialistisch orientierten) Arbeiterbewegung, den landlosen Bauern und verarmten Indios sowie der intellektuellen und bürgerlich-demokratisch orientierten Mittelschicht. Vor Ausbruch der Unruhen und Erhebungen 1910 verfügten 1% der mexikanischen Bevölkerung über 96% des Bodens, während nahezu 97% der ländlichen Bevölkerung keinen Grundbesitz hatte. Diaz hatte über die Jahre hinweg diesen Verarmungsprozess forciert und insbesondere durch die Öffnung Mexikos für US-amerikanische Firmen den industriellen Sektor Mexikos einer ausländischen Macht mehr oder weniger übereignet.

In dieser Situation schlossen sich 1910 Francisco Villa (Pancho Villa) und der Bauernführer Zapata dem reichen Landbesitzer Francisco Madero an, der im Gegensatz zu anderen Mitgliedern seiner Schicht die Diktatur Diaz stürzen wollte und für freie Wahlen, Liberalismus und Theosophie eintrat. Diese verschiedenen Kräfte stürzten 1911 Diaz und Madero wurde zum Präsidenten gewählt. Doch schon bald zerriss dieses Bündnis, weil die Führer der ländlichen Bevölkerung die sofortige Rückgabe des geraubten Landes an die Bauern verlangten und andererseits Madero sich mit den strukturell unveränderten Militärs verbündete bzw. von diesen und ihrem Führer Huerta abhängig machen ließ und im Gegensatz zu seinen Schriften die Rückgabe des Landes auf den St.-Nimmerleinstag verschob.

Vor diesem Hintergrund erzählt Kazan die Geschichte Emiliano Zapatas.

1909. Bei einer Audienz bei Präsident Diaz verlangen Bauern und Landarbeiter die Rückgabe des ihnen von Großgrundbesitzern geraubten Landes. Emiliano Zapata (Marlon Brando) bezweifelt, dass man den Vorschlag von Diaz umsetzen könne, die Grenzsteine auf den inzwischen zusammengelegten Parzellen, auf denen Zuckerrohr angebaut wird, zu markieren. Man würde sie mit Gewalt von den Feldern vertreiben. Genau dies geschieht – und zwar auf Anordnung von Diaz selbst. Zapata und sein Bruder Eufemio (Anthony Quinn) sowie einige andere Männer verstecken sich daraufhin in den Bergen. Über Fernando (Joseph Wiseman) erreicht sie die Botschaft Maderos (Harold Gordon), der wolle mit Zapata und einem anderen Bauernführer namens Pancho Villa (Alan Reed) eine gemeinsame Front zum Sturz Diaz aufbauen.

Zapata wird kurze Zeit nach der Aufnahme des Widerstands gegen das Regime von Diaz von Soldaten festgenommen. An einem um den Hals gebundenen Seil führen die berittenen Soldaten Zapata ab. Doch die Bauern, Indios und Landarbeiter folgen dem Tross und zwingen die Soldaten, Zapata frei zu lassen. Als man schließlich erreicht, dass Diaz abdankt, kann Zapata endlich die Frau heiraten, die er schon immer geliebt hat: Josefa (Jean Peters) aus gutem Haus.

Doch die Ziele der Landbevölkerung, ihr Land wieder zurückzubekommen, sind noch lange nicht erreicht. Denn der zum Präsidenten ernannte Madero ist schwach und zudem von General Huerta (Frank Silvera) abhängig, der die alten Mächte wieder einsetzen will. Allerdings gelingt es Zapata, Pancho Villa und Fernando, auch diesen Widerstand zu überwinden. Zapata traut Madero nicht mehr. Er erschießt sogar einen seiner besten Freunde, Pablo (Lou Gilbert), weil der, von der ehrlichen Gesinnung Maderos überzeugt, Kontakt zum Präsidenten gehalten hat. Insbesondere Fernando drängt Zapata, Pablo als Verräter zu behandeln, obwohl der nur Gutes wollte, um die Bewegung der Bauern voranzubringen.

Zapata gerät immer mehr unter den Einfluss Fernandos. Und als er in Mexiko City als Sieger einzieht, behandelt er eine Abordnung Bauern, die sich über Eufemio beschweren, der ihnen Land weggenommen habe, wie er Jahre zuvor von Diaz behandelt worden war. Erst jetzt wird Zapata bewusst, welche Auswirkungen die Ereignisse der vergangenen Jahre auf ihn gehabt haben ...

Kazans Aufbau der Geschichte konzentriert sich auf die Figur des mexikanischen Revolutionärs Zapata. Marlon Brando spielt einen ungebildeten, aber nichtsdestotrotz intelligenten und vor allem von einem tiefen Gerechtigkeitsgefühl beherrschten Mann, der nichts anderes will, als dass seine Landsleute wieder so leben können wie früher, ohne dass die Staatsmacht, ausländische Investoren, Großgrundbesitzer usw. ihr Leben ins Elend führen können. Zapata hat an Politik eigentlich kein Interesse, und dass er in die politischen Auseinandersetzungen hineingezogen wird, ist ihm letztlich zuwider. Seine bäuerliche Lebensweise, seine Bescheidenheit und sein Gerechtigkeitsempfinden kollidieren allerdings mit politischer Taktik, mit dem Kalkül seiner Verbündeten und dem Machwillen, vor allem Fernandos, der jede Abweichung in den eigenen Reihen als Verrat brandmarkt, dann sich zum Schluss aber nicht einmal zu schade ist, mit den alten Mächten zu kollaborieren und Zapata zu verraten.

Kazan und Steinbeck bauen die Figur Zapatas auf wie einen Held der klassischen Tragödie. Die Inszenierung selbst entspringt der Idee dieser klassischen Tragödie. Zapata entwickelt sich von einem der Gerechtigkeit verpflichteten Mann, der in die Querelen der Politik hineingezogen wird und sich hineinziehen lässt, zu einem harten Machtmenschen. Auf dem Höhepunkt dieser Machtstellung erst wird ihm bewusst, wie weit er von seinen Zielen entfernt ist. Noch tragischer ist, dass es ausgerechnet sein Bruder und ständiger Weggefährte Eufemio ist, der von einem besseren Leben träumt, dem Zapata entgegentreten muss. Denn Eufemio ist es, der seinen eigenen Verbündeten, den Landarbeitern und Bauern, das Land und die Frauen stiehlt, um sein eigenes Fortkommen zu gewährleisten. Eufemio stirbt im Kugelhagel derjenigen, die einmal seine Freunde waren.

Dass Zapata, in einen Hinterhalt gelockt, von Fernando verraten wird, ist nur der konsequente Schlusspunkt der Geschichte eines Mannes, der letztlich mit denen, für die er gekämpft hat, eine Welt gewinnen wollte, aber sein Leben verlieren musste.

„Viva Zapata!” kann man darüber hinaus durchaus verschieden lesen. Ein wichtiger Gesichtspunkt scheint mir eine kaum versteckte Kritik Kazans an den Strukturen einer jeglichen Revolution, die man in dem berühmten Satz zusammenfassen könnte: Die Revolution frisst ihre Kinder. Zapata ist vor allem deshalb ein tragischer Held, weil er zu seinen „einfachen” Zielen am Schluss zurückkehrt, während seine Verbündeten – sein Bruder und Fernando – in unterschiedlicher Weise sich davon entfernt haben. Der eine will private Macht auf Kosten der Bauern, der andere will politische Macht auf Kosten der Bauern. Kazan schildert Macht als korrumpierende Größe, Korruption allerdings auch als eine charakterliche Eigenschaft, die zumindest eine Voraussetzung für Machtausübung auf Kosten der Mehrheit der mexikanischen Bevölkerung darstellt. Die zur Macht gekommenen Revolutionäre entwickeln die gleichen Mechanismen der politischen Gewalt usw. wie ihre Vorgänger. Sie errichten eine Staatsmacht, die in ihren wesentlichen Strukturen nicht andersartig ist als die, die vorher regierten. Dass Kazan hier in diesem Punkt einen wichtigen Aspekt entlang der Entwicklung der mexikanischen Revolution abhandelt, dürfte durch die Ereignisse des 20. Jahrhunderts insbesondere in den realsozialistischen Ländern bewiesen sein.

Darüber hinaus zeigt der Film – gewollt oder nicht – aber auch, dass die „naiven” Vorstellungen der bäuerlichen Führer, zu einem Leben „wie früher” zurückzukehren, angesichts der Machtkonstellation und der aufsteigenden Interessen des intellektuellen Bürgertums, der US-amerikanischen Wirtschaft und der mexikanischen Oberklassen wenig Chancen auf Realisierung hatten. Auch in diesem Punkt erweist sich Zapata als tragische Figur, denn seine Vorstellungen – so sehr sie manche als wirklich „naiv” bezeichnen mögen – fußten auf einer gerechten Verteilung des Bodens an die überwiegend (noch) ländliche Bevölkerung Mexikos. Und doch war eben gerade dies aufgrund der konkreten Umstände zum Scheitern verurteilt.

Brando ist großartig in der Rolle des Zapata, spielt ihn als einen ruhigen, überlegten, aber auch als einen später verhärteten Mann. Während er auf dem Höhepunkt seiner Macht, die er gar nicht wollte, erkennt, dass er in seine Heimat zurückgehen muss, hört er nicht auf die Warnungen seiner Frau, man wolle ihn in einen Hinterhalt locken und ermorden.

Die Legende lebt weiter. Die Obrigkeit wirft die von Kugeln durchsiebte Leiche Zapatas auf den Marktplatz. Und nun wird Zapata zu einer Legende. Denn die Bauern sagen: Nein, Zapata ist nicht tot, Zapata lebt weiter in den Bergen, und wenn man ihn brauche, könne man ihn rufen. Die Legende, die hier weiterlebt, ist Ausdruck dieses tiefen Gerechtigkeitsempfindens, die Zapata verkörperte, das Festhalten der Bauern und Landarbeiter an dem Sinn einer gerechten Verteilung des Bodens. Die Legende erhält die Funktion, den Gedanken an Gerechtigkeit wach zu halten, in dem sie sich in einem Mann verkörpert. Auch dass ist Kazans Inszenierung deutlich anzumerken.

© Bilder: 20th Century Fox
Screenshots von der DVD