Voll frontal (Full Frontal) USA 2002, 101 Minuten Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: Coleman Hough Musik: Jacques Davidovici Director of Photography: Steven Soderbergh Montage: Sarah Flack
Darsteller: David Duchovny (Bill / Gus), Nicky Katt (Hitler), Julia Roberts (Catherine / Francesca), Blair Underwood (Nicholas / Calvin), Catherine Keener (Lee), Mary McCormack (Linda), David Hyde Pierce (Carl), Brian Krow (Bellboy), Enrico Colantoni (Arty / Ed), Erika Alexander (Lucy), Tracy Vilar (Heather)
\?!?/....?&//?
Ich mag Filme wie Steven Soderberghs „Solaris” (2002), ein Streifen, der so ganz anders wirkt als Tarkovskys Original von 1972. Oder „Sex, Lies, and Videotape” (1989), „Traffic” (2000), „Oceans Eleven” (2001) und „Erin Brokovich” (2000). Soderbergh überraschte mich mit jedem seiner Filme. Ebenso erging es mir mit „Full Frontal”. Um es von vornherein zu sagen: Mit dieser eher einer Anfängerübung von Filmstudenten gleichenden „Geschichte” über einen Tag Hollywood kann ich so ganz und gar nichts anfangen. Soderbergh „verfolgt” seine Protagonisten, die in einer Art Film im Film „spielen” – wenn man von „Spielen” hier sprechen kann – mit der digitalen Handkamera, was dem Streifen offenbar eine Art Dokumentarcharakter verleihen soll. Aus dieser Spannung – Film im Film versus Dokumentarfilm – könnte man nun einiges an Spannung, Handlung, Dramatik, Komik herausholen, auch wenn die Idee nicht gerade neu ist.
Doch was Soderbergh „erzählt”, verlässt die fundierte Basis einer Kunst, die auch nur irgendetwas zu sagen hat. „Voll frontal” hat nichts zu sagen, obwohl ständig geredet wird. Was „passiert”? Soderbergh stellt uns Personen vor. Carl (David Hyde Pierce), Redakteur irgendeines Magazins, verliert seinen Job. Seine Frau Lee (Catherine Keener) legt ihm morgens einen Brief auf den Tisch, in dem sie ihm mitteilt, sie wolle ihn verlassen. Lee ist unzufrieden mit ihrem Job, hat keine wirklichen Freunde, und selbst die Beziehung zu ihrer Schwester Linda (Mary McCormack) gestaltet sich schwierig. Linda, beziehungsunfähig, will nach Tucson, um dort einen Mann zu treffen, den sie über das Internet kennen gelernt hat. Bei diesem Mann handelt es sich um Ed (Enrico Colantoni), der zusammen mit Carl das Drehbuch zu dem Film „Rendevous” geschrieben hat und der gerade in seinem kleinen Privattheater ein Stück mit dem Titel „The Sound and the Fuhrer” probt. Darin unterhält sich Hitler (Nicky Katt) mit Eva Braun und versucht ihr zu erklären, dass er für private Beziehungen überhaupt keine Zeit habe.
In einer weiteren Geschichte treffen wir auf die Reporterin Francesca (Julia Roberts), die über den Schauspieler Nicholas (Blair Underwood) eine Story schreiben will. Dabei handelt es sich um einen Film im Film, den der blasierte Regisseur Gus (David Duchovny) dreht. Francesca wird von der mittelmäßigen Schauspielerin Catherine, Nicholas von dem Starschauspieler Calvin gespielt. Der Film heißt „Rendevous”.
Alle Personen treffen sich dann auf einer Party zum 40sten Geburtstag von Gus.
Ich muss gestehen, dass meine Interpretationsfähigkeit bei diesem Film versagt. Zum einen erkenne ich keine wirkliche Geschichte, die Soderbergh erzählen will – nicht einmal in Ansätzen. Dazu trägt bei, dass die Dialoge – und geredet wird in „Full Frontal” ziemlich viel – weder in einem irgendwie gearteten Zusammenhang einer Handlung stehen (denn „gehandelt” wird in diesem Streifen eigentlich nicht) und sich zudem als Ausdruck von eklektizistischer Selbstverliebtheit erweisen. Ähnliches gilt für die „aufgeregte” Handkamera, die immer „drauf hält”, ihre Objekte „einfängt”, aber nichts wirklich zeigt. Es ist nicht einmal sicher, dass die obige Wiedergabe der Handlung diese richtig schildert, weil das Mittel „Film-im-Film” derart undurchsichtig, überstrapaziert (David Fincher, Jerry Weintraub, Terence Stamp und Brad Pitt haben Cameo-Auftritte à la Film-im-Film-im-Film ...!) und nicht auflösbar erscheint, dass man nicht umhin kommt, sich irgendwann im Laufe der gut 100 Minuten am Kopfe zu kratzen.
Roger Ebert schreibt in seiner Besprechung des Films u.a.: „There is a scene [...] where a character comes to a tragic end while masturbating. That could symbolize the method and fate of this film.” „Voll frontal” ergeht sich in einer kaum erklärbaren Selbstverliebtheit, die nicht einmal dazu taugt – was man zunächst annehmen könnte –, eine Satire auf den Hollywood-Betrieb abzugeben. Soderbergh wechselt, wenn es darauf ankommt, seinen leblosen Figuren näher zu kommen, ihnen Leben zu geben, flugs die Szenerie. Ein Hauch von Neurosen, Problemen, Konflikten, Streitereien usw. breitet sich über der Handlung aus, doch die Handkamera, die Geschwätzigkeit und der ständige Wechsel der Szenerie sorgen dafür, dass sich das alles schnell wieder in Luft auflöst. Ein Luftballon von einem Film. Man bläst hinein, und bläst und bläst – knall!
Ein Film zum Vergessen. Ausrutscher eines begabten Regisseurs. Was soll ich mehr dazu sagen?
© Bilder: Buena Vista International
|